Festplatten-Recorder Der Friedensstifter

stern-Redakteur Kester Schlenz entdeckt eine neue Art des familienfreundlichen Fernsehens: Mit einem Festplatten-Recorder.

Bei uns in der stern-Redaktion haben wir einen etwas sonderlichen Kollegen. Thomas leitet das Ressort "Computer und Internet". Ständig erzählt er in den Redaktionskonferenzen von neuen, segensreichen, multimedialen Erfindungen, die unser Freizeitverhalten, ja unser Leben revolutionieren würden. Wir nennen ihn "Preacher", den Prediger.

Vor kurzem kommt der Preacher in mein Büro. "Höre", sagt er, während er mit seinem brandneuen, amöbengroßen Handy mal eben meinen Blutzucker misst. "Du wirst für mich einen neuartigen Festplatten-Recorder testen, der - und ich verspreche das selten - dein Leben revolutionieren wird." Normalerweise begleitet man den Preacher nach einer solchen Rede mit sanften Worten hinaus, doch ich werde hellhörig. Von diesen Geräten habe ich Großes gehört. Keine klapprigen Videocassetten mehr. Riesiger Speicherplatz. Filme in digitaler Qualität. "Ich mach's, Preacher", sage ich. Und schon eine Woche später haben wir das "Activy Media Center 370" von Fujitsu Siemens zu Hause in unserem Wohnzimmer.

Es geht los

Der bisherige Satellitenempfänger, der Video- und der DVD-Recorder wurden bereits vor Anlieferung entfernt und dunkel gelagert. Nun steht nur noch ein großes, silberfarbenes, leise surrendes Gerät unter unserem Fernseher. Und in meiner Hand halte ich eine Fernbedienung mit verdächtig vielen Knöpfen in unterschiedlichen Größen. Das "Activy Media Center", so hatte man mir gesagt, könne empfangen, rund 70 Stunden Sendungen auf einer internen Festplatte aufzeichnen, man könne damit CDs und DVDs brennen, Aufnahmen schneiden, CDs und DVDs abspielen, Fotos angucken, und man bekomme via Satellit sogar das wöchentliche TV-Programm auf den Schirm "gebeamt". Und wer wolle, könne das Ganze mit einem DSL-Zugang auch noch an seinen Computer anschließen und dann per Fernseher im Internet surfen, eine komplette TV-Zeitschrift online lesen, Video-on-Demand abrufen und vom Büro aus TV-Aufnahmen veranlassen.

Wir haben aufgrund eines akuten Kulturschocks auf letztere Funktionen verzichtet. Denn ohne unsere Jungs Henri, 14, und Hannes, 12, wären wir ohnehin erst mal aufgeschmissen gewesen. Während meine Frau und ich noch in der Bedienungsanleitung blättern, huschen die Finger der Jungs abwechselnd über die Fernbedienung. Menüs leuchten auf, Programmfetzen erscheinen, Cursor rasen über den Schirm. Okay-Tasten werden beherzt gedrückt. Ihre Gesichter erstarren in selten gekannter Konzentration. Dann sagt Henri: "Jetzt hab ich's so ungefähr raus." Und Hannes befiehlt: "Nimm gleich mal 'Spongebob' auf."

So fing es an

An einem der noch so warmen Oktoberabende dieses Jahres. Und ich kann jetzt, nach anderthalb Monaten, sagen: Dieses Gerät hat unser Fernsehverhalten tatsächlich entscheidend verändert. Zwar gucken wir nicht häufiger, dafür aber viel entspannter und vor allem viel zielgerichteter. Es gibt den Wochenendabend nicht mehr, an dem wir sauer sind, weil nix Vernünftiges läuft, und wieder einer in die Videothek fahren muss. Wir haben stets ein selbst zusammengestelltes Programm auf der Festplatte. Spielfilme, Serien, eine ganze Menge "Spongebob"-Folgen, insgesamt 25 Stunden, sofort und bequem abrufbar, von Henri oder Hannes werbefrei zurechtgeschnitten.

Regelmäßig setzen wir uns zusammen hin, scrollen die Programm-Infos der kommenden Tage am Bildschirm durch, und jeder darf sagen, was er sehen will. Ein Druck auf "okay", und das Ganze wird aufgenommen. Wenn der Speicher voll ist, brennen wir die Highlights auf DVD. Kein lästiges Gesuche nach freien Videocassetten mehr ("Neiiiiin - da ist Star Wars drauf. Nicht löschen, Papa").

Die Taste für den Notfall

Das Beste an diesem Gerät aber ist die "Pinkelpausen-Taste". Sie nennt sich "Timeshift" und hilft einem, wenn - sagen wir - mitten im Champions-League-Finale ein lästiger, aber wichtiger Telefonanruf kommt. Einfach auf "Timeshift" drücken; das Bild friert ein und die "Activy" nimmt die laufende Sendung auf einem speziellen Speicherplatz auf. Sobald man wieder auf den Knopf drückt, kann man weitergucken, als ob nichts gewesen wäre. Beliebig wiederholbar, falls der Chef noch mal anruft.

Wenn Sie jetzt denken, "dieser Journalist ist mir etwas zu begeistert. Er sollte bei einem Test mehr Distanz zeigen", dann antworte ich Ihnen: Gut, die Fernbedienung ist eine Hürde, und die Gebrauchsanweisung hat 125 Seiten. Wenn Sie, wie meine Frau und ich, darüber hinaus Technik-Deppen sind, ist für die Verkabelung, Installation und Programmierung ein Fachhändler nötig. Tja, und dann sieht das Gerät auch noch ein bisschen doof aus. Zu groß und zu klobig. Das habe ich einem Vertreter des Herstellers entgegengeschleudert. Und der sagte: "Wissen wir. Im Dezember bringen wir ein schickeres, schmaleres, schwarzes heraus".

Was soll ich denn machen? Ich muss den Preacher fragen. Er wird ein neues, revolutionäres Gerät haben. Vielleicht eines mit einem kleinen, gelben Knopf an der Rückseite. Und wenn man den drückt, guckt das Gerät die aufgenommenen Sendungen gleich selbst an und wirft anschließend Zettel aus mit knappen Kommentaren wie "geiler Film" oder "leider ein Scheiß-,Tatort"". Das wäre super: Man lässt gucken und kann in der gesparten Zeit mal wieder ein Buch lesen oder Pilze sammeln. Preacher, gib mir so ein Gerät!

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Kester Schlenz

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