Jugendkultur Satanismus ist hip

Immer mehr Jugendliche stehen auf Satanismus - Experten schätzen die Zahl auf 60.000. Und nicht immer bleibt es bei vergleichsweise harmlosen Treffen auf dem Friedhof.

Die Zahl jugendlicher Satanisten steigt an: Peter Göbel von der Landespolizeidirektion Freiburg ist überzeugt, dass "in jeder Schule mindestens ein Hardcore-Satanist sitzt". Auch Ingolf Christiansen, Beauftragter für Weltanschauungsfragen in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, rechnet mit bundesweit bis zu 60.000 jungen Satansanhängern.

Den Anstieg erklären Experten mit dem Internet. Interessierte können Gleichgesinnte in der Umgebung suchen und mit ihnen Kontakt aufnehmen. In manchen Internetportalen wird ungezwungen über die "dunkle Ideologie" geredet.

Aber auch einschlägige Literatur ist heutzutage über die Buchhandlung zu bekommen. So verwundert es nicht, dass nach Einschätzung von Sabine Riede von der Sekten-Info Essen satanische Gesetze und Bücher den Jugendlichen häufig bekannt seien. Der Satanismus vertrete "ein sehr verachtendes Menschenbild", indem er das Recht des Stärkeren verherrliche und soziale Verpflichtungen ablehne. Riede ist dennoch gegen Verbote, etwa von Büchern. "Das macht es dann nur noch interessanter. Wichtiger ist es, die Jugendlichen besser aufzuklären, um das Geheimnisvolle zu entzaubern."

Verwünschungsrituale mit prompten Folgen

Für den bekennenden Satanisten Lars sind die jungen Teufelsverehrer allerdings nur "Pseudo-Satanisten". Wahre Satanisten glaubten nicht an den Teufel und verehrten diesen nicht, sagt er. Satan sei nur ein Bild für Egoismus und das Fehlen moralischer Normen. Der 33-Jährige ist seit drei Jahren Mitglied der "Church of Satan" (COS) und überzeugter Anhänger von Anton S. LaVey, der die Kirche vor 40 Jahren in San Francisco gegründet hat. Inzwischen gibt es auch in Deutschland einige hundert Mitglieder.

Die Nachwuchs-Satanisten treffen sich meist auf Friedhöfen, um dort "schwarze Messen" zu feiern - eine Ironisierung des katholischen Gottesdienstes. Andere halten Rituale in dunklen Kellern ab. Der 20 Jahre alte "Morpheus", wie sich der Satanist selbst bezeichnet, hat nach eigenen Angaben schon einmal an einem Verwünschungsritual teilgenommen, bei dem ein junger Mann verflucht worden sei. Einige Tage später sei dieser dann in einen Autounfall verwickelt worden, behauptet "Morpheus".

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Wahrnehmungsstörungen und Realitätsentfremdung

Nach Ansicht des Kirchen-Beauftragten Christiansen sind vor allem "Menschen mit Persönlichkeitsdefiziten" für Jugendsatanismus anfällig. "Die Jugendlichen sehen das als Möglichkeit, auf einfache Weise an Macht zu kommen. Sie glauben, dass sie durch die magische Praxis eine Ich-Aufwertung erleben." Die Teufelsanhänger scharten ein paar Gleichgesinnte um sich und agierten so als religiöse Führer. Meist müssten die Mitglieder auch ein Schweigegelübde ablegen.

Betroffene haben den Experten zufolge mit großen Problemen zu kämpfen. "Da kann es zu Wahrnehmungsstörungen und zur Realitätsentfremdung kommen", erklärt Christiansen. Aussteiger haben oft auch psychische Probleme, wie der Psychologe Dieter Rohmann berichtet - er betreut Satanismus-Opfer. Oft litten die Betroffenen unter seelischen Störungen und berichteten davon, gefoltert worden zu sein. Die meisten dieser Geschichten seien allerdings nicht wahr, schränkt der Psychologe ein. Aber: "Es gibt aber auch ernst zu nehmende Fälle." So sei eine Patientin über mehrere Jahre hinweg misshandelt und vergewaltigt worden. Nach ihrem Ausstieg aus dem Satanismus habe sie in eine andere Stadt ziehen müssen, da sie von Gruppenmitgliedern verfolgt und mit dem Tod bedroht wurde.

Nur wenige solcher Fälle sind bekannt, allerdings werden auch nicht alle Straftaten im Zusammenhang mit Satanismus systematisch erfasst. "Eine flächendeckende Erhebung solcher Delikte gibt es bei der Polizei bundesweit nicht", stellt Wolfgang Bauch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter fest. Er fordert daher, eine zentrale Meldestelle für entsprechende Straftaten einzurichten.

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Tobias-Benjamin Ottmar/DPA

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