Ach, Mensch Die Gesellschaftskolumne Impfregister zur Pandemie-Bekämpfung: Registriert uns endlich!

Impfregister: Registriert uns endlich!
Impfregister: Registriert uns endlich!
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Ein nationales Impfregister darf nicht dem Datenschutz zum Opfer fallen. Es gehört ganz nach oben auf die Liste der Anti-Corona-Maßnahmen.

Die Stadt Flensburg kennen wir vor allem wegen der Punkte. Egal, ob Sie welche haben oder nicht: Das Punkteregister des Kraftfahrtbundesamts ist die seit Jahrzehnten akzeptierte und bewährte zentrale Erfassungsstelle der, sagen wir: fahrerischen Qualitäten der Bundesbürger. Dort werden Namen, Adresse, Kennzeichen und die entsprechenden Punktestände samt Delikten gespeichert. Datenschutz? War nie ein Problem.

Würden wir all die offenen Fragen ums Impfen so ernst nehmen wie den Straßenverkehr, gäbe es keine verquaste Debatte um ein nationales Impfregister. Das wird von Karl Lauterbach und Marco Buschmann mit einem identischen Argument abgeschmettert: Datenschutz. Außerdem würde es viel zu lange dauern.

Diese Argumentation hinkt auf zwei Beinen. Erstens: Selbst der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hält ein Impfregister für machbar. Und warum soll bei uns nicht funktionieren, was in Ländern wie Österreich, Schweden, Finnland oder den Niederlanden längst gang und gäbe ist? Zweitens: Wenn wir jetzt nicht damit anfangen, wann dann? Dass es lange dauert, kann ja nicht dazu führen, dass man es gar nicht macht.

Impfstoffmangel gäbe es mit Impfregister nicht

Sicher: Auch dieses Thema birgt wieder Futter für die heißhungrigen Aufregungsprofis im Querdenker- und Impfgegnerlager. Sie fürchten im Falle einer allgemeinen Impfpflicht Strafverfolgung, weil ein solches Register dem Staat per Knopfdruck zeigen könnte, wer nicht geimpft ist. Ansonsten brauchte es dafür das unwahrscheinliche Pech, in eine Stichprobenkontrolle zu geraten. Ein Impfregister würde diese Gruppe richtig nerven.

Länder wie Schweden und vor allem Finnland zeigen, wie wichtig und extrem hilfreich ein solches Register ist. So wird zum Beispiel erkennbar, welche gesellschaftlichen Gruppen von einer Impfkampagne kaum erreicht werden. In Thüringen, wo die Kassenärztliche Vereinigung aufgrund umfassender Daten ein recht scharfes Bild zeichnen kann, ergab sich, dass die Impfquote unter städtischen Migranten gut ist, während sie bei älteren Menschen auf dem Land durchhängt. Eine solche Information ist wertvoller als die übereilte Impfaktion im urbanen Problemviertel.

Auch so überraschende Befunde wie der Überhang an Moderna-Dosen, die im Lager abzulaufen drohen, oder ein allgemeiner Impfstoff-Mangel – alles schon dagewesen – wären mit einem Impfregister Vergangenheit. Es ist doch erstaunlich, wie wenig der Staat weiß, dem besorgte Datenschützer immer wieder übertriebenen Informationshunger attestieren. Ganz zu schweigen von unserer Bereitschaft, privateste Daten wie Kreditkartennummern, Einkäufe, Adressen, ohne zu zögern, mit den Netz-Molochen zu teilen. Wie ernst nehmen wir den Datenschutz wirklich?

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Impfrisiken werden schneller erkannt

Der wichtigste Nutzen eines Impfregisters aber ist die präzise Erfassung von Nebenwirkungen. Bisher hängt die in Deutschland von sehr viel Glück ab: Ärzte sind verpflichtet, aufgetretene Nebenwirkungen zu melden. Aber dafür müssen sie diese als solche erkennen, dann ein Formular ausfüllen und dieses per Fax an das zuständige Paul-Ehrlich-Institut schicken. Das passiert durchaus, aber nur ab und zu. In Finnland werden die Daten, zack, online an das Impfregister gemeldet, was während der Schweinegrippe-Pandemie um 2009 dazu führte, dass sehr schnell das Impfrisiko der Narkolepsie bei Kindern erkannt wurde. Es konnte sofort reagiert werden, auf der Basis eindeutiger Daten. Das müsste doch auch Impf-Skeptikern gefallen.

Es gibt eine große internationale Erhebung über den Stand der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Polen steht auf dem letzten Platz. Aber auf dem vorletzten: Deutschland.