Jagoda Marinić Alte gute Männer

In Zeiten all des Negativen braucht es Menschen, die Positives ausstrahlen
In Zeiten all des Negativen braucht es Menschen, die Positives ausstrahlen
© Illustration: Lennart Gäbel/stern
Unsere Kolumnistin schöpft Hoffung – dank des Populistenbesiegers Donald Tusk, aber auch dank des Muskelmanns Arnold Schwarzenegger

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Man vergisst das so leicht, gerade wenn jetzt, wie beim Angriff auf Israel, die menschlichen Abgründe die Nachrichten bestimmen. Da kam mir der Wahlsieg von Donald Tusk in Polen gerade recht. Insbesondere die Erklärung für die unerwartete Mehrheit, die seine Oppositionskoalition gewonnen hat: Der Mann hat sich einfach auf seine Sachen konzentriert. Er hat es geschafft, nicht der PiS-Partei und ihren Spaltungsdebatten zu folgen, sondern er legte einen Hundert-Punkte-Plan vor und mobilisierte damit so viele Menschen wie lange nicht mehr, zur Wahl zu gehen.

Es geht also, die Dinge zum Besseren zu wenden.

So wie es gelingen kann, Wähler vom Sonntagssofa zur Wahlurne zu bewegen, wenn sie nicht mit dem Gefühl daliegen: "Ich weiß nicht mehr, wen ich wählen soll." Ein Satz, den ich in Deutschland ständig höre, was auch daran liegt, dass die Ampelparteien sowie die Merz-CDU sich ideenlos von der AfD jagen lassen. Die beste Nachricht von Donald Tusk lautet: Der Rechtsruck in Europa muss kein Dominoeffekt sein. Krisen und schlechte Prognosen bedeuten eben nicht, dass wir uns zu Hause auf den Teppich legen und toter Hund spielen.

Hinsehen, auch wenn es weh tut

Nach den erfreulichen Tusk-Nachrichten besuchte ich die Frankfurter Buchmesse, und was mich früher nur anstrengte, machte mir diesmal Hoffnung: Trubel, übervolle Gänge, weil Menschen nach wie vor Bücher lieben. Auf den Bühnen Autoren, die Ideen in die Welt tragen wollen, nicht aufgeben, die hinsehen, wenn es wehtut. Sind sie naiv? Doch ohne eine gewisse Naivität werden wir nichts Neues wagen.

Jagoda Marinić
© Gaby Gerster

Jagoda Marinić schreibt in ihrer Kolumne über in die Welt, wie sie ihr gefällt – oder auch nicht gefällt. Sie ist Autorin verschiedener Bücher (zuletzt "Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?", "Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land") und Host des Podcasts "Freiheit Deluxe". Als Moderatorin der Literatursendung "Das Buch meines Lebens" (Arte), fragt sie bekannte Persönlichkeiten, wie das Lesen ihr Leben verändert hat. Auf Twitter und bei Instagram findet man sie unter @jagodamarinic.

Es gab auf dieser Messe eine Begegnung, die mir zeigt, dass es eine Pflicht ist, die Hoffnung zu finden, wenn es schwierig wird: Ich war mit Michail Borissowitsch Chodorkowskij verabredet, einem von Russlands berühmten Dissidenten. Ich erlebte, wie viel Arbeit für ihn das Reisen ist. An unserem Gesprächsort musste vorab die Sicherheit geprüft werden; für Chodorkowskij ist kein Ort sicher. Ich bin dankbar, dass es Menschen wie ihm gelingt, sich nicht einschüchtern zu lassen, unter Menschen zu gehen.

Ein Dissident, der nicht aufgibt

Schließlich saßen wir in einem kleinen Zimmer zusammen und wollten über seine Lebensbücher reden. Stattdessen erzählte er mir von den Jahren im Gefängnis, von vier Hungerstreiks, die er machte, auch um einem inhaftierten Freund das Leben zu retten: "Wenn ihr ihm das antut, dann habt ihr hier zwei Leichen", teilte er den Machthabern mit und aß und trank nicht mehr, bis sie den anderen in Ruhe ließen. Wie er diese Klarheit behalten habe, fragte ich ihn. Er antwortete: "Ich habe mir versprochen, dein Körper ist im Gefängnis, aber dein Kopf bleibt in der Freiheit."

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?

Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.

Positiv bleiben trotz Fatwa

Zwei Tage später stand in der Paulskirche der Autor Salman Rushdie, der sich lange Jahre wegen der Fatwa gegen ihn nicht frei bewegen konnte. Er erhielt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Vor Kurzem noch hatte jemand ihn auf einer Veranstaltung mit einem Messer schwer verletzt; er kam trotzdem nach Frankfurt zur Verleihung.

Nachts spielte mir das Netz ein Video von Arnold Schwarzenegger ein, in dem er gegen den wachsenden Antisemitismus anredet. "Don’t be a loser", sagt er darin, die Bösen hätten am Ende immer verloren. Der Geist müsse zum Guten hin so hart trainiert werden, wie er früher seinen Körper gequält habe, sagt er.

Ich verspreche, ich fange heute damit an.