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Pirmasens Dutzende Feuerwehrleute schmeißen hin - wie ein Streit um Führungsposten die Sicherheit gefährdet

Feuerwehrleute löschen einen Brand
Feuerwehrleute beim Löschen. In Pirmasens steht zurzeit nur noch die Hälfte der rund 90 ehrenamtlichen Helfer für Einsätze zur Verfügung
© Stefan Thomas / DPA
Es geht um Stolz und Kränkung, um Ehrenamt und Wertschätzung. In Pirmasens haben 44 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr ihren Dienst quittiert. Die Folgen für die Sicherheit der Bürger sind nicht abzusehen. Im Rathaus versucht man nun, die Wogen zu glätten.

Pirmasens, die 42.000-Einwohnerstadt im Südwesten der Republik, ganz am Rande von Rheinland-Pfalz, steht möglicherweise vor einem gewaltigen Problem. "Die Feuerwehr Pirmasens ist aktuell nicht einsatzfähig", hieß es bis vor kurzem auf der Facebook-Seite der Helfer. Der Beitrag ist inzwischen verschwunden, stattdessen verbreitet die Feuerwehr nun im Auftrag der Stadtverwaltung deren Sicht der Dinge: "Die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr Pirmasens war und ist zu jeder Zeit gewährleistet."

Dass sich in einer solch wichtigen Frage die Feuerwehr und die zuständige Behörde uneins sind, ist bemerkenswert - und gefährlich. Der Grund für die Aufregung ist, dass von rund 90 freiwilligen Feuerwehrleuten in dem früheren Zentrum der Schuhindustrie die Hälfte ihren Dienst quittiert hat.

600 Einsätze jährlich für die Feuerwehr in Pirmasens

Was ist da los in Pirmasens? Es ist eine Geschichte von Vertrauen und Kameradschaft, von verwehrter Mitsprache und missglückter Kommunikation - und von verletztem Stolz.

Wie in fast allen Städten und Gemeinden in Deutschland sorgen auch in Pirmasens viele Freiwillige in der Feuerwehr für die Hilfe in Notlagen. Neben 18 Beamten und drei Verwaltungsmitarbeitern sind es rund 90 Ehrenamtler, die ausrücken, wenn's brennt: Autounfälle, Großfeuer, überflutete Straßen. Zu tun haben die Helfer in Pirmasens reichlich. Jährlich sind es rund 600 Einsätze, ein Drittel derer ist so groß, dass die hauptamtlichen von den ehrenamtlichen Brandbekämpfern unterstützt werden müssen - ohne Freiwillige geht es nicht. Reicht selbst deren Unterstützung nicht, kommen die Werksfeuerwehr eines örtlichen Kunststoffunternehmens und Retter aus benachbarten Orten wie Rodalben oder Lemberg zur Hilfe.

Geleitet wird die Feuerwehr Pirmasens bislang von Stadtfeuerwehrinspektor Björn Sommer - ehrenamtlich und gewählt von den Feuerwehrleuten. Es ist ein zeitintensives Ehrenamt. Neben den Einsätzen frisst der Verwaltungskram viel Freizeit auf. Wenn man - wie Sommer - dann auch noch in einem anderen Ort arbeitet, wird es irgendwann schwierig, Familie, Job, Hobbys und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen. Sommer will sein Amt daher zum 1. Juli zur Verfügung stellen.

Im Rathaus von Pirmasens will man diese Gelegenheit nutzen, die Strukturen an der Feuerwache umzubauen, oder - wie es im Behördendeutsch heißt - "durch eine organisatorische Neuausrichtung die Feuerwehr zukunftssicher aufzustellen und damit gleichzeitig das ehrenamtliche Engagement nachhaltig zu stärken".

Feuerwehrleute fühlen sich übergangen

Der Leiter des städtischen Amtes für Brand- und Katastrophenschutz soll dazu in Zukunft auch hauptamtlich die Aufgaben des bislang ehrenamtlichen Stadtfeuerwehrinspekteurs übernehmen. Ein Vorteil für die freiwilligen Kameraden, meint die Stadtverwaltung: "Dadurch sollen die ehrenamtlichen Führungskräfte von stark gestiegenen administrativen Tätigkeiten - wie etwa der zeitintensiven Dokumentationspflicht nach Einsätzen - dauerhaft entlastet werden." Zudem setze man mit der Umorganisation eine Empfehlung des Landesfeuerwehrverbandes um.

