Lebensart Auf Schluck-Expedition

  • von Alf Burchardt
Mal eine richtig teure Flasche entkorken? Das ist machbar: In Weinrunden finden sich Neugierige zusammen, um Exquisites zu probieren.

Welch ein Loben, welch ein Schwelgen. "Großer Stoff!", kommt es vom einen Ende des Tisches. "Erstklassige Holznote!", heißt es einige Plätze weiter im Bremer Restaurant Topaz. Alle sind schwer angetan, dabei ist es noch nicht mal richtig losgegangen. Manfred Schütte-Thuy, der Zeremonienmeister des Abends, hat die Versammlung lediglich gebeten, mit der Nase den Weißwein zu prüfen, der die Vorspeise begleiten soll, einen 2003er Domaine de Chevalier aus dem Bordeaux, ein Grand Cru Classé.

Tipps für neue Runden

• Auf ein Thema festlegen, ein Anbaugebiet oder eine Traube!

• Maximal 16 Leute! Mehr Probeschlucke gibt eine Flasche nicht her.

• Etwas zum Essen anbieten, damit die Weine nicht am Gaumen konkurrieren!

Deutschlands Weinhändler freuen sich: Ihre Kunden achten zunehmend auf Qualität. Weil aber richtig guter Wein oft richtig teuer ist, organisieren vielerorts Feintrinker Kreise, in denen sie neue Weine gemeinsam verkosten und so die Anschaffungskosten teilen. In Augsburg versammeln sie sich zum Thema Cabernet Sauvignon, in Bonn heben sie das Glas, um zu erkunden: "Mittelmosel - eine Lage, viele Stile?" In Bremen soll es heute Abend um italienische Rotweine des Jahres 2001 aus dem Bolgheri gehen.

Wer die Damen und Herren an der langen Tafel reden hört, merkt schnell, dass sie schon alle sehr weinkundig sind. Doch weil es immer noch ein bisschen mehr sein darf, zahlt jeder Teilnehmer anstandslos 600 Euro pro Jahr, um alle zwei Monate in der "Bremer Probenrunde" seine Erfahrungen zu erweitern.

13 Weinfreunde sind erschienen

"Es geht darum, neue, erschwingliche Weine für unseren Keller kennenzulernen", sagt Heinz Holtgrefe, der die Runde zusammen mit Schütte-Thuy ins Leben gerufen hat. "Und wir probieren auch mal teuren, hochgehandelten Stoff. Dann prüfen wir: Ist der wirklich so gut?" 16 Mitglieder zählt die Runde, denn "so viele Proben bekommt man aus einer Flasche - wenn man geübt ist." Ein Neuling kann nur dazustoßen, wenn ein anderes Mitglied ausscheidet. Heute sind 13 Weinfreunde erschienen, beachtlich, denn das Fernsehen überträgt zur selben Zeit ein Spiel von Werder Bremen.

Nach dem zweiten Gang hält Schütte- Thuy einen kurzen Vortrag: Wie es kam, dass die Winzer im Bolgheri französische Rebsorten anpflanzten und mit dem Sassicaia den italienischen Weinbau revolutionierten. Dass die Weine von dort schwer im Kommen seien. Dann werden die ersten drei Weine eingeschenkt, die Runde greift die Gläser, schwenkt, schnuppert. "Nummer zwei hat Korken!" Bedauerndes Gemurmel. Es ist, wie sich später herausstellt, ein Piastraia, mit 33 Euro der günstigste Wein des Abends. Also versenkt sich ein jeder in die verbliebenen zwei Weine und macht sich Notizen zu Farbe, Bouquet und Geschmack. Welcher der beiden ist der Favorit, will Schütte-Thuy wissen. Einhelliges Urteil: die Nummer eins, der Guado al Tasso für 51 Euro die Flasche.

Runde zwei. Schütte-Thuy bittet wieder: "An die Gläser!" Erneut setzt ein großes Schwenken und Riechen, Schmecken und Schlucken ein. "Was für ein Depot die Nummer fünf hat!", urteilt einer der Tester. Beim Urteil sind die Stimmen verteilt, die Überraschung: Der Sassicaia für 119 Euro kann nicht entscheidend punkten gegen den Montepergoli für 39 Euro.

"Ein spannendes Rennen!"

In der dritten und letzten Runde soll ein weiterer Star dabei sein, ein Ornellaia. Welcher mag es sein? "Ein spannendes Rennen!" Da sind sich alle einig. "Ich hätt gern alle drei im Keller." Auch kein Widerspruch. Die Nummer sieben, verrät Schütte-Thuy schließlich, war der Ornellaia, die Flasche zu 94 Euro. Edelster Tropfen aber war die Nummer neun, ein Redigaffi vom kleinen Weingut Tua Rita. Klar, der war schon sehr gut, aber für 190 Euro die Flasche?

Die Arbeit ist getan, die Stimmung prächtig. Der dritte Gang steht an, in den Gläsern funkelt ein Gabarinza aus dem Burgenland. Leichte Unruhe kommt auf, einige Herren spielen unterm Tisch mit ihren Handys. "Werder hat verloren!" Trotzdem: Hoch die Gläser - jetzt erst recht.

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