Deutschland leistet sich den größten, teuersten und vielleicht auch besten öffentlich-rechtlichen Rundfunk weltweit. Die Vielfalt von ARD und ZDF mit ihren Dritt-, Regional-, Kultur- und Politikprogrammen bieten eine wahnsinnig große Bandbreite an. Und trotzdem muss man nach über 70 Jahren konstatieren: Der ÖRR ist ein mittelschwerer Sanierungsfall. Die Diskussion um eine Reform, oder gar eine Revolution des Rundfunksystems ist längst überfällig. Denn wären ARD und ZDF Privatunternehmen, sie wäre schon lange pleite gegangen.
Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk hat sich kaputt-bürokratisiert
Wir können von Glück reden, dass der ÖRR sich nicht an den Maßstäben der freien Wirtschaft messen muss – wer weiß, wie das Programm dann aussehen würde. Und trotzdem ist ein solches Gedankenspiel hilfreich, um sich vor Augen zu führen, wie viel in den Rundfunkanstalten im Argen liegt. ARD und ZDF bekommen über den Rundfunkbeitrag knapp 8,42 Milliarden Euro jährlich, quasi als garantierten Umsatz. Das bringt sie unter die Top 10 der umsatzstärksten Medienunternehmen in Deutschland.
Und trotzdem waren die beiden Lieblingswörter des ÖRR in den vergangenen Jahren "Beitragserhöhung" und "Sparmaßnahmen". Da fragt man sich, wo das ganze Geld versickert. Die Antwort könnte darin liegen, dass die Sender zu bürokratischen Monstern geworden sind. So alt und grau, dass jede kleinste Innovation im Keim erstickt wird. In vielen Rundfunkhäusern gilt die Maxime: "Das haben wir schon immer so gemacht", das Resultat: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den digitalen Wandel nicht nur verschlafen, er lag jahrelang im Koma, während sich die gesamte Medienlandschaft um ihn herum wandelte. Lange war etwa die Online-Redaktion des NDR dem Hörfunk unterstellt. Ein Relikt aus den 1990er Jahren, weil man damals nicht wusste, wohin mit ihr.
Dass man vor 30 Jahren nicht einschätzen konnte, ob sich "dieses Internet" durchsetzen würde –geschenkt! Aber das krampfhafte Klammern an den Status Quo wirkt mittlerweile wie konsequente Arbeitsverweigerung.
ARD und ZDF geben denen, die sie abschaffen wollen, selbst die besten Argumente
Es muss endlich Schluss damit sein, dass jeder im Kosmos ARD/ZDF sein eigenes Süppchen kocht. Denn derzeit bietet der ÖRR denen, die ihn abschaffen wollen, selbst die besten Argumente dafür. Allein an diesem Wochenende übertragen die Sendeanstalten der ARD 27 (!) Kochsendungen, teilweise sogar parallel auf unterschiedlichen Sendern. Bei solchen Beispielen wird es schwer, den ÖRR zu verteidigen und seinen Bildungs- und Unterhaltungsauftrag zu rechtfertigen.
ARD und ZDF haben sich über Jahrzehnte hinweg zu einer Geldverbrennungsmaschine entwickelt, bei der die eigentlich entscheidenen Akteure, nämlich die Journalistinnen und Journalisten, zu einem großen Teil in prekären Arbeitsbedingungen stecken. Gleichzeitig verwaltet der ÖRR den Stillstand – und das mit Milliardensummen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss von Grund auf saniert werden – ohne ihn infrage zu stellen
ARD und ZDF machen seit Jahren einen sehr guten Job. In puncto Nachrichten und Information sind sie noch immer das Maß der Dinge in Deutschland.
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Sämtliche Folgen von "Deadlines" sind ab Freitag, 9. Juli, in der ZDF-Mediathek abrufbar. Ab dem 13. Juli zeigt ZDFneo vier Mal dienstags ab 23.15 Uhr jeweils zwei Folgen im TV.
Und dennoch: Es wird Zeit, den Muff der Rundfunkanstalten endlich aus den grauen Büros zu blasen. Der ÖRR muss von vorne bis hinten digitalisiert, umstrukturiert und erneuert werden. Und das, ohne ihn in seiner Existenz infrage zu stellen.

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Dieses Behörden-Denken muss endlich ein Ende haben. Nur so hat der öffentliche-rechtliche Rundfunk in Deutschland eine Zukunft. Und die muss er haben! Als Kontrolle für die Politik und Sicherungsinstrument für unsere Demokratie.
Anmerkung: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Online-Redaktion des NDR sei bis heute dem Hörfunk unterstellt. Dies ist nicht richtig. Wir haben den Fehler korrigiert.