Von Jobs, Raclette-Grills und fetten Beulen
Münster zur endgültigen Jahrtausendwende: Vor den Mensen tropft traurig der Schneematsch von verlassenen Fahrrädern, und während sich in den Supermärkten die Münsteraner gegenseitig ihre Einkaufskarren in die Hacken fahren, lernen in den Bibliotheken - sofern überhaupt geöffnet - nur ein paar arme, einsame Examenskandidaten. Die Masse der Studenten macht derweil die Schneepisten unsicher, vergnügt sich in Oslos Nachtleben oder feiert zu Hause bei Freunden und Familie.
Nicht so Ivana und Benedikt. Sie aus dem Westfälischen und er aus Siegen, haben sich quasi in der Mitte getroffen. Die beiden, seit eineinhalb Jahren ein Paar, feiern mit Freunden in Ivanas WG: ,,Und um 12 Uhr sind wir auf dem Domplatz.»
Weniger die Liebe, sondern eher die Arbeit hat Jenny schon so früh nach Münster zurückgebracht. Ab Januar schreibt die 23-jährige ihre Diplomarbeit und hat noch am 30. Dezember in der Bibliothek der Wirtschaftswissenschaften Bücher sortiert und abgestempelt. ,,Außerdem studiere ich schon seit vier Jahren und habe Silvester noch nie in Münster verbracht», sagt sie und grinst. Und so brutzelt bei ihr und ihren Freundinnen, bevor es in die Stadt geht, das Putenfleisch auf dem Raclette-Grill. Währenddessen drehen Rebecca und Jens im Grand Café tanzend ihre Runden. 93 Mark haben sie und ihre Bekannten für die Karten bezahlt, mit Essen und Getränken allerdings.
Johannes und Hermann, beide um die dreißig, beginnen das Jahr feuchtfröhlich mit einer Menge ausgelassener Menschen in der Mocambo Bar, wo sie keinen Eintritt zahlen mussten. Wer allerdings das normale Nachtleben in dieser Stadt kennt, wird sicherlich von der Silvesternacht ein wenig enttäuscht sein. Die wenigsten Kneipen lassen ihr Partyvolk kostenlos feiern, die meisten verlangen sogar noch nach Mitternacht mindestens 40 Mark Eintritt - von Kneipe zu Kneipe zu ziehen ist also unmöglich. Die angesagtesten Clubs haben ohnehin nur Karten im Vorverkauf ausgegeben, und dafür konnte man bis zu 195 Mark hinlegen. Zudem haben Studenten Probleme, ihresgleichen zu finden. Die Stadt gehört in dieser Nacht den Jüngeren und den Bewohnern des Umland.
Ivana ist aus einem anderen Grund wenig begeistert: Sie hat von der wilden Silvesterböllerei auf dem Domplatz eine fette Beule auf der Stirn davongetragen, einige ihrer Freunde leichte Verbrennungen. Jenny hat sich gut amüsiert, doch auch sie findet, dass einmal Silvester in Münster in einem Studentenleben reicht. ,,Nächstes Jahr fahre ich nach Prag. Oder zum Ski laufen in die Berge.» (tt)