Kindergesundheit im Check Ist ein Baby geboren, kommen von allen Seiten "gute Tipps". Eine Kinderärztin entlarvt alte Mythen

Eine erschöpfte Mutter hält ein weinendes Kind
Das Baby weint, die Mutter kann nicht mehr, ein vertrauter Zustand für Eltern
© Kanawa_Studio
Eine Mutter mit Baby erhält vor allem eins: ungebetene Ratschläge, wie sie alles besser machen kann. Diese Weisheiten haben eine lange Tradition, richtig sind sie selten. 

Es gibt wohl nur sehr wenige Eltern, die nach der Geburt eines Kindes (vor allem des ersten!) nicht mit wohlmeinenden Tipps versorgt werden – ohne je darum gebeten zu haben. Jeder hat mal etwas gehört oder gelesen, was helfen könnte – wenn das Kind nicht trinkt, wenn es Fieber hat, nicht schläft oder wenn die Mutter nicht genügend Milch hat. Dabei ändern sich alle paar Jahre die Empfehlungen, was das Beste fürs Kind sei. Etwa beim Stillen: In den 60ern stillte man sechs Wochen, in den 70ern besser gar nicht, in den 90ern ein halbes Jahr – oder bis das Kind den Wunsch artikulieren konnte, dass es nicht mehr gestillt werden möchte. (Das ist jetzt nur ein kleines bisschen übertrieben!)

Kinderärztin Celine Schlager geht den vermeintlichen Weisheiten rund um die Themen Krankheiten, kindliche Entwicklung, Ernährung, Schlaf, Kleidung und Sicherheit auf den Grund. Wir haben ein paar der Legenden, die sich seit Ewigkeiten halten, herausgepickt und geben die Erklärungen der Ärztin verkürzt wieder.

"Kindergesundheit heute – Schluss mit überholtem Halbwissen", Dr. med. Celine Schlager, Junior Medien. 192 Seiten, 18,95 Euro. Erhältlich bei Amazon, Buecher.de und Thalia.
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© Junior Medien / Hersteller

Ein Gläschen Sekt fördert die Milchbildung

Alkohol hat Auswirkungen auf die mütterlichen Hormone, so führt die Alkoholeinnahme zu einer Verzögerung des Milchspendereflexes und einer Reduzierung der Muttermilchproduktion. Bei Konsum von mäßigen Mengen an Alkohol (etwa 100ml Sekt) ist dieser Effekt nur in geringem Maße zu erwarten, und er bleibt auch nur bestehen, solange sich noch Alkohol in der Blutbahn der Mutter befindet. Wichtig ist hierbei auch zu wissen, dass die Menge Alkohols im Blut der Mutter nahezu dem in der Muttermilch entspricht.

Durch Sport wird die Milch sauer

Manchmal hört man, dass während der Stillzeit besser kein Sport gemacht werden sollte, weil durch die dadurch produzierte Milchsäure die Muttermilch sauer werden und dem Säugling nicht mehr schmecken würde. 

Bei einer moderaten körperlichen Aktivität (einem flotten Spaziergang) steigt der Milchsäurewert in der Muttermilch nicht an. Erst bei sehr intensivem Sport im anaeroben Bereich entsteht Lactat, also Milchsäure, und dieses gelangt aus dem Blut der Mutter auch in die Muttermilch. Diese Milchsäure richtet beim Baby keinerlei Schaden an, kann jedoch den Geschmack der Muttermilch verändern: von süßlich zu leicht säuerlich bis bitter. In der Regel wird sie vom Säugling jedoch trotzdem akzeptiert. Einige Babys lehnen die Muttermilch aufgrund der geschmacklichen Veränderung ab, das ist jedoch nur kurzfristig der Fall.

Fencheltee hilft bei Bauchschmerzen

Das Baby bekommt alles, was es in den ersten sechs Lebensmonaten braucht, über die Muttermilch beziehungsweise über die Säuglingsnahrung. Vor Erreichen der Darmreife sollte deswegen kein (Fenchel-)Tee gegeben werden. Auch die Säuglingsnahrung sollte nicht mit Fencheltee angerührt werden. Erst ab der Beikost kann dem Baby Tee angeboten werden.

morgenstern

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Wenn du deinem Baby Abendbrei gibst, schläft es besser in der Nacht

Industriell hergestellte Abendbreie versprechen mit Werbeaussagen wie "Schön sättigend vor dem Zubettgehen", dass sie sich positiv auf das Schlafverhalten der Babys auswirken. Tatsache ist: Sie füllen den kleinen Bauch so, dass das Baby vor Erschöpfung einschläft. Oft folgt dann für den Rest der Nacht jedoch kein erholsamer Schlaf mehr, da der Körper intensiv mit der Verdauungsarbeit beschäftigt ist.

