Im Distriktgericht in Balis Hauptstadt Denpasar wird am Dienstag das Verfahren gegen vier militante Moslems eröffnet, die an den Bombenanschlägen auf drei Restaurants in Bali am 1. Oktober 2005 beteiligt gewesen sein sollen. Bei den Attentaten waren 20 Menschen sowie die drei Bombenleger ums Leben gekommen. Die vier Angeklagten, von denen der jüngste 24 und der älteste Jahre 34 alt ist, gelten als Mitglieder der Terrororganisation Jemaah Islamiah.
Karin Sorrer sieht dem Prozessbeginn leidenschaftslos entgegen. Sorrer ist die Mitbesitzerin des Restaurants "Raja's", einem der beiden Schauplätze des Terrors vom vergangenen Oktober. Drei ihrer Mitarbeiter - Wayan Betah, 27, Agung, 28 und die 18 Jahre alte Auszubildende Endri - waren durch die Bombe getötet worden. Vier weitere wurden schwer verletzt. Über die Angeklagten sagt Sorrer: "Das sind doch von Fanatikern irregeleitete Menschen."
Bombenleger sind Opfer und Täter gleichermaßen
Die 50-jährige betrachtet die Bombenleger als Opfer und Täter gleichermaßen. "Das waren doch keine Selbstmordattentäter. Die dachten, sie sollten die Rucksäcke mit den Bomben bei uns und in den Restaurants in Jimbaran deponieren und verschwinden. Aber die Bomben wurden schon fern gezündet, als sie noch in den Lokalen waren."
Zwei Wochen vor dem Prozessbeginn haben Sorrer und ihr Geschäftspartner und Ex-Mann Rudy Limas das "Raja's" neu eröffnet. Allerdings weit weg vom alten Kuta Square im Zentrum von Kuta, Balis touristischem Zentrum. Das neue "Raja's" hat Mitte April größer und schöner am Bintang Supermarkt in Seminyak, einem Fixpunkt sowohl für Balitouristen und Wahlbalinesen, seine Pforten geöffnet.
Das Restaurant liegt aus Sicherheitsgründen im ersten Stock und die Gäste müssen ihre Taschen und Rucksäcke von einem Wachmann untersuchen lassen, bevor sie die Treppe hinauf zum Restaurant steigen dürfen. "Ich möchte kein Straßencafe mehr haben", sagt Sorrer.
An die Nacht des Anschlags erinnert sie sich mit Grauen. An dem Samstagabend feierte die seit 25 Jahren in Indonesien lebende Sorrer zusammen mit Familie und Freunden die Hochzeit ihrer Tochter. "Wir haben die Detonationen gehört und wussten sofort, dass es Bomben waren", sagt die gebürtige Rheinländerin. Und: "Wir waren ja auch schon beim ersten Anschlag 2002 hier auf Bali. So was vergisst man nicht."
Dass das "Raja's" einer der Tatorte war, hat sie erst Stunden später erfahren. Nach den Anschlägen funktionierten die Handynetze nicht mehr. Mit Tränen in den Augen erinnert sie sich an die 18 Jahre alte Endri, Tochter eines Freundes aus Surabaya. "Endri hat noch bis Donnerstag gelebt. Sie hatte kein Gesicht mehr. Ich habe zu Gott gebetet, dass er sie schnell sterben lässt."

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Einen empfindlichen Schlag haben die Attentate von Kuta und Jimbaran dem Tourismus auf Bali versetzt, der sich gerade erst von den Folgen des ersten Bombenanschlags im Jahr 2002 erholt hatte. Im Vergleich zum Vorjahr sind in den ersten Monaten 2006 ein Drittel weniger Gäste gekommen. Insbesondere Japaner und Australier - die wichtigsten Märkte des Balitourismus - meiden die Insel.
Der Taxifahrer Ketut fragt verzweifelt: "Warum kommen die Touristen nicht zurück?" An guten Tagen mache er nur 40.000 Rupien Umsatz, etwa 3,60 Euro. Karin Sorrer hatte keinen ihrer 45 Mitarbeiter in den sechs Monaten zwischen dem Anschlag und der Neueröffnung des "Raja's" entlassen. "Die meisten hier in Bali leben doch vom Tourismus und ich wollte die Schar der Arbeitslosen nicht noch vergrößern."
Traditionelle Häuser zerlegt, verschifft und wiederaufgebaut
Die beiden Kanadier Howard Klein und Tom Calucci haben unmittelbar nach den Attentaten begonnen, ein neues schickes Luxusressort ins Leben zu rufen. Inmitten von Reisfeldern in Seminyak bauen sie traditionelle indonesische Häuser wieder auf, die sie in Sulawesi oder auf Sumatra gekauft, zerlegt und nach Bali transportiert haben.
Zwischen den antiken Gästehäusern und dem ausladenden Swimmingpool liegen kleine Reisefelder und Gemüsegärten, die die zukünftigen Gäste des "Desa Seni" mit frischen Produkten versorgen sollen. Die touristische Zukunft Balis sehen Klein und Calucci mit großem Optimismus. "Bali wird ein Comeback haben und es wird noch stärker ein Urlaubziel werden, das für völlige Wellness und umweltfreundlichen Urlaub steht", sagt Klein optimistisch.
Unberührt von der Tourismuskrise auf Bali bleiben Unternehmen, die sich auf Nischenmärkte spezialisiert haben. Der auf Bali lebende ehemalige Musikdozent Werner Schaeffer bietet unter dem Motto "Dive the Rainbow" für schwule Männer Tauchtouren zu den Korallenriffen und Schiffwracks vor Bali an. "Seitdem ich mich vor drei Jahren selbständig gemacht habe geht es eigentlich nur aufwärts”, sagt Schaeffer.
Wie im "Raja's" gehören Sicherheitskräfte in Bali inzwischen zum Alltag wie die Surfbretter am Strand. Das "Desa Reni" umgibt sich mit einem unsichtbaren Infrarotzaun. Wachleute mit Maschinenpistolen kontrollieren die Hotelzufahrten. Die mehrheitlich hinduistischen Balinesen vertrauen zusätzlich auf ihre Götter. In diesen Tagen feiern sie Galungan, eines der höchsten Feste Balis. Zu Galungan steigen die Götter auf die Erde hinab und besiegen das Böse.