Ein Cartoon des deutschen Zeichners OL: Zwei Frauen blicken über eine friedliche Landschaft. Die Sonne scheint. "Ich bin kein Rassist", sagt die eine Frau, "ich konnte schon vor der Flüchtlingskrise keine Ausländer leiden." Rumms, das sitzt! Fast poetisch dagegen eine Arbeit des italienischen Künstlers Stefano Tartarotti: Männer, Frauen und Kinder legen liebevoll Blumenbeete in Form von Buchstaben an. Sie bilden das Wort "Democracy".
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind auf vielerlei Art und Wiese gefährdet: Durch Lüge und Manipulation in sozialen Medien, durch den Populismus der Rechten und Ultrarechten, durch unfaire Wahlen, Demonstrationsverbote oder Zensur. Eine gerade veröffentlichte Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zeigt: In Schwellen- und Transformationsländern ist die Zahl der Demokratien auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gesunken.
Für ihren "Transformationsindex" hat die Bertelsmann Stiftung umfangreiche Länderberichte von knapp 300 Expertinnen und Experten auswerten lassen. Ergebnis: Von den 137 untersuchten Staaten waren nur noch 63 Demokratien. Ihnen standen 74 Autokratien gegenüber. So schlimm war es noch nie.
"Diese Ergebnisse haben uns ein Stück weit fassungslos gemacht", sagt Christian Langer, Mitgründer des Hamburger LawCom Institutes. Als Think Tank und Beratungsfirma setzt sich die Einrichtung mit internationalen Projekten für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein. "Als wir unser Institut vor fast drei Jahren gründeten, hatten wir eine so dramatische Entwicklung nicht für möglich gehalten", sagt Langer. "Es ist wichtig, sich aktiv gegen den schleichenden Rückzug der Demokratie zu stellen."
Um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie fragil und gefährdet demokratische Systeme sein können, hat Langers Institut zusammen mit dem Hamburger Lappan Verlag ein Buchprojekt verwirklicht: In dem Sammelband "Wir haben die Wahl – Internationale Cartoons zu Demokratie und Rechtsstaat" betrachten Cartoonisten aus der ganzen Welt zusammen mit Essayisten das Thema aus ganz eigenen Blickwinkeln. (Lappan, 128 Seiten, Hardcover, 18 Euro). Mit dabei sind auch mehrere Arbeiten von Til Mette und Dorthe Landschulz, die für den stern zeichnen.
"Die Cartoonist*innen kommen auf den Punkt, ohne Umschweife, direkt, schonungslos, ehrlich, entwaffnend. Sie berühren uns, sie regen uns auf, sie fordern uns heraus", schreibt Christian Langer im Buch. "Ihre Kunst ist dem Augenblick verpflichtet und wirkt nachhaltig. Ein Stift, ein Stück Papier, ein Tablet. Mehr braucht es nicht, um die Sicht auf die Welt zu verändern."
So aktuell die Cartoons auch sind, so sehr bleibt einem beim Betrachten immer wieder das Lachen im Halse stecken: Europa schottet sich ab, Antisemitismus ist auf dem Vormarsch, die Pressefreiheit in vielen Ländern in Gefahr. Rechte und rechtsextreme Parteien werden immer stärker, Hassrede nimmt zu, das Vertrauen in die Demokratie und den Rechtsstaat schmilzt dahin. Eines zeigen alle Zeichnungen überdeutlich: Der Fortbestand unseres politischen Systems ist keine Selbstverständlichkeit. Es muss aktiv unterstützt und verteidigt werden. Demokratie ist kein abstraktes Konstrukt von "denen da oben". Sie braucht die Pflege eines jeden Einzelnen. Bevor das von Stefano Tartarotti gezeichnete "Democracy"-Blumenbeet von Unkraut und Gestrüpp überwuchert wird.
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