"Wir haben noch drei Minuten", sagt die Rechtspflegerin, die im weißen Shirt und grünen Jackett der erhöhten Richterbank im Saal 2015 des Amtsgerichts sitzt. Und dann, wenig später um 10.59 Uhr: "Möchte noch jemand bieten?"
Frau Tischbein hat die Beteiligten im Blick.
Niemand im Saal meldet sich. Nicht Anis Ferchichi alias Bushido, der mit Rechtsanwälten auf einer Bank rechts vor ihr sitzt; nicht Arafat Abou-Chaker ihm gegenüber, der mit seinem Sohn A. und Anwälten zu ihrer Linken hockt.
Bushido hatte den Termin durchgesetzt
Also "gilt das Gebot 7.401.500 Euro" – "zum Ersten" – "zum Zweiten" – "zum Dritten: zugeschlagen". Es ist 11 Uhr, die Auktion ist beendet. "Herr A. Abou-Chaker ist jetzt Eigentümer."
Die Zwangsversteigerung war mit Spannung erwartet worden. Im Zuschauerbereich nahmen alle fünf Brüder von Arafat Abou-Chaker mitsamt Anhang Platz. Das Gericht hatte verschärfte Sicherheitskontrollen verkündet, die Kameras der Fernsehteams mussten draußen bleiben. Bushido war mit Personenschützern angerückt.
Der Rapper hatte diesen Termin gegen den Widerstand seines früheren Geschäftspartners auf dem Rechtsweg durchgesetzt. Auktioniert wurde ein Riesengrundstück mit drei Villen, Gesamtwert laut Gutachten 14,8 Millionen Euro. Beide hatten das denkmalgeschützte Ensemble 2011 gemeinsam für unter zwei Millionen Euro erstanden. Arafat Abou-Chaker wohnt auf dem Grundstück, Bushido ist in seine Villa daneben nie eingezogen – wegen der mittlerweile erbitterten Feindschaft der beiden.
Erlös muss geteilt werden
Bei der eigentlichen Versteigerung gaben sich beide Kontrahenten cool. Das Ganze dauerte gerade mal 30 Minuten, die vorgeschriebene Mindestbietzeit. Zu Beginn gab es rechtliche Hinweise, verlesen wurde auch eine Abrissverfügung für ein ohne Genehmigung errichtetes "unterirdisches Bauwerk" – gemeint war der Rohbau für einen geplanten 400-Quadratmeter großen Wellnessbereich. Als Mindestgebot rief die Rechtspflegerin "fünf Zehntel" des Verkehrswertes auf. Ein Anwalt von Arafats Sohn ging zum Richtertisch und unterbreitete Frau Tischbein sein Gebot, das sie sodann verkündete. Es blieb das einzige an diesem Tag.
Den Erlös müssen sich die beiden bisherigen Eigentümer nun teilen. Wenn die Beschwerdefrist von zwei Wochen abgelaufen und die Grunderwerbssteuer beim Fiskus eingegangen ist, kann der 21-jährige Filius von Arafat als Besitzer ins Grundbuch eingetragen werden. Nicht auszuschließen ist aber, dass dem langjährigen Finanzermittler vom LKA, der nach der Auktion vorm Gericht in Potsdam mit Bushido und dessen Anwälten zusammenstand, noch Gegenmaßnahmen einfallen.
Nach der Versteigerung musste ein Teil der Anwesenden sofort weiter nach Berlin. Vorm Landgericht ist am Nachmittag der 72. Verhandlungstag im Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder anberaumt. Dem Hauptangeklagten werden unter anderem versuchte schwere räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Bushido ist Kronzeuge und Nebenkläger.