Jagoda Marinić Zu Tieren hat der Mensch ein widersprüchliches Verhältnis – was zu absurden Situationen führt

Ein Polizeihund, ein Rottweiler auf einer Wiese
Seit diesem Jahr dürfen Hunde nicht mehr mit Gewalt ausgebildet werden. Allerdings wehrt sich die Polizei gegen die neue Verordnung. Die Beamten kämpfen hartnäckig für das Stachelhalsband, das sie Diensthunden wie diesem Rottweiler hier umlegen möchten.
© Polizei Bremerhaven / DPA
Manche Tiere gelten dem Menschen als Familienmitglied, andere landen auf dem Teller. Und dann gibt es da noch die Unterschiede von Land zu Land. In China essen sie Hunde, zum Beispiel. Aber ist das wirklich so anders als das, was "wir" machen?

Lieben Sie Tiere? Dann wird es Sie freuen, wenn ich Ihnen verrate, dass zumindest ein Land in der Europäischen Union das auch tut: Spanien hat Tiere gerade rechtlich zu "fühlenden Wesen" erklärt. Eine Reform des Zivilrechts macht Haustiere zu Familienmitgliedern.

Bei Trennungen entscheiden fortan Scheidungsgerichte, was für das Wohl der Tiere am besten ist. Wie beim Sorgerecht für Kinder sind bald auch bei Hunden und Katzen Wechselmodelle möglich. In Deutschland gelten Tiere rechtlich übrigens erst seit 1990 nicht mehr als Gegenstände.

Die seltsamen Bande zwischen Mensch und Tier

Was nun in Spanien geschieht, macht die Beziehung zwischen Mensch und Tier nicht per se einfacher. Sie bleibt widersprüchlich. So manches Tier essen wir ohne schlechtes Gewissen, mit anderen hingegen legen wir uns sogar ins Bett. Zum Kuscheln, meine ich.

Ich hatte nie Tiere. Ich kenne sie als Wachhunde vor Häusern in kroatischen Dörfern. Tiere wurden dort als Nutztiere gehalten, und so habe ich diese heimelige Nähe zu ihnen immer halb bestaunt, halb bewundert.

Bindung zu einem Hamster oder Vogel?

Wie bindet man sich zum Beispiel an einen Hamster? Für mich ist der Nager ein wuscheliges Etwas, das in einem Käfig im roten Rädchen herumrennt und irgendwann beerdigt werden muss. Als Kind besuchte ich Freunde mit Vögeln nur ungern, weil ich Angst hatte, dass sie ihre Federwesen aus dem Käfig lassen und die mir vor lauter Wut über den Freiheitsentzug die Augen auskratzen. Überhaupt: Wieso sperrt man ein Tier, das man liebt, ein, obwohl dieses Tier nichts sehnlicher will als fliegen? No comprendo.

Jagoda Marinić
© Gaby Gerster

Jagoda Marinić

Die Schriftstellerin und Politologin Jagoda Marinić („Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?“, „Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land“) schreibt alle zwei Wochen – im Wechsel mit Micky Beisenherz – im stern.

Da ich ein eher distanziertes Verhältnis zu Haustieren habe, konnte ich die Empörung mancher Freunde über Länder nicht verstehen, in denen Hunde und Katzen zum Verzehr angeboten werden wie bei uns Schweine. Warum können sie jeden zweiten Abend Hühnerbrust essen (weil sie auf Proteindiät sind), aber eine Katze zu verspeisen käme ihnen unmenschlich vor? Auch Hühner sind hübsche, wirklich süße Tiere. Wenn man ihnen Maiskörner vor die kleinen Füße wirft, fangen auch sie an, einem hinterherzulaufen und einen zu mögen. Zumindest denken wir das gern.

Kunst oder Handwerk und der Tierschutz

Es ist ohnehin verrückt, wie wir menschliche Gefühle in die Tiere projizieren. Ja, sie binden sich an uns, aber ob sie unsere Liebe erwidern, wie viele von uns glauben, weiß kein Mensch.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Ich verstehe auch viele Tierschützer nicht. Ich erinnere mich an eine Theateraufführung, in der ein Huhn geschlachtet werden sollte. Schon während der Proben protestierten Tierschützer schilderwütig am Spielort. Vor den Metzgereien auf dem Weg dorthin protestierten sie aber nicht, dabei lagen dort salamierte und verwurstete Tiere zuhauf. Nach einigen Tagen war der Regisseur des Stücks so genervt von den Tierschützern, dass er einen Schlachter vor die Probebühne bestellte, der das Köpfen des Huhns ordnungsgemäß durchführen sollte. "Warum darf die Kunst nicht, was der Metzger darf?", fragte er.

Ich sympathisiere nicht mit dem aufgebrachten Regisseur, aber ich bewundere sein Gespür dafür, die Widersprüche unserer Zeit zu inszenieren.

Gewaltlose Erziehung ist nichts für alle Hundehalter

Auch in Deutschland bewegt sich etwas: Seit diesem Jahr dürfen Hunde nicht mehr mit Gewalt ausgebildet werden. Und wer wehrt sich gegen die neue Verordnung? Ausgerechnet die Polizei. Die Beamten kämpfen hartnäckig für das Stachelhalsband, das sie ihren Diensthunden umlegen möchten, und weigern sich teilweise, die neue Verordnung umzusetzen.

Immerhin die Polizei ist, wenn’s darauf ankommt, gleich hart zu allen Lebewesen. Tierschützer hingegen, so denke ich manchmal, scheinen die Menschen ein kleines bisschen weniger zu lieben.