Editorial Wo bleibt die Weltpolizei?

Es ist, so scheint es, kein Konflikt, der die Unbeschwertheit unserer Sommertage in Gefahr bringen kann.

Liebe stern-Leser!

Es ist, so scheint es, kein Konflikt, der die Unbeschwertheit unserer Sommertage in Gefahr bringen kann. Zwischen Monrovia und Berlin liegen beruhigende 5568 Kilometer Luftlinie. So groß wie die Distanz ist auch das Ausmaß des Desinteresses in Europas Hauptstädten.

Der politische Betrieb macht allerorten Ferien, niemand da, der aufrüttelt, der sensibilisiert, der lautstark internationale Hilfe eingefordert hätte, die nun endlich anläuft. Zu spät, um eine der furchtbarsten Tragödien dieses Jahres zu verhindern. 24 Stunden täglich wurde in Monrovia, der Hauptstadt des westafrikanischen Küstenstaates, gemordet und gestorben.

Rebellen gegen Regierung. Dazwischen Kinder, Frauen, hilflose Männer. Hunger, Cholera, Achtjährige, die um sich schießen. Seit Wochen ging das so. Die Amerikaner, historisch in besonderer Verantwortung für dieses Land, taktierten wochenlang. Erst am Mittwoch vergangener Woche, fast zwei Monate nachdem der Sturm der Rebellen auf Monrovia begonnen hatte, befasste sich der Weltsicherheitsrat mit dem Gemetzel. Grotesk ist das, angesichts der Bilder, die uns seit langem aus Liberia erreichen.

Das Geschachere um die Fragen, wer schickt wie viele Soldaten, wer bezahlt was, kostet täglich Menschenleben. Wenn eine humanitäre Intervention durch UN-Soldaten gerechtfertigt ist, dann in Liberia. Andererseits ist es verständlich, dass die Staaten, die grundsätzlich zur Hilfe bereit sind, zögern.

Der Einsatz ist ja keine Friedensmission, sondern bedeutet Krieg, falls nicht allein die Präsenz fremder Truppen die Kriegsparteien in die Flucht schlagen sollte. Und wer Soldaten schickt, weiß auch, dass er für den Frieden Verantwortung trägt, also das Land nicht von heute auf morgen wieder sich selbst überlassen kann. Im Gegenteil: Er muss einen verlässlichen Neuaufbau der staatlichen Strukturen, vor allem des Gewaltmonopols, begleiten.

Um auf Gewaltexzesse

wie in Liberia, Ruanda oder im Kosovo künftig schnell und ohne umständliche Diskussionen reagieren zu können, muss die Völkergemeinschaft gemäß dem Völkerrecht Regeln für humanitäre Interventionen erarbeiten. Die Vereinten Nationen brauchen eine ständig verfügbare, kampfbereite Eingreiftruppe, wenn sie ihrer Verantwortung für die Menschenrechte weltweit gerecht werden wollen. Ausgerüstet mit einem Mandat, das den Soldaten erlaubt, Gewalt notfalls mit Gewalt zu stoppen!

Das kostet zusätzlich Geld, rettet aber Leben. Der hässliche Begriff "Weltpolizist" erscheint in einem anderen Licht, wenn der einen Blauhelm trägt. Wir brauchen ihn!

Herzlichst Ihr Andreas Petzold