Dr. med. Celine Schlager arbeitet als Ärztin in einer Kinderklinik und ist selbst Mama. Deshalb weiß sie sehr genau, welche Sorgen und Ängste Eltern und auch andere Familienangehörige haben, wenn es um den Nachwuchs geht. Bei Instagram hat sie sich eine große Community mit mehr als 60.000 Followern aufgebaut. In ihren Kursen und Beratungen versucht sie, Antworten zu geben und allgegenwärtige Ängste zu nehmen.
Dr. med. Celine Schlager arbeitet als Ärztin in einer Kinderklinik und ist selbst Mama. Deshalb weiß sie sehr genau, welche Sorgen und Ängste Eltern und auch andere Familienangehörige haben, wenn es um den Nachwuchs geht. Bei Instagram hat sie sich eine große Community mit mehr als 60.000 Followern aufgebaut. In ihren Kursen und Beratungen versucht sie, Antworten zu geben und allgegenwärtige Ängste zu nehmen.
© Junior Medien

Alkohol verkocht

Beim Kochen mit Alkohol wird gerne davon ausgegangen, dass er verdampft. Das hängt allerdings stark von der Art und Menge des Alkohols und der Zubereitungsart ab und davon, wie lange ein Gericht überhaupt gekocht wird.
Kurzum: Es wird vom Kochen mit Alkohol abgeraten, wenn Schwangere und Kinder mitessen. Zartbitterschokolade, Vanille und Zimt können in manchen Gerichten den Rotwein ersetzen, eine fruchtige Note können Trauben- oder Apfelsaft beisteuern.

Es ist ungesund, Kinder vegetarisch/vegan zu ernähren

Studien zeigen, dass Kinder, die überwiegend pflanzlich ernährt werden, weniger Übergewicht aufweisen. Oft ist es nämlich so, dass sich Eltern, die ihr Kind überwiegend pflanzlich ernähren, deutlich intensiver mit Nährstoffen auseinandersetzen und dementsprechend häufiger frisch kochen.
Vegetarisch und vegan ernährte Kinder essen mehr Obst und Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und Ballaststoffe. Außerdem weniger Süßigkeiten und Fertiggerichte. Allerdings müssen die potenziell kritischen Nährstoffe im Augen behalten werden: Die Eisenversorgung war bei einigen pflanzlich ernährten Kindern zu niedrig. Vitamin B12 muss zwingend substituiert werden bei veganer Ernährung.

Das Kind isst zu wenig

Einige von uns hören diesen Satz ständig und beziehen ihn auf sich, haben ein schlechtes Gewissen. Dabei ist es so: Je nach Alter des Kindes variieren die Essensmengen der unterschiedlichen Nahrungsmittel. Auch Schwankungen in der Essensmenge von Kindern pro Tag sind völlig normal und brauchen euch nicht zu beunruhigen.

Neben dem Alter beeinflussen auch noch andere Faktoren, wie viel ein Kind isst:
Geschlecht: Jungen essen oft mehr als Mädchen.
Bewegung: Kinder, die aktiv sind, essen mehr als ruhigere Kinder.
Körperbau: Kleinere Kinder mit eher zartem Körperbau essen weniger als größere Kinder mit eher kompakterem Körperbau.
positiver/negativer Stress – freudiges Aufgeregtsein oder eine Konfliktsituation können dazu führen, dass Kinder mehr oder auch weniger als gewöhnlich essen.
Ablenkungen – Bildschirmmedien sollten bei den Mahlzeiten ausgeschaltet sein. Spielzeug und Bücher gehören nicht in Tischnähe. Kinder nehmen sonst nicht richtig wahr, was und wie viel sie essen.

Übrigens ist die Handflächengröße des Kindes ein guter Anhaltspunkt für eine Portionsgröße.