Pirmasens 15.54Klingt gut, auf dem Papier zumindest. Nachdem die Stadtverwaltung den Feuerwehrleuten Anfang der Woche ihre Pläne vorstellte, entschlossen sich jedoch die 44 von ihnen, ihr Amt vorläufig niederzulegen.

Eine offizielle Stellungnahme zu der Angelegenheit gibt es von der Feuerwehr nicht. Ein Mitarbeiter verwies auf stern-Anfrage lediglich an die Stadtverwaltung. Doch hört man sich ein wenig um, erfährt man schnell, was hinter dem Schritt der Kameraden steckt.

Sie fühlen sich übergangen. Klar, weniger Verwaltungsarbeit, das ist schön und gut. Bloß: Seit Generationen von Feuerwehrleuten wählen sie einen aus ihren eigenen Reihen zu ihrem Chef und nun will ihnen das Rathaus den neuen Leiter quasi überstülpen - das hat es noch nicht gegeben. "Sie wollen selbst wählen", sagte der bisherige Stadtfeuerwehrinspektor Björn Sommer der Lokalzeitung "Rheinpfalz". Dass in der Begründung der Verwaltung zudem mitschwingt, ein hauptamtlicher Leiter würde die Arbeit professioneller erledigen als ein Ehrenamtler, mag der eine oder andere als zusätzliche Kränkung empfinden. Außerdem hätte man auch gerne früher etwas von den Plänen der Beamten im Rathaus erfahren und fühlt sich vor vollendete Tatsachen gestellt.

Ist eine Lösung in dem Streit in Sicht?

Und weil Feuerwehrleute sich als Macher verstehen, als selbstbewusste Menschen, die sich den Herausforderungen stellen, und Kameradschaft dort noch etwas zählt, erklärten Dutzende von ihnen kurzerhand und kollektiv, nicht mehr für den Dienst zur Verfügung zu stehen. 16 von ihnen gaben sogar ihre Pieper zurück, sodass sie gar nichts mehr von Notfällen erfahren. Damit steht nur noch die Hälfte der Ehrenamtlichen für Einsätze zur Verfügung. Rechtlich bewegen sie sich die Protestler mit ihrer Aktion jedoch auf dünnem Eis. Denn laut Stadtverwaltung und Landesfeuerwehrverband sind Feuerwehrleute zum Helfen verpflichtet, bis sie vom Bürgermeister entpflichtet werden.

Eine weitere Eskalation wollen alle Beteiligten vermeiden, denn von einer funktionierenden Feuerwehr hängt auch die Sicherheit Zehntausender Menschen ab. So traf man sich am Donnerstag zur Krisensitzung hinter verschlossenen Türen. Vom Tisch ist das Problem auch danach nicht, wie der stern erfuhr. Aber es gab aus Sicht der Stadtverwaltung "konstruktive wie zielführende Gespräche", eine Lösung zeichne sich ab. "Es ist vorgesehen, einen hauptamtlichen Stadtfeuerwehrinspekteur zu installieren, dem zwei gewählte Stellvertreter aus den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr zur Seite stehen", so Maximiliam Zwick, Rathaussprecher von Pirmasens. Am 18. Juni soll der Stadtrat über das neue Konzept für die Feuerwehr entscheiden - und auch die 44 zurückgetretenen Kameraden werden sich bis dahin ihre Gedanken machen.

Solange werden die Betriebsfeuerwehr des Kunststoffunternehmens und die ehrenamtlichen Helfer aus den Nachbargemeinden voraussichtlich häufiger zur Unterstützung der Pirmasenser Wehr fahren müssen - es geht schließlich nicht nur um Stolz, Kameradschaft, Wertschätzung und Kommunikation, sondern auch um die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr in Pirmasens.

Nachtrag 22. Mai 2018: Nach Informationen der "Pirmasenser Zeitung" haben die 44 "Rebellen" nach Gesprächen zwischen Feuerwehr und Stadtverwaltung erklärt, wieder voll einsatzbereit zu sein. Der Bürgermeister der Stadt, Bernhard Matheis, wolle nun in dem Konflikt vermitteln.

Pirmasens: Dutzende Feuerwehrleute schmeißen hin - wie ein Streit um Führungsposten die Sicherheit gefährdet
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