Sexuelle Gewalt an jungen Frauen kommt auch in Ungarn häufig vor. Die örtliche Polizei will deshalb sensibilisieren und greift komplett daneben: mit einem Clip, der die Opfer zu Tätern macht.
Perfider Clip aus Ungarn Wie die Polizei Vergewaltigungsopfer zu Tätern macht

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Eigentlich sind die Linien bei sexueller Gewalt klar. Nur in Ungarn verschieben sich die Grenzen. Zumindest in diesem Clip der Polizeibehörde der südungarischen Stadt Pécs, der Jugendliche für das Thema Vergewaltigungen sensibilisieren soll. Der professionell produzierte Film "Selfie Klip" wird dafür an ungarischen Schulen gezeigt. In ihm bereiten sich drei junge Mädchen auf einen Party-Abend vor. Sie ziehen sich kurze Röcke und Shirts an. Im Club tanzen sie mit Jungen, trinken Alkohol und feiern ausgelassen. Die Kernaussage des Videos: Wer sich so verhält, trägt Mitschuld an der eigenen Vergewaltigung. Die Polizei stilisiert die Opfer zu Tätern, die die Gewalt gegen sich provozieren. Das Video sorgte für einen großen Aufschrei, nicht nur in Ungarn. Frauenrechtsorganisation des Landes forderten die Behörden auf, ihn nicht weiter zu verbreiten. Der Atlantic, Guardian und Spiegel berichteten über den Protest gegen die Aktion. Auch auf Twitter machen Nutzer ihrem Ärger Luft: "Wie dämlich! Die ungarische Polizei behauptet, dass Frauen selbst dafür verantwortlich sind, wenn sie vergewaltigt werden." -Alecto "Diese Art zu Denken dient Vergewaltigern dazu, ihre Taten zu rechtfertigen" –Jasmin Die ungarischen Behörden stört der Protest nicht. Die Kommentarspalte unter dem Video wurde gesperrt. In einer Stellungnahme heisst es: "Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Rolle von Frauen bei der Prävention von Gewalttaten wichtig ist. Junge Mädchen, die oft flirten, können Gewalt auslösen." Dass so eine Einstellung aus Ungarn kommt, überrascht kaum. Ministerpräsident Viktor Orban und seine rechts-konservative Fidesz stehen seit dem Regierungsantritt 2010 in Kritik, die Menschenrechte im Land systematisch einzuschränken. Auch die Gleichberechtigung der Geschlechter gerät immer mehr ins Abseits. Vor fünf Jahren lag Ungarn noch auf Platz 65 des Global Gender Gap Reports, einem Bericht des World Economy Forums zu Frauenrechten. Dieses Jahr befindet sich das Land auf Platz 93 – nur gut zehn Plätze vor Indien. Dort fanden Aktivisten immerhin eine passende Antwort auf die Täter-Opfer-Vertauschung. In einem Satire-Video entlarvt der indische Comedy-Podcast AIB derartige Denkansätze mit viel Ironie: :„Es fängt alles damit an, was Sie tragen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein Rock an Frauen zu den führenden Ursachen von Vergewaltigungen zählt. Wissen Sie auch warum? Weil Männer Augen haben. Hier sind einige Beispiele für provokative Kleidung, die zu Vergewaltigung führen kann:...“ Vielleicht sollten die Lehrer an ungarischen Schulen auch diesen Clip in den Lehrplan aufnehmen. Oder besser noch: die Ausstrahlung des Polizeispots verweigern.
Selfie-Klip auf Youtube
Statement der ungarischen Polizei
Global Gender Gap Report 2009
Global Gender Gap Report 2014
"Rape - it's your fault" auf Youtube
Selfie-Klip auf Youtube
Statement der ungarischen Polizei
Global Gender Gap Report 2009
Global Gender Gap Report 2014
"Rape - it's your fault" auf Youtube