Letzte Generation Auf der Überholspur in Richtung Bedeutungslosigkeit

Protestaktion der "Letzten Generation" in Heidelberg
Protestaktion der "Letzten Generation" in Heidelberg: "Welcher Kämpfer gibt schon freiwillig sein schärfstes Schwert aus der Hand?"
© Daniel Kubirski / Imago Images
Mit einer neuen Proteststrategie wollte die Letzte Generation den Frühling beginnen. Doch die Gruppe döst offenbar noch im Winterschlaf. Wenn das so weitergeht, dann droht ein Abgang mit Ansage.

Eigentlich wollte die Letzte Generation darüber sprechen, wie es in diesem Jahr mit ihr weitergeht. Am Ende hat sie einmal mehr bewiesen, wie entbehrlich ihre Protestaktionen sind – sofern man überhaupt noch von Protest sprechen kann. 60 Minuten lang schwadronierten Sprecherin Carla Hinrichs und vier Mitstreiter auf einer Pressekonferenz über politische Versäumnisse der Ampel und forderten mehr Ehrlichkeit von Scholz und Co. Ausgerechnet der Bundespräsident soll es nun richten – bestenfalls mit einer Rede an die Nation, in der er sich hinter die Erklärung der Letzten Generation stellt und die politische Verlogenheit in der Klimadebatte beendet.

Es ist naiv zu glauben, dass sich Frank-Walter Steinmeier sofort hinters Mikro klemmt, nur weil eine Handvoll Klimaaktivisten dies vor seiner Residenz fordert. Und selbst wenn er es täte: Was sollte sich ändern? Dass der Klimawandel den Planeten bedroht, ist nichts Neues. Dazu wurde schon (fast) alles gesagt – auch vom Bundespräsidenten. Was wir brauchen, sind Lösungen. Aus Berlin kommt dazu herzlich wenig, da hat die Letzte Generation Recht. Dass ein staatlicher Repräsentant die Ampel-Regierung zu radikalen Klimaschutzmaßnahmen nötigt, ist mehr als unwahrscheinlich. 

Der Abgesang auf die Letzte Generation hat begonnen

Was die Aktivisten vor dem Schloss Bellevue als "Strategiewechsel" verkauften, ist mehr Kapitulation denn Kampfansage. Strategisch klug war es auch nicht – angesichts der groß angekündigten Frühlingsproteste am kommenden Wochenende in mehreren deutschen Städten. Den großen Aufschlag werden sie ohnehin nicht liefern, den haben die Fridays for Futures schon lange vorweggenommen, als ihnen weltweit Millionen bei Protestmärschen folgten. Und auch jetzt ist die Schülerbewegung den Ex-Klebern einen Schritt voraus: Während die Letzte Generation eine ehemals bewährte, mittlerweile aber doch abgelatschte Protestform für sich entdeckt, vernetzt sich FFF gesellschaftlich – ein "bottom-up"-Protest, wie er eigentlich bei der Letzten Generation groß geschrieben wird. Ob FFF zusammen mit Verdi die Mobilitätswende erstreiten kann, sei dahingestellt. Fortschrittlicher ist der Versuch aber allemal.

Als sich die Letzte Generation im Januar vom Kleber löste, klang es schon mehr nach Abschied als nach Aufbruch. Die Klimaaktivisten gaben sich zwar kämpferisch, doch wer sie schon mit Superkleber an den Händen nicht richtig ernst nehmen konnte, der konnte es nach der Ansage noch weniger. Welcher Kämpfer gibt schon freiwillig sein schärfstes Schwert aus der Hand? Auch viele Medien stimmten deshalb in den Abgesang auf die Letzte Generation ein.

Die Klimaaktivisten müssen wieder aufwühlen

Mag sein, dass die Letzte Generation nicht sofort sang- und klanglos von der Bildfläche verschwindet. Den Weg Richtung Bedeutungslosigkeit hat sie allerdings schon eingeschlagen. Zwar warb die Letzte Generation auf ihrer Website zuletzt mit einem Countdown für ihr "neues Kapitel" im Klimakampf. Auf der Pressekonferenz vor dem Schloss Bellevue wurde aber nicht einmal eine Seite umgeblättert.

Einst galt die Letzte Generation als radikal, weil sie polarisierte und sich mit der Justiz anlegte. Heute kämpft sie um gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Dass sich die Aktivisten noch mehr Ärger mit Polizei und Richtern einhandeln, wolle man aber verhindern, betonte Hinrichs bei der Pressekonferenz. Der Frage, wie es mit dem Protest weitergehen solle, wich sie dabei aus: "Ich würde mir wünschen, dass wir in diesem Jahr an einen Punkt kommen, an dem der Protest nicht mehr nötig ist", sagte sie lediglich. Unrealistisch ist das nicht. Wenn die Letzte Generation so weiter macht, dann dürfte dieser Wunsch bestimmt schnell in Erfüllung gehen – allerdings nicht, weil die Ampel-Regierung die Klimakrise löst, sondern weil die Klimaaktivisten mit ihrem Protest versagt haben.