LEBENSART Das ist unser Ding

Die Musik, die Kleidung, der Sport: Was ist es, das junge Amerikaner Gleichgesinnte finden lässt, was hält sie zusammen? Und welche Jugendstämme gibt es in den USA, die wir in Deutschland nicht kennen?

Die Musik, die Kleidung, der Sport: Was ist es, das junge Amerikaner Gleichgesinnte finden lässt, was hält sie zusammen? Und welche Jugendstämme gibt es in den USA, die wir in Deutschland nicht kennen?

Kein Fett ansetzen!

Mit dem Board die Treppen runter, die Pier entlang. Um die Schwerkraft zu überwinden, nehmen Skater auch einen verknacksten Knöchel in Kauf:

Kommt ihr oft hierher?

Kevon: Ab und zu. Für Straßen-Skateboardfahren ist es ideal, aber wir wohnen ein bisschen zu weit weg, um jeden Tag zu kommen.

Lance: Ich mag auch lieber Freestyle und Vertical Skating. Sprünge in der Halfpipe und so.

Was ist denn so toll am Skateboardfahren?

Lance: Die Schwerkraft zu überwinden, dass ich ein paar Meter in die Luft schieße. Das kann man ja normalerweise nicht. Ich hab mir schon öfter die Knöchel verknackst und einmal die Rippen angebrochen, aber das ist es mir wert.

Kevon: Ich rase gern die Hügel runter. Für mich ist Skateboardfahren auch ein Transportmittel, weil die Busse hier viel zu langsam sind.

Sind eure Freunde auch alle Skater?

Kevon: Die meisten, mit denen wir herumhängen, skaten.

Lance: Aber nicht alle. Den Mädchen ist es meist zu gefährlich, manchen Jungs auch. Außerdem gibt's an unserer Schule nicht so viele Skateboarder.

Kevon: Die meisten anderen stehen mehr auf HipHop.

Lance: Ja, diese Typen hören die ganze Zeit Gangsta-Rap. Mit diesen üblen Texten, völlig krank. Und Mann, sind die laut! Total nervtötend. Ich höre lieber Hardrock. Das ist viel melodischer.

Habt ihr schon mal Ärger gekriegt wegen des Skateboardfahrens?

Lance: Mein Board ist mir neulich weggenommen worden, weil ich an der Schule gefahren bin, wo man's nicht durfte. Aber es war eh schon halb kaputt. Hier darf man ja eigentlich auch nicht fahren...

Kevon: Ja, die spinnen. Wär's ihnen lieber, die Leute würden Drogen nehmen?

Lance: Oder fett werden, genau wie all die anderen?

Habt ihr noch andere Hobbys?

Lance: Wann immer ich Zeit habe, skate ich. Aber ich schreibe auch Gedichte und Kurzgeschichten. Im Sommer arbeite ich als Helfer im Summer Camp für Kinder.

Kevon: Ich zeichne viel. Ich will später mal Computergrafik studieren und Videospiele erfinden.

Also keine Profikarriere als Skateboarder?

Lance: Ich würde gern Profi werden. Ein paar von meinen Freunden haben schon Sponsoren gefunden. Aber ich will auch nicht, dass mein ganzes Leben nur aus Skateboardfahren besteht. Ich will später mal als Autor und Philosoph bekannt werden.

Karsten Lemm

Mit Pferd zum Date

Breitkrempige Hüte, karierte Hemden. Junge Cowboys wahren die Traditionen des Wilden Westens:

Wie viele Leute auf eurer High-School sind so ähnlich drauf wie ihr?

Taylor: Ungefähr 20 bis 30 Prozent.

Wie kommt ihr mit den anderen so aus?

Taylor: Wir halten schon ziemlich zusammen. Aber wir kennen auch Leute von den Privatschulen, die kommen manchmal zur Ranch raus.

Nathan: Die lachen zuerst über uns, aber wenn sie es mal ausprobieren,dann haben sie Spaß und wollen wiederkommen.

Warum identifiziert ihr euch mit dieser Gruppe?

Marshall: Das hat viel mit Tradition zu tun.

Taylor: Wie wir aufgewachsen sind.

Nathan: Und damit, wo wir leben.

Was zeichnet euch Cowboys aus?

Taylor: Die Dinge, die wir machen. Wir züchten Vieh und zeigen es auf Ausstellungen. Zweimal die Woche gehen wir Lassowerfen.

Nathan: Wir machen auch Jagd auf Schweine oder fahren mit unseren Geländewagen im Sumpf herum.

Marshall: Manchmal reiten wir sogar auf Bullen. Meine besondere Spezialität ist das Melken von wilden Kühen.

