Editorial Wahlkampf ums Präsidentenamt

Liebe stern-Leser!

Gesine Schwan ist eine Frau, die sich was traut. Mehr jedenfalls als die Führung ihrer Partei, der SPD. Deren Vorsitzender Kurt Beck und die meisten anderen Spitzengenossen hätten am liebsten den amtierenden Bundespräsidenten Horst Köhler noch einmal gewählt - nicht aus Überzeugung, sondern aus Feigheit. Im Grunde ihres Herzens mögen ihn die Genossen nicht, halten ihn für eine Fehlbesetzung. Daran ändert auch seine Kritik an Managern und Finanzmärkten ("Monster") nichts, die er jüngst im stern-Interview geäußert hat. Der einzige Grund, warum die SPD-Führung keinen eigenen Kandidaten aufstellen wollte, war Angst - Angst davor, vier Monate vor der Bundestagswahl in der Bundesversammlung eine Niederlage zu kassieren und zudem eine Debatte über Rot-Rot am Hals zu haben. Dann aber nahmen in der Partei ein paar Netzwerker, Linke und Frauen und auch Gesine Schwan selbst das Heft in die Hand, düpierten die führungsschwachen Herren im Vorstand - und bescheren uns nun einen Wahlkampf, wie es ihn in der fast 60-jährigen Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat: Der amtierende Bundespräsident, eigentlich zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet, muss um seine Wiederwahl kämpfen.

Noch einmal also das Duell Köhler gegen Schwan. 2004 schaffte es Gesine Schwan, etliche Stimmen aus dem schwarzgelben Lager zu gewinnen. Sie glaubt, dass ihr ein ähnlicher Coup auch am 23. Mai 2009 gelingen könnte. Der stern hat die agile Professorin aus Frankfurt/ Oder beobachtet und begleitet, sprach mit früheren Mitschülern wie dem Liedermacher Reinhard Mey, mit ihren Studenten, Freunden und politischen Wegbegleitern und zeigt Bilder aus ihrem privaten Fotoalbum: "Mein lieber Schwan" (Seite 30).

Die Internationalen Filmfestspiele von Cannes, die am Sonntag zu Ende gingen, sind eines der wichtigsten und glamourösesten Festivals der Welt. Entsprechend groß ist der Auflauf der Stars - und das Gedränge der Fotografen am roten Teppich. Für den stern hat Fabrice Dall'Anese trotzdem ganz einzigartige Bilder machen können. Der 34-Jährige ist halb Italiener, halb Franzose und lebt in München und Paris. Schon viele Wochen vor dem Festival knüpfte er Kontakte mit Produktionsfirmen, Filmverleihern und den Agenten der Stars, um exklusive Fototermine in Cannes zu bekommen. Meist hatten er und sein fünfköpfiges Team dann nur drei bis fünf Minuten Zeit, um die Stars zu porträtieren. Mal auf dem Balkon eines Luxushotels, mal auf der Terrasse des Palais des Festivals, mal auf einer Yacht oder auch im schummrigen Treppenhaus eines Notausgangs. Was Fabrice Dall'Anese daraus gemacht hat, ist sehenswert (ab Seite 138).

Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn

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