Sie ist eine der wenigen Wirtschafts-Professorinnen in Deutschland, hat als erfolgreiche Unternehmerin und Autorin zahlreicher Finanzmanagement-Fachbeiträge von sich reden gemacht - und ist Mutter zweier Kleinkinder. »Mit meiner Berufung ist für mich ein Traum wahr geworden«, sagt Ann-Kristin Achleitner, die seit Anfang Oktober 2001 auf einem Stiftungslehrstuhl der Universität München unternehmerisches Fachwissen zur Gründung von Firmen vermittelt.
Praxisnähe und kleine Studentenzahlen machen für die 35-Jährige den Charme der neu gegründeten betriebswirtschaftlichen Fakultät aus - Hochschul-Eigenschaften, die sie während ihres Studiums im schweizerischen St. Gallen schätzen lernte. »Ohne den motivierenden Einfluss meines Habilitationsvaters wäre ich nie Professorin geworden«, erinnert sich Achleitner, die nach Promotionen in Jura und Betriebswirtschaft als Unternehmensberaterin bei McKinsey und später als Professorin an der European Business School (ebs) in Oestrich-Winkel bei Wiesbaden arbeitete.
Als erste Frau in St. Gallen zu habilitieren, wurde der zierlichen Professorin mit dem unerschütterlichen Optimismus nicht in die Wiege gelegt. »Meine Eltern waren entsetzt, als ich BWL studieren wollte. Ich war das schwarze Schaf unter Generationen von Medizinern«, erinnert sich die gebürtige Düsseldorferin. Als eine Art Superweib in einer noch immer von Männern dominierten Domäne sieht sich Achleitner nicht. »Ich habe nie wirklich Steine in den Weg gelegt bekommen.«
Generell aber haben es Frauen nach Ansicht der Wirtschaftsexpertin schwerer. So sei es normal, dass die Frau ihrem Mann bei einem berufsbedingten Städtewechsel hinterherziehe, umgekehrt sei dies selten der Fall. Zudem sei es für eine Frau oft schwierig, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. »Wer behauptet, das sei für ihn kein Problem, muss fantastisch sein oder lügen.« Deshalb habe es sie sehr überrascht, dass ein Drittel der Existenzgründer in Deutschland Frauen seien.
Nichts ausschließen im Leben
»Jede Frau, die gründet, bringt ein Stück Normalität«, glaubt Achleitner. Möglichst viele ihrer Studenten zur Unternehmensgründung zu verleiten, sei jedoch nicht ihr Anspruch. »Ich will das Rüstzeug geben, nicht die Selbstständigkeit an sich propagieren«, betont die Professorin, die dem derzeitigen Rückgang der Existenzgründerzahlen eher positiv gegenüber steht. »Nichtgründer wurden ja schon negativ gebrandmarkt - ein völlig falscher Ansatz.«
Ihren aus verschiedenen Fachrichtungen stammenden Studenten empfiehlt sie, zunächst zehn Jahre in einem fremden Unternehmen zu arbeiten. »Es ist besser, sie machen ihre ersten Fehler mit dem Geld anderer.« Zudem ist es der Wissenschaftlerin wichtig, ihre Studenten auch auf menschlicher Ebene intensiv zu fördern und zu beraten. »Sie sollen das Fachgebiet und den Lebensstil finden, mit dem sie zufrieden sind«, betont sie das Hauptziel ihrer Lehre. »Glück ist viel wichtiger als 30 Prozent Gehaltserhöhung.«
Sie selbst hat als Gründungsmitglied einer Risikokapital-Gesellschaft erste eigene Erfahrungen gemacht. »Nur so bekommt man ein Gespür für die Risiken - und das sind viele«, sagt sie und lobt US-amerikanische Professoren, die meist eigene Firmen besäßen. Die Begeisterung für Neugründungen ist der jungen Frau mit den langen dunklen Haaren deutlich anzumerken: »Viel Spaß, mehr Freiheiten, etwas Eigenes aufbauen - das ist wahnsinnig toll und spannend.«
Mindestens ebenso wichtig ist der Neu-Münchnerin aber ihre Familie, zu der Allianz-Vorstand Paul Achleitner sowie zwei dreieinhalb Jahre und 14 Monate alte Söhne gehören. »Auf die zwei Stunden abends mit meinen Kindern würde ich niemals verzichten«, betont sie. Dass sie aus Faszination für Neues, Unbekanntes noch öfter einen beruflichen Neustart wagt, hält sie auf jeden Fall für möglich. »Ich schließe überhaupt nichts aus im Leben«, sagt die junge Professorin und ihre blauen Augen blitzen.
Annett Klimpel, dpa