Nathan: Dafür holt man eine Kuh von der Weide. Einer hält sie am Seil fest, während der andere versucht, sie zu melken, ohne dass sie ihn umschmeißt. Letztes Jahr hat mich eine fast über den Zaun gemäht.

Taylor: Wir haben alle früh gelernt zu arbeiten. Wir scheuen die Arbeit nicht, weil wir alle auf einer Ranch aufgewachsen sind und dort noch immer mit anpacken.

Und was ist besonders gut daran, Cowboy zu sein?

Marshall: Mädchen mögen es, wenn man sie auf ein Date auf dem Pferd mitnimmt.

Taylor: Ja, wir gehen mit ihnen im Wald oder im Gelände ausreiten.

Und wie stellt ihr euch eure Zukunft vor?

Taylor: Ich werde aufs College gehen und dort wahrscheinlich Tierkunde studieren.

Marshall: Meine Noten sind nicht so toll. Ich weiß noch nicht, was ich mal machen will.

Taylor: Auf jeden Fall nichts mit Computern.

Marshall: Die Dinger fasse ich nicht an.

Warum nicht?

Taylor: Das kostet zu viel Zeit.

Dinah Pulver

Jeden Tag aufs Brett

Einem wahren Surfer sind coole Klamotten und wilde Partys nicht wichtig. Er muss früh aufstehen, um noch vor der Sonne auf dem Wasser zu sein:

Was bedeutet Surfen für dich?

Das ist mein Leben, ich brauche es wie die Luft zum Atmen. Beim Surfen habe ich viel über das Leben und über mich gelernt.

Was meinst du damit?

Man muss immer wieder seine Angst überwinden und lernt seine Grenzen kennen. Außerdem ist Surfen wie das Leben ein ständiges Lernen - man ist niemals perfekt.

Gehst du jeden Tag raus?

Klar, wenn es zeitlich geht. An meinem freien Tag bin ich den ganzen Tag im Wasser. Mehrmals die Woche surfe ich auch mit meiner Freundin schon morgens vor der Arbeit.

Da musst du früh hoch.

Ich stehe schon seit Jahren vor fünf Uhr morgens auf, die beste Surf-Zeit ist vor Sonnenaufgang. »You have to beat the sun«, sagen wir hier.

Da sind die Nächte kurz - und Surfer sollen doch »Party-Animals« sein.

Ich bin daran wenig interessiert und trinke und rauche auch nicht. Aber das mit dem Ruf stimmt schon, ich bin da eine Ausnahme. Mir ist das Surfen wichtiger als der ganze Lifestyle drumrum.

Du meinst die Klamotten, die gebleichten Haare ...

das ganze klischee- hafte Ding und das coole Getue eben. Diejenigen, die sich mit Surfer-Marken einkleiden, sind meist die Möchtegerns, die am Wochenende hierher kommen und den großen Macker raushängen.

Wie würdest du einen typischen Surfer charakterisieren?

Wenn du einen »echten« Surfer meinst: im Wasser aggressiv und egoistisch, um die höchsten Wellen zu erwischen. Im Leben eher ruhig. Aber natürlich gibt es da alle möglichen Charaktere.

Wie steht's mit Freundschaften?

Das mag komisch klingen, aber über die Jahre habe ich fest- gestellt, dass ich eigentlich gar keine Freunde brauche, sondern nur Leute, mit denen ich surfen kann. Das ist hier nicht schwer, da wohl 75 Prozent der Kids surfen. Dennoch habe ich eine feste Clique, in der auch alle surfen.

Könntest du auch ohne das Meer und die Wellen leben?

Niemals. Deshalb kann ich auch nie von hier wegziehen, höchstens nach Hawaii.

Jochen A. Siegle

Die Beats sind heiss

Mit Freunden abhängen und die neuen Platten hören, die eigene Mix- und Scratchtechnik verbessern: Für einen HipHop-Fan gibt es viele Möglichkeiten, etwas mit seiner Lieblingsmusik anzustellen:

Was hörst du zurzeit am liebsten, Timmie?

Vor allem kommerziellen Hip-Hop: Jay-Z, Ja Rule, DMX oder Mobb Deep. Auf Hardcore oder Underground-Hip-Hop stehe ich nicht so.

Warum magst du als Experte gerade Sachen, die fast jeder kennt?

Weil sie zurzeit die heißesten Beats haben. Es hat aber vielleicht auch damit zu tun, dass ich Plattenverkäufer bin. Hier im Laden gibt es DJ-Kanzeln, in denen live aufgelegt wird. So bekommt man immer aus erster Hand mit, wie die Leute auf neue Platten reagieren.

Wie kamst du zum Job in diesem Laden?

