Jagoda Marinić Wie wir besser mit Problemjugendlichen umgehen können

Gibt es eine Lösung mit sogenannten Problemjugendlichen fertig zu werden, fragt sich unsere Kolumnistin
Gibt es eine Lösung mit sogenannten Problemjugendlichen fertig zu werden, fragt sich unsere Kolumnistin
© Illustration: Lennart Gäbel/stern
Während die Merz-CDU noch pöbelt, sucht unsere Kolumnistin nach einer Lösung, wie wir mit Problemjugendlichen umgehen können.

Es gibt Dinge, die gibt es nicht: In Berlin hat der rot-grün-rote Senat nach den Silvesterkrawallen tatsächlich Geld für Jugendliche lockergemacht. Jugendarbeit soll mit 20 Millionen Euro gefördert werden, nächstes Jahr fließen weitere 70 Millionen. Linke kümmern sich um Probleme – und sagen dabei gar nicht „Pascha“! Womit sollen Herr Merz und die Seinen noch Stimmung machen? Ach, die sitzen eh gestärkt im Abgeordnetenhaus.

Lösungen finden statt im TV Aufmerksamkeit suchen

Der Jugendgipfel in Berlin, zu dem die Regierende Bürgermeisterin geladen hat, zeigt, wie man Probleme anpackt, statt in Talkshows Stimmung zu machen: Man setzte alle an einen Tisch, von den Integrations- und Sozialarbeitern bis zu Politik, Polizei und Justiz. Es geschieht an diesem Tisch etwas, das es in Deutschland leider nur selten gibt: Man spricht über Probleme mit dem unverschämten Ziel, sie zu lösen.

Es war zu lesen, die beschlossenen Maßnahmen seien der Versuch, etwa 10 000 problematischen Jugendlichen feste Strukturen anzubieten. Statt von Beginn an alles für diese Jugendlichen zu tun, wartet man, bis ein Teil von ihnen Randale macht. Deren Gewalt wird von Politikern missbraucht, die Vorurteile bestätigen wollen. Gescheiterte Integration in Deutschland: Wer Debatten nur recycelt, muss sich nichts Neues ausdenken.

Integration kostet

Jagoda Marinić
© Gaby Gerster

Jagoda Marinić schreibt in ihrer Kolumne über in die Welt, wie sie ihr gefällt – oder auch nicht gefällt. Sie ist Autorin verschiedener Bücher (zuletzt "Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?", "Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land") und Host des Podcasts "Freiheit Deluxe". Als Moderatorin der Literatursendung "Das Buch meines Lebens" (Arte), fragt sie bekannte Persönlichkeiten, wie das Lesen ihr Leben verändert hat. Auf Twitter und bei Instagram findet man sie unter @jagodamarinic.

Nach meiner „Selber Pascha!“Kolumne zu Friedrich Merz (stern Nr. 4/2023) und meinem Ärger über die Art, wie er Probleme thematisiert, schrieben mir viele Leser, die Merz’ Platte auch nicht mehr hören können. Es schrieben aber auch einige, die der Ansicht waren, ich verdrängte die Probleme und kennte mich nicht aus. Ich freue mich immer, wenn Leute mir bescheinigen, mich in Feldern, in denen ich seit 15 Jahren arbeite, nicht auszukennen. Das heißt, ich kann meine Arbeit in Ruhe machen, offensichtlich waren meine Fehler noch nicht staatsrelevant. Was mich weniger freut, sind jene Bürgerlichen, die mich anfahren, weil sie finden, alle wie ich, die sich gegen eine Pascha-Debatte wehren, seien Teil des Problems. Sie flüstern zuerst: Solche wie dich meinen wir nicht. Dann aber sagen sie, wegen solcher Empörten wie mir komme das Problem nie auf die Agenda. Wie einfach! Viele von uns Empörten fordern seit Jahren mehr Sozialarbeit in den Schulen, mehr Investitionen in Integrationsprojekte. Ich vermute, man hat eher nicht investiert, sonst gäbe es ja kein massives Defizit. Seit Jahren werden die Probleme großer Städte seriös beschrieben, nur bezahlen will man die vorgeschlagenen Lösungen meist nicht. Bis es knallt.

Alle, die beim Wort „Pascha“ wütend werden, sind die Ersten, die dankbar sind, wenn ein Jugendgipfel die Probleme anpackt, weil es letztlich um junge Menschen geht. Um die Möglichkeit, sich in Deutschland einzubringen. Es geht um die Fragen, ob die Jugend uns etwas angeht – oder ob die Politik sie nur für ihre Stimmungsmache missbraucht.

Jeder Jugendliche hat Aufmerksamkeit verdient

Ich erinnere mich an eine Doku über Jugendliche, die zurück in die Türkei gingen, in das Land ihrer Eltern, nachdem sie hier nicht zurechtgekommen waren. Bald ließ ihre pubertäre Aggression im Alltag nach. Als man sie nach dem Grund fragte, sagten sie: „Die Erwachsenen hier sagen uns, wenn wir Scheiße bauen. Alle Erwachsenen, nicht nur die Eltern.“ Sie schienen sich nicht eingeengt zu fühlen, sondern umsorgt. Sie schienen einen Platz zu haben an einem Ort, dessen Spielregeln die Erwachsenen formulieren. Im Grunde sagten sie: Wir gehen die Menschen hier etwas an. Wir haben einen Platz in diesem Land. Vielleicht ist das alles, was uns gelingen muss. Ganz ohne Paschas.