Hannover hat sich gemausert. Früher galt die Stadt als unscheinbar, war höchstens als Ort der Computermesse Cebit bekannt, oder weil dort irgendwann mal eine Weltausstellung stattgefunden hat. Doch im letzten Jahr stand die niedersächsische Landeshaupt gleich mehrfach im Blickpunkt: der langjährige Landesvater Christian Wulff wurde Bundespräsident, Lena Meyer-Landrut gewann den Eurovision Song Contest und der ortsansässige Club Hannover 96 stürmte nach vielen mageren Jahren furios durch die erste Bundesliga. Nun kommt allerdings eine wenig schmeichelhafter Titel hinzu: Hannover ist die lauteste Stadt Deutschlands.
Herausgefunden haben dies Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) im Auftrag der Stiftung eines großen Hörgeräteherstellers. Für das erste deutsche Städtelärmranking haben die Forscher die Lärmbelastung in 27 deutschen Städten mit mehr als 250.000 Einwohnern ausgewertet. Und dabei kam heraus, dass in Hannover im Tagesmittel auf fast 70 Prozent der Stadtfläche eine Lärmbelastung von mindestens 55 Dezibel (dB) vorherrscht. Einsame Spitze, so viel Krach ist sonst nirgendwo.
Frankfurt auf Platz zwei
Hannover hängt damit sogar diejenigen Städte ab, die gemeinhin in Verdacht stehen, besonders viel Lärm zu produzieren: das Zweitplatzierte Frankfurt am Main beispielsweise mit seinem Großflughafen (65,6 dB). Oder die Metropolen Köln, Berlin und München, die hintereinander auf den Plätzen fünf bis sieben auf der Lärmskala landen. Überraschend weit vorn im Ranking finden sich dagegen die Christkindl-Stadt Nürnberg und auch das ansonsten als so verschwiegen geltende Bonn.
Ihre Ergebnisse stützen die Wissenschaftler auf Lärmkarten, die von den Städten seit 2007 selbst erstellt werden. Daran lässt sich ablesen, welche Fläche einer Stadt den Tag und die Nacht über von Lärm von Verkehr, Industrie und Gewerbe belastet ist. Im Bezug zur jeweiligen Gesamtfläche ergibt sich die Rangfolge der Orte, auch die lautesten Plätze innerhalb der Städte können so ermittelt werden. Als Lärmquelle mit der größten Flächenwirkung entpuppt sich dabei der Straßenverkehr, gefolgt vom Schienenverkehr.
Für eine bessere Hörkultur
"Die Studie zeigt, wie stark Großstädte und damit auch die Menschen in diesen Städten von Lärm belastet sind", sagt Gottfried Diller, Vorstandsvorsitzender der Geers-Stiftung. "Einige Städte sind dabei ruhiger als andere, da sie scheinbar viele 'Rückzugsgebiete' bieten, in denen sich Menschen vom Lärm erholen können." Die Unterschiede zwischen den Städten resultieren dabei auch aus über Generationen gewachsenen urbanen Strukturen, sodass eben nicht gilt, dass größere Städte zwangsläufig stärker lärmbelastet sind.
Mit der Studie will die Stiftung für das Thema Lärm in Städten sensibilisieren, damit hierzulande eine "bessere Hörkultur" entwickelt wird. Prioritäten hat aber zunächst der Lärmschutz, vor allen in städtischen Brennpunkten mit Geräuschpegeln von über 75 dB. Auswirkungen auf die Betroffenen, so Studienleiter Philip Leistner, seien an diesen Orten unvermeidlich.
Wer den Lärm satt hat, aber trotzdem nicht auf das Großstadtleben verzichten möchte, dem sei ein Umzug nach Münster empfohlen. Die 280.000-Einwohner-Stadt in Westfalen liegt mit 16,7 dB am Ende des Rankings - und ist damit im Vergleich zu Hannover ein Hort der Stille.