Ich wohne gleich in der Nachbarschaft und war schon lange der beste Kunde. Für die Bewerbung musste ich einen Bogen ausfüllen mit Fragen wie: »Warum ist dir HipHop wichtig?«

Und warum ist HipHop dir wichtig?

Es ist meine Lieblingsmusik, seit ich zehn bin. Es ging alles los, als ich Anfang der Neunziger die Gruppe EPMD gehört habe. Die Tricks, die ihr DJ draufhatte, waren so cool, dass ich meine Augen nicht von ihm abwenden konnte. Ich habe angefangen, mir Vinyl zu kaufen, und habe auf dem Plattenspieler meines Großvaters rumexperimentiert, wenn er nicht da war.

Bist du Teil einer Szene?

Der Laden ist wie eine Familie. Fast jeder, der hier reinkommt, kennt sich aus. Man tauscht sich aus, hört zusammen neue Platten an. Das ist schon eine eigene kleine Szene.

Quillt deine Wohnung über vor Platten?

Schlimmer: Ich musste die Platten aufteilen zwischen dem Haus meines Bruders, dem Haus meines Onkels und meiner Wohnung.

Bist du selbst ein guter DJ?

Ich muss noch viel lernen. Vor allem, was das Scratchen angeht, auch meine Mixtechnik ist alles andere als perfekt.

Möchtest du auch in Zukunft einen Job, der mit HipHop zu tun hat?

Mein Traum wäre es, für eine große Plattenfirma zu arbeiten. Ich könnte nie Produzent, DJ oder Rapper sein, aber ich wäre gut im Marketing oder in der PR. Ich mache gern Büroarbeit.

Wie, im Ernst?

Ja, ich liebe Schreibtischarbeit. Ich würde aufpassen, dass die neuen Alben rechtzeitig erscheinen, dass die Werbung gut aussieht und dass die Künstler rundrum zufrieden mit der Plattenfirma sind. Das wäre mein Traumjob.

Marc Deckert

Jeans aus der Tonne

Die ersten Hippies gab es in den Sechzigern in Kalifornien. Ihre Nachfolger sind auch heute noch auf der Suche nach »Love, Peace & Happiness«:

Was macht ein Hippie in San Francisco?

Liv: Ich jobbe in einem Café in Lower Haight und träume von einem Trip durch Europa. Außerdem male ich oder spiele Hacky Sack.

Dominik: Ich arbeite im selben Café. Ich mache viel Yoga, manchmal habe ich Jobs als DJ.

Iris: Ich habe vor kurzem das College abgebrochen und bin nun so ein bisschen auf der Suche nach mir selbst.

Und was treibt ihr abends?

Dominik: Meist hängen wir rum und hören Musik. Im Sommer sind wir oft am Strand oder klettern auf einen der vielen Hügel in der Stadt und genießen die Aussicht.

Liv: Oder wir fahren zu Full-Moon-Partys ans Meer.

Wohnt ihr zusammen?

Iris: Nein, wir suchen aber gerade was für uns alle drei.

Dominik: Ich lebe zurzeit im Auto oder bei Freunden. Wegen Rasta, meinem Hund, musste ich aus meiner Wohnung raus.

Liv: Und seitdem weckt er mich jeden Morgen, um bei mir zu duschen.

Was ist vom »Love, Peace & Happiness«-Gedanken der Ur-Hippies übrig geblieben?

Dominik: Ich denke, der »Love«-Aspekt drückt sich für uns darin aus, dass uns Freunde sehr wichtig sind. Und auch das Streben nach Unabhängigkeit ist übrig geblieben.

Was macht für euch einen Neo-Hippie aus?

Liv: Ich denke, unserer Generation geht es im Gegensatz zu unseren Eltern nicht so sehr darum, Geld zu scheffeln - Karma ist uns viel wichtiger. Und vor allen Dingen anderen Menschen zu helfen.

Dominik: Es gibt hier in der Stadt viele Alt- und Pseudo-Hippies, die sich mit maschinell vergammelten Designer-Jeans eindecken.

Wo habt ihr denn eure Klamotten her?

Liv: Es gibt gute Secondhand-Shops. Die Hose, die ich heute anhabe, gehört aber Dominik.

Iris: Kürzlich habe ich auch eine klasse Jeans in der Mülltonne gefunden.

Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?

Liv: Am liebsten würde ich im Ausland Englisch unterrichten - und den Leuten zeigen, dass die USA doch nicht ganz so schlecht sind.

Iris: Was Politisches wäre klasse.

Dominik: Ich möchte als DJ berühmt und reich werden und das Geld den Armen geben. Und in meine Musik würde ich versteckte Botschaften einbauen.

Jochen A. Siegle

PRODUKTE & TIPPS