Als ich im Alter der Wombi war, hatte ich eine Jeansjacke und einen Dufflecoat. Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, an den Burberry-Mantel meiner Mutter zu gehen, den sie wie ein drittes Kind liebte. Wenn sie ihn in der Reinigung abgab, war sie dermaßen bedrückt, als hätte sie eines ihrer Kinder weggegeben. Ich habe in Erinnerung, dass sie sogar weniger traurig war, wenn ich einmal im Jahr mit der Klasse auf Landschulwoche fuhr. Den Burberry in einer großen Spezialwaschmaschine zu wissen, mit unwürdigen Mänteln und Jacken fremder Menschen, bereitete ihr Unbehagen. Erst wenn der Staubmantel mit dem karierten Innenfutter glatt und sauber unter der Cellophan-Hülle an unserer Garderobe hing, war die Welt meiner Mutter wieder in Ordnung.
Gut, ja, seither sind 35 Jahre vergangen, trotzdem musste ich mich hinsetzen, als mich meine Mutter anrief, um mir zu sagen, dass sie vorhabe den "alten Burberry" ihrer Enkelin zu schenken. Sie brauche ihn nicht mehr, die Farbe mache sie blass, und an dem Modell habe sie sich satt gesehen. Ich musste schlucken. Vielleicht sagt sie das demnächst auch über mich, Modell "alte Tochter".
"Ich weiß nicht, ob sie sich darüber freuen wird", sagte ich mit belegter Stimme, "außerdem wird er ihr an den Armen zu kurz sein." In Wirklichkeit gönnte ich der Wombi den Burberry, mit dem ich aufgewachsen war, nicht. Er war bei meiner Erstkommunion, bei meiner Firmung, bei meiner Schulabschlussfeier, bei meinem ersten Geigenkonzert und bei meinen Hochzeitsvorbereitungen dabei gewesen. Und jetzt sollte er so sang- und klanglos in den Besitz der Wombi übergehen? "Willst du ihn nicht lieber in einen Secondhand-Laden bringen", fragte ich meine Mutter. (Dort hätte ich ihn unauffällig kaufen können.)
"Zuerst frage ich meine Enkeltochter, ob sie ihn will", antwortete sie. Ich wusste schon vorher, wie es ausgehen würde. Natürlich wollte die Wombi den Burberry ihrer Großmutter. Warum auch nicht. Ein Mantel mehr in ihrem gut gefüllten Kasten.
Dass sie wenig später für den Weg zur Party einer Freundin meine Jacke anzog, rechtfertigte sie damit, dass der Burberry "zu kostbar" wäre. "Die Jacke war aber auch nicht billig", argumentierte ich, "zieh sie wieder aus und nimm eine von deinen Jacken." Die Wombi bekniete mich solange, meine Designerdaunenjacke mit den Blumen anziehen zu dürfen, bis ich nachgab.
Die Jacke hatte sich sehr verändert
Als sie von der Party nach Hause kam, trug sie einen weißen Wollmantel. "Äh", sagte ich, "was ist denn mit meiner Jacke passiert?" Die Wombi schaute mich mit mitleidigem Blick an, als wäre ich irre. "Was meinst du jetzt genau?", fragte sie ganz langsam. "Wem gehört dieser Mantel", fragte ich im selben Tempo zurück. Die Wombi sah an sich hinunter und schlug sich die Hand vor den Mund. "Nein", sagte sie überrascht, "das gibt's doch nicht ... ich habe echt die falsche Jacke angezogen. Muss ich vertauscht haben." Wäre meine Jacke, die nun bei der Freundin am anderen Ende der Welt geblieben war, auch ein weißer Wollmantel gewesen, hätte ich ihr den versehentlichen Tausch sofort abgekauft. So überzeugend war sie. Leider war es ganz unmöglich, eine schwarze, kurze, geblümte Daunenjacke mit einem weißen Wollmantel zu vertauschen und 30 Kilometer später noch immer nichts davon bemerkt zu haben. "Hauch mich mal an", sagte ich. Entrüstung löste die Überraschung bei der Wombi ab. "Was soll DAS jetzt?", plusterte sie sich auf. "Naja", sagte ich, "wenn es dir wirklich nicht aufgefallen ist, dass dieser weiße Mantel nicht meine schwarze Daunenjacke ist, muss ich annehmen, dass du ..." "Sag es nicht", fiel mir die Wombi zerknirscht ins Wort, "okay, okay, ich gebe es ja zu, es war nicht unabsichtlich. Ich wollte den weißen Mantel."
Nachdem ich ihr einen kurzen Vortrag über das Eigentum anderer gehalten hatte, nahm ich ihr das Versprechen ab, den Tausch rückgängig zu machen. Am Wochenende machte sie sich also auf den langen Weg nach Klosterneuburg, eine halbe Tagesreise von uns in Wien entfernt. Ich wollte ihr sogar Proviant mitgeben, das wurde von ihr aber als "total peinlich" abgelehnt. Sechs Stunden später war die Wombi zurück. Mit dem weißen Mantel. "Wo ist meine Jacke?", fragte ich. Antwort: "Naja, die Flora hat gesagt, dass ich den Mantel noch behalten kann." "Ach", sagte ich, "und für diese Information bist du durch die ganze Stadt gefahren? Oder musste sich die Flora erst von ihrem Mantel verabschieden, nachdem sie sich versichert hatte, dass es ihm bei dir gut geht." Augenrollen, Schauben, Seufzen. "Wie geht es übrigens meiner Jacke? Die hast du doch sicher mitgebracht..." Erneutes Seufzen.
"Die Flora hat sie zuhause vergessen", sagte die Wombi, "aber es wird eh heiß nächste Woche, da brauchst du die Jacke nicht mehr. Du trägst sie außerdem sowieso nie. Warum machst du jetzt so ein Drama draus." Und da fiel mir ein, wieso. "Sie ist meine Lieblingsjacke", sagte ich sehr, sehr traurig, "ich trage sie so selten, um sie zu schonen." Die Wombi machte große Augen. Das war ihr nicht bewusst gewesen. Ha! Mir ja auch nicht.
"Aber ich habe einen Vorschlag", sagte ich noch immer traurig, "bis du mir meine Lieblingsjacke zurückbringst, kann ich den alten Burberry anziehen, den dir deine Großmutter gegeben hat." Die Wombi war einverstanden.
Es war ein heiliger Moment, als ich den Burberry das erste Mal anzog. Alle waren ausgeflogen, ich stand ganz allein im Mantel meiner Kindheit vor dem Spiegel in unserem Vorzimmer. So ähnlich wie das Brautkleid am Hochzeitstag fühlte er sich an. Besonders eben.
Liebe Flora, wenn du das liest - du kannst die Daunenjacke mit den Blumen behalten.