Das Baby sollte auf der Seite schlafen, das ist am sichersten

Dieser Empfehlung lag die Annahme zugrunde, dass Kinder so nicht an ihrem Erbrochenen ersticken konnten. Die Empfehlungen zur Risikominimierung des plötzlichen Kindstodes sind heute aber ganz eindeutig: Die Rückenlage wird als Schlafposition des Babys empfohlen. In der Seitenlage besteht nämlich die Gefahr, dass das Baby sich versehentlich auf den Bauch rollt. Meist ist es jedoch motorisch noch nicht in der Lage dazu, sich selbstständig wieder zurückzudrehen oder ausdauernd den Kopf zu halten. Dies kann dazu führen, dass das Baby mit dem Kopf in der Matratze versinkt und keine Luft mehr bekommt. Es kann dann zum Erstickungstod kommen.

Das Kind wacht nachts auf, weil es Hunger hat

Studien haben gezeigt, dass der unbedingte Bedarf zur nächtlichen Nahrungsaufnahme bei den meisten Kindern nur bis zum sechsten Lebensmonat notwendig ist. Danach kann die Energiezufuhr beim Großteil der Kinder über den Tagesbedarf gedeckt werden.

Meist ist das nächtliche Aufwachen eine Orientierungsreaktion. Das Kind möchte sichergehen, dass die Situation unverändert ist. Wenn das Kind beim Aufwachen diese Sicherheit bekommt, sind die Wachphasen meist auch sehr kurz und gehen zügig in den Weiterschlaf über.

Cola und Salzstangen helfen bei Magen-Darm

Viele schwören darauf. Und es ist sicher die einzige Medizin, bei der Kinder leuchtende Augen bekommen: Cola mit Salzstangen bei einem Magen-Darm-Infekt.

Prinzipiell scheint die Sache auch logisch zu sein: Cola ersetzt die ausgeschiedene Flüssigkeit im Körper und versorgt den geschwächten Körper schnell mit Energie durch Kohlenhydrate, vorrangig Zucker. Und die Salzstangen führen das "Salz", vorrangig Natrium, zu, das dem Körper durch den Durchfall verloren geht.

So weit ist das sogar richtig. Leider aber fehlt dem Körper bei Durchfall vor allem Kalium, und das hat die beste Salzstange der Welt nicht zu bieten. Und es gibt bei der Kombination sogar ein großes Problem: Der hohe Zuckergehalt von Cola. Man hat herausgefunden, dass für einen Flüssigkeitsersatz bei Austrocknung der Zuckergehalt in Cola zu hoch, ihr Elektrolytgehalt zu niedrig ist. Auch Apfelsaft enthält übrigens zu viel Zucker. Diese Getränke eignen sich also nicht als Flüssigkeitsersatz. Weiterhin können sie die Symptome sogar noch verschlimmern. Denn Zucker ist für die Aufnahme von Salzen im Darm zwar notwendig, zu viel davon kann aber weiteren Durchfall auslösen. Zucker bindet Flüssigkeit im Darm. Das bedeutet, dass der Stuhl noch dünner wird.

Dreck reinigt den Magen

Dieser Spruch wirkt auf Eltern sehr beruhigend; vor allem, wenn beim Buddeln im Sandkasten mal wieder eine große Ladung "Dreck" im Mund des Babys landet. Denn Säuglinge und Kleinkinder erkunden besonders gerne ihre Welt mit dem Mund. Das ist völlig normal und auch wichtig für die kindliche Entwicklung. Denn vor allem in den ersten zwei Jahren der oralen Phase ist der Tastsinn in der Mundregion sehr gut ausgeprägt (besser als andere Sinne der Kinder).

Solange die aufgenommene Menge an Dreck klein bleibt, ist dies in der Regel nicht schädlich. Kinder werden normalerweise nicht krank, wenn sie etwas Dreck "essen".

Allerdings kann zu viel Schmutz auch krank machen. Bei einer Unter- suchung von Sandkästen in Italien entdeckten Forscher in 21 von 40 Proben das Darmbakterium Clostridioides difficile, das Durchfall verursachen kann. Natürlich spielt immer auch die Menge eine Rolle, bevor Dreck krank macht.

E-Zigaretten sind unschädlich (für Kinder)

E-Zigaretten sind immer mehr im Kommen. Viele rauchende Eltern fragen sich, ob die E-Zigaretten/Dampfer vielleicht eine gute, gesündere Alternative darstellen zur "normalen" Zigarette.

Kurz lässt sich sagen: E-Zigaretten sind keinen Deut ungefährlicher oder weniger schädlich – weder für Kinder und damit Passivraucher und -raucherinnen noch natürlich für die Rauchenden selbst.

 

 

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