Vogelgrippe Sag mir, wo die Hühner sind...

  • von Karin Spitra
Frühstücken, Eier legen, im Freien herumtoben, im Sand baden, über die Wiese gackern: So sah bislang der Tag im Leben eines Legehuhns von Bauer Schönecke in Neu-Wulmsdorf aus. Jetzt gibt es die Stallpflicht.

"Es ist ja nicht so, dass uns dieser Vogelgrippe-Alarm kalt erwischt hat", erzählt Geflügelbauer Heiner Schönecke. Viel gelernt habe man schon durch die letzte große Geflügelpest-Epidemie in den Niederlanden. Die schwappte dann 2003 auch nach Nordrhein-Westfalen und Belgien über, wurde aber dank der schnellen Gegenmaßnahmen wieder gestoppt. Die alarmierte Geflügelbranche habe sich deshalb damals überlegt, was bei einem neuerlichen Ausbruch zu tun sei - und Handlungsrichtlinien entwickelt.. Der Senior-Chef ist in seinem Betrieb Herr über 11.000 Legehennen. Und eigentlich ist er mit Sohn Henner Schönecke, dem eigentlichen Geschäftsführer, auch stolz auf die Freilandhaltung. Eigentlich. "Denn wir wussten ja schon seit dem Herbst, dass der Vogelzug zurückkommt", so Schönecke.

Langes Stroh zum Spielen

Die Hühner auf dem Geflügelhof in Neu-Wulmsdorf sind schon seit Dienstag wieder eingesperrt. Hauptziel ist, den natürlichen Kontakt zu Wildvögeln zu unterbrechen. Dazu kommen die Tiere wieder in den Stall, den sie jederzeit Richtung Kaltscharrraum verlassen können. Dieser "Wintergarten" ist überdacht und hat Drahtwände, die mit Planen abgedeckt sind. "So stellen wir sicher, dass es keinen Kontakt zu Kot von Wildtieren gibt."

Denn auch bei der Freilandhaltung sind die Hühner nicht immer draußen: Bei Schnee und Eis halten sie sich auch im Wintergarten auf. "Aber jetzt müssen sie viel mehr beschäftigt werden, damit sie nicht aufeinander losgehen", erzählt Schönecke. "Sie bekommen spätestens alle 14 Tage sehr langes Stroh ausgestreut, das können sie dann als Zeitvertreib zerlegen. Aber man merkt ihnen schon an, dass sie raus wollen: Die Hühner drängen sich vor die Auslaufklappen - aber die bleiben zu."

Versicherung zahlt, aber nur die "Neu-Anschaffung"

Natürlich bedauert der Geflügelbauer die Verunsicherung bei seinen Kunden. "Wir haben jetzt einen neuen Erreger, den der Mensch nicht beherrscht - und auf alles, was nicht zu beherrschen ist, reagiert der Mensch mit Hysterie." Trotzdem ärgert es ihn, dass man kaum liest, dass es allein in Deutschland im letzten halben Jahr 17.000 Grippetote gab. "Über die paar toten Vögel reden alle."

Denn eigentlich sind erst einmal die Hühnerhalter von einer möglichen Seuche betroffen. "Natürlich wäre es schlimm, wenn die auch auf Menschen übergreift, aber bei uns ist die Gefahr viel näher," erklärt Schönecke. "Ich habe 11.000 Legehennen. Wenn ein einziges infiziertes oder totes Tier in einem Umkreis von zehn Kilometern gefunden wird, dann wird gleich mein gesamter Bestand gekeult. Bei einem Wert von fünf Euro pro Tier ist das ein Verlust von 55.000 Euro, auf einen Schlag." Um sich davon zu erholen, bräuchte der Geflügelhof ein gutes halbes Jahr. Zwar ist Schönecke, wie die meisten anderen Züchter auch, in der "Tierseuchen-Kasse". Aber diese würde bei einer Notschlachtung nur den Anschaffungswert ersetzen, nicht den Verdienstausfall, den die Bauern auch haben.

Betriebsfremde müssen draußen bleiben

So gibt es neuerdings eine weitere Einschränkung auf dem Geflügelhof: Besucher dürfen nicht mehr rein. "Das mit den Betriebsfremden hat schon seinen Grund", erzählt Schönecke. "Wir wissen schließlich nicht, wo die vorher waren." In schlechter Erinnerung ist ihm auch ein Besuch eines Kamera-Teams von Spiegel-TV. "Nachdem die den ganzen Tag auf dem Hof rumgelaufen sind, hat der Kameramann dann abends erzählt, dass er erst vor drei Tagen in Rumänien war", ärgert sich Schönecke. "Ich hätte ihn fast von Hof geschmissen."

Bleibt den Mitarbeitern des Geflügelhofs, die auf Wochenmärkten und in einigen Hamburger Einkaufszentren Eier und andere Geflügelprodukte verkaufen, verstärkte Aufklärungsarbeit leisten. Zwar sei es laut Schönecke quasi ausgeschlossen, dass von einem deutschen Betrieb ein verseuchtes Tier in den Handel kommt. Zu kurz sei die Zeit zwischen Infektion und Tod. "Das dauert beim Huhn nur drei Tage." Bedenklicher findet er, wieviel Geflügelfleisch - auch aus der Türkei - illegal eingeschmuggelt wird. Aber eigene Eier und Geflügel isst er immer noch. "Das ist ja unbedenklich, dass sagen wir auch auf den Wochenmärkten", so Schönecke. Geändert hat er trotzdem einiges. "Früher habe ich Futterreste schon mal am Teich ausgestreut, damit auch die Wildenten was davon haben, das mache ich jetzt natürlich nicht mehr." So sieht er die Stallpflicht auch eher gelassen: "Wenn man weiß, was man nicht machen soll, dann geht's auch."

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