Meinung Zu dick, zu dünn, nie genug – Schluss mit der Körperpolizei unter Frauen!

  • von Jana Kopp
Frauen sollten nicht über andere Frauen urteilen, meint unsere Autorin
Frauen sollten nicht über andere Frauen urteilen, meint unsere Autorin
© Anton Vierietin / Getty Images
Meghan Trainor wird plötzlich schlank, Nelly Furtado zeigt neue Kurven – und die Kommentarspalten brennen. Warum tun wir Frauen das einander an? Ein Plädoyer fürs Schweigen.

Meghan Trainor hat abgenommen. Bei einer Filmpremiere zeigt sich die Sängerin deutlich schlanker als früher. Dieselbe Meghan Trainor, die mit dem Body-Positivity-Hit "All About That Bass" berühmt wurde und als Idol für viele Frauen jenseits von Size Zero galt. Enttäuschend. Wie konnte sie uns Frauen verraten?  

Und auch die Sängerin Nelly Furtado präsentiert sich mit einer anderen Figur auf Social Media und bei ihrem Live-Konzert auf der Bühne. Aber mögen wir ihre plötzlichen Kurven, oder sind die nicht etwas zu viel für die Sängerin, die früher doch so zierlich war?

Meghan Trainor und Nelly Furtado (2025)
Ende August: Meghan Trainor (links) auf einer Filmpremiere von "The Paper" in Los Angeles und Nelly Furtado (rechts) auf dem "Superbloom" Festival 
© ACTIONPRESS FOTO ONLINE

Die richtige Antwort: Unsere Meinung ist vollkommen egal.  

Was läuft eigentlich falsch, dass Frauenkörper immer noch öffentlich bewertet und kommentiert werden? Und warum sind wir Frauen selbst so oft daran beteiligt? Statt uns gegenseitig zu unterstützen, führen wir die Kontrolle der Männer über den weiblichen Körper häufig selbst weiter.

"Wir können nicht mal in einem Raum von Frauen einfach existieren, da, wo wir alle ein bisschen Ruhe haben könnten vor Schönheitsidealen und Druck", sagt Autorin Sophie Passmann in einem Interview. Sowohl sie als auch ich haben körperbezogene Abwertungen oft von anderen Frauen erfahren – das beginnt schon früh im Kreis der Familie.

Körperbewertung fängt oft bereits von Frauen im unmittelbaren Umfeld an

Meine Oma, meine Mutter, auch mein Vater, sie alle bewerteten in meiner Kindheit ständig ihre eigenen Körper. Manchmal waren auch mein Körper und der meiner älteren Schwester Thema. Das prägt uns.

"Wir wissen aus Studien, dass Eltern mit Essstörungen oder einem negativen Körperbild diese auf das Kind unbewusst übertragen können", sagt Dr. Julia Tanck, klinische Psychologin und Psychotherapeutin, im stern. "Durch das häufige Kommentieren von Körpern lernen Kinder indirekt, dass auch sie wertvoller sind, wenn sie auf eine bestimmte Weise aussehen."

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Und dennoch: Obwohl ich es besser weiß, habe auch ich meiner Schwester ungefragt Ratschläge zu Bewegung und Ernährung gegeben. Natürlich in liebevoller Absicht und aus Sorge. So wie es bestimmt auch unsere Familie getan hat.  

Die Wahrheit ist: Solche Kommentare sind ganz und gar nicht wertschätzend. Damit werten wir andere Frauen auf oder ab – und erheben uns über sie: "Ich darf über dich urteilen, weil andere Frauen über mich urteilen" – das ist der Inbegriff von verinnerlichter Frauenfeindlichkeit. Sie gibt es nicht nur von Männern!  

Nein, sie wurde über Generationen weitergegeben – auch an uns Frauen. Die feministische Autorin Bell Hooks schrieb schon 1984: "Wir müssen die Rolle, die Frauen bei der Aufrechterhaltung der patriarchalischen Kultur spielen, hervorheben, damit wir das Patriarchat als ein System erkennen, das von Frauen und Männern gleichermaßen getragen wird, auch wenn Männer von diesem System mehr Gegenleistungen erhalten" und plädiert in ihrem Buch "Männer, Männlichkeit und Liebe" für Veränderungen. "Das Zerlegen und Umgestalten der patriarchalischen Kultur ist eine Arbeit, die Männer und Frauen gemeinsam leisten müssen."

Also, liebe Leserinnen, lasst uns mit diesem Umgestalten bitte nicht auf die Männer warten, sondern bei uns selbst anfangen. Ob Meghan Trainor oder Nelly Furtado, ob unsere Schwester oder unsere beste Freundin: Sollten wir das nächste Mal über den Körper einer Frau urteilen und ungefragt Tipps geben wollen, halten wir inne und entscheiden uns bewusst dafür: "Nein. Da machen wir nicht mehr mit."