Die Elbphilharmonie in Hamburg ist zu einem der Sehnsuchtsorte in Deutschland geworden. Reiseführer und Magazine aus der gesamten Welt empfehlen einen Besuch dieses Bauwerks und seines Konzertsaals. Doch leidet das prächtige Gebäude an seiner Umgebung: Rund um die Elbphilharmonie ist kaum städtisches Leben zu spüren, und nach Einbruch der Dunkelheit wirkt die Gegend fast trostlos. Wer nach einem tollen Konzertabend auf die Straße tritt, fühlt sich unbehaust: Vom Wasser her steigt Kälte auf, die Hafencity liegt still und dunkel, der Weg zur U-Bahn wird begleitet von links und rechts heranbrausenden Brisen. Die eben noch vom Orchesterklang stimulierten Sinne werden schnell wieder stumpf im Nieselregen. Über das Erlebte, das Gehörte reden und diskutieren? Dafür fand sich hier bislang kein Ort, denn die Gastronomie in der Elbphilharmonie selbst entpuppte sich schnell als eine klassische Touristenfalle.

"Louis - by Thomas Martin"
Hier sucht der Küchenchef Thomas Martin (Foto) die Ware höchstpersönlich aus: Am Kaiserkai 69, 20457 Hamburg, Tel. 040-300322413, www.louisrestaurant.de, voraussichtlich bis Ostern geöffnet
Doch endlich gibt es einen Grund, zu verweilen: ein sogenanntes Pop-up-Restaurant, das vor kurzem gegenüber des Konzerthauses eröffnet hat. Sein Name: "Louis", sein Chef: der Zwei-Sterne-Koch Thomas Martin, der sonst die feine Gesellschaft im Restaurant des Luxus-Hotels Louis C. Jacob auf allerhöchstem Niveau bewirtet. Doch das Restaurant wird gerade grundlegend renoviert, und so ergriffen Martin und sein Küchenteam die Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren und um eine neue Kundschaft zu werben.
Hier geht es darum, Dinge gemeinsam zu erleben
Wer das "Louis" finden will, muss durch die Tür der Brasserie "Carls" gegenüber der Elbphilharmonie treten und der Beschreibung der Service-Kraft folgen, die den Weg in Richtung Toiletten weist. Man landet in einem niedrigen zweigeteilten Raum im Souterrain: links die Bar, rechts das Speisezimmer, das dominiert wird von einem großen Holztisch und von Kronleuchtern. Die Tischplatte ist so breit, dass die eintretenden Paare nicht einander gegenüber platziert werden, sondern nebeneinander – die Ess-Stühle stehen diagonal zum Tisch. Wer zusammen diniert, kommt sich automatisch nahe. Ideal für solche Gäste, die sich etwas zu erzählen haben. Für Anschweiger: eher schwierig.
Im "Louis" geht es darum, Dinge gemeinsam zu erleben. Die Speisekarte ist zusammengestellt aus kleinen Gerichten, die zum Teilen gedacht sind. Etwa: Fjordforelle, Pulpo, Schweinebauch, Ceviche, Jakobsmuscheln. Der Salat des Hauses stammt aus Gewächshäusern in Hamburg; er wird so serviert, dass man ihn selbst schneidet und dann ins Dressing tunkt. Das Gemüse wiederum wächst auf einem Acker nahe Hamburg. Beim ersten Bissen staunt man, wie intensiv Feldfrüchte aus dem Norden schmecken können. Sie müssen nicht in dieselnden LKW aus dem Süden importiert werden. Der Weg von der Furche auf den Teller soll möglichst kurz gehalten werden, so die Idee.
Wer einmal in den coolen Restaurants von Kopenhagen essen war, fühlt sich mit dieser Art des Zubereitens und Servierens vertraut: Die Köche selbst bringen ihre Kreationen an den Tisch und erklären sie dem Gast. Wie Start-up-Entrepeneure, die ihre Erfindungen auf Tonschalen präsentieren.

Schnell ist klar: Dieses kleine Restaurant, das nur vorübergehend geöffnet haben soll, bietet die Bühne für ein Fest der Aromen. Der schwarze Knoblauch auf dem Fleisch der Jakobsmuschel. Die Brühe, in welche der Schweinebauch ruht. Der scharf-süße Dipp, der auf die Fjordforelle wartet. Die weiße Buttersauce, die über den Blumenkohl geträufelt wird. Die Paprika-Tinktur, die sich zwischen den Pulpo-Stücken ausbreitet. Dazu erläutert der junge Sommelier seine Weinauswahl: Sauvignon Blanc zum Gemüse, Riesling aus dem Elsaß zum Fisch, ein holzigen Chardonnay zum Blumenkohl.
Dieses Pop-up-Restaurant dürfte gern länger bleiben
Bald schon weiß der Gast nicht mehr, mit welchen Superlativen er den nächsten Gang loben soll. Wobei Gang wohl der falsche Begriff ist: Die Macher des "Louis" behandeln ihre Speisen wie Tapas: Sie kommen gleichzeitig und sind sehr überschaubar proportioniert. Wer sich satt essen will, muss mit vier Speisen rechnen, und dann wird aus dem eher moderat scheinenden Preis (zwischen 12 und 18 Euro pro Speise) schnell ein durchaus teures Menü. Wer aber einmal den Aromen-Kick aus dem Umfeld eines Küchenmeisters spüren will, der kann sich im "Louis" wunderbar anfixen lassen. Dafür reichen auch zwei Speisen.
Thomas Martin sollte aus dem Pop-up-Restaurant heraus etwas Dauerhaftes errichten. Nicht nur die unbehausten Elbphilharmonie-Besucher, die den Genuss verlängern wollen, werden es ihm danken. Endlich Leben in diesem Teil der Hafencity.