Fragen und Antworten Ziemlich beste Partner: Worum es beim Besuch der chinesischen Delegation geht

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Chinas Ministerpräsident Li Qiang
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigt Chinas Ministerpräsidenten im Schloss Bellevue, wo es lang geht. Es ist Li Qiangs erster Auslandsbesuch seit seiner Ernennung im März
© Kay Nietfeld / DPA
Reichlich Händeschütteln und noch mehr Misstrauen: Das sind die Grundzutaten für den Antrittsbesuch von Chinas Ministerpräsident Li Qiang in Berlin. Die Regierungsvertreter wollen die Köpfe zusammenstecken – man will einander wieder näher kommen. Ein Überblick.

"Gemeinsam nachhaltig handeln" – so lautet das Motto der 7. deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Es gibt viel zu besprechen, doch die Vorzeichen könnten besser sein. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Worum geht bei den Konsultationen?

Fünf Jahre ist es her, dass deutsche und chinesische Delegationen das letzte Mal in persona trafen. Für Li Qiang ist es die erste Auslandsreise seit seinem Amtsantritt als Ministerpräsident im März. Der chinesische Regierungschef reist gemeinsam mit neun weiteren hochrangigen Beamten an. Li gilt als einer der engsten Vertrauten von Staatschef Xi Jinping. Um Vertrauen soll es auch bei den Regierungskonsultationen gehen – um Vertrauen und Wohlstand. 

Er hoffe auf ein "starkes positives Signal für stabile internationale Industrie- und Lieferketten sowie Weltfrieden und -prosperität", hieß es in einer von der chinesischen Botschaft vorbereiteten Erklärung. Bundeskanzler Olaf Scholz formulierte es hanseatisch nüchtern. Er erwarte ein "ganz wichtiges Arbeitstreffen".

Wie sieht der Zeitplan aus?

Los ging es bereits am Montagvormittag mit einem Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue.

Abgesehen davon heißt es in Steinmeiers Terminkalender lediglich "Bildtermin bei Eintrag ins Gästebuch".  

Gehaltvoller dürfte es erst am Abend werden. Um 18 Uhr empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz Li im Kanzleramt zum Abendessen. Was aufgetischt wird – an Speisen und Inhalten – ist noch nicht bekannt.

Die eigentliche Arbeit beginnt erst ab Dienstag. Zunächst begrüßt Scholz den hochrangigen Gast aus Fernost um 10 Uhr noch einmal offiziell – mit militärischen Ehren, versteht sich. Anschließend geht es ans Eingemachte. Nach Abschluss der Konsultationen treffen sich Li und zwei seiner Minister mit Scholz im Wirtschaftsministerium bei Robert Habeck, wo sie mit Unternehmensvertretern zusammenkommen.

Am Abend reist die chinesische Delegation dann weiter nach München. Hier trifft sich Li mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Am Mittwoch sagen die Gäste Lebewohl. 

Wer ist Li Qiang?

Li soll Chinas Regierungsgeschäfte in den kommenden fünf Jahren führen. Auf dem Papier ist der Ministerpräsident nach dem Präsidenten der zweitmächtigste Mann im Land. Tatsächlich aber mimten Lis Vorgänger in den vergangenen zwei Jahrzehnten eher Macht, als dass sie sie wirklich gehabt hätten. Die Partei ist de facto die Regierung – und ihr Generalsekretär somit der unumstrittene Herrscher. Allerdings dürfte Li seinen Vorgängern etwas voraus haben: Er gilt als Günstling Xis. Ob er sich dadurch Chancen auf Xis Nachfolge ausrechnen kann, darüber streiten Experten.

Vor seiner Amtseinführung war der heute 63-Jährige Gouverneur und Parteichef der wirtschaftsstärksten Provinzen Jiangsu, Zhejiang und Shanghai. Während der Coronapandemie war Li für den dreimonatigen strengen Lockdown in Shanghai verantwortlich. Schlecht für die Beliebtheit beim Volk – gut für das Vertrauen der Parteiführung. Li gilt zudem als großer Freund der Privatwirtschaft im – theoretisch – weiterhin kommunistischen China.

Wie steht es um die deutsch-chinesischen Beziehungen?

Nun dürfte die Stimmung bei den Verhandlungen trotz vorhergesagter Hitze in Berlin recht kühl sein. Schließlich sind die deutsch-chinesische Beziehungen derzeit einfach schlecht. Oder, wie es die deutschen Botschaften in China formulierten: "so intensiv wie nie zuvor".

Erst vergangene Woche hatten die Bundesregierung die lang erwartete Nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt. Darin hatte man vereinfacht gesagt alles, was Deutschland jetzt und in absehbarer Zukunft bedrohen könnte, einmal zusammengetragen. Ein wichtiger Punkt: die Abhängigkeit von China. Die Volksrepublik ist weiterhin Deutschlands Handelspartner Nummer eins. Ein Partner, von dem man sich gerne lösen möchte. Schon die Gruppe der sieben großen Industriestaaten (G7) hatte bei ihrem Gipfel im Mai beschlossen, sich unabhängiger von der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zu machen. Die EU nannte China zwar einen "Partner" – aber eben auch einen "Wettbewerber" und einen "systemischen Rivalen". 

Auch das zuletzt zerrüttete Verhältnis zwischen Peking und Washington stellte die deutsch-chinesischen Beziehungen auf die Probe. In dieser Hinsicht gibt zumindest vage Hoffnung auf Entspannung. Als erster US-Außenminister seit fünf Jahren war Anthony Blinken dieser Tage nach China gereist. Dort hätte man "bei bestimmten Themen Einigungen erzielt", sagte Xi am Montag nach einem rund halbstündigen Treffen in Peking.

Schließlich steht da auch noch ein Elefant im Raum. Mit seinem inzwischen fast 16-monatigen Angriffskrieg in der Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin auch das ohnehin wackelige Verhältnis des Westens zu China erschüttert. Dass der Aggressor trotz massiver Sanktionen der USA und Europas seinen Krieg überhaupt weiterführen kann, liegt schließlich auch am Wohlwollen der Volksrepublik.

Dann wäre da natürlich auch noch der Kampf gegen den Klimawandel. Zieht China hier nicht mit, ist ein Sieg ausgeschlossen.

Kurzum: Es geht nicht mit und nicht ohne Peking. Das ist ein vermutlich ein Jahrhundertdilemma, das man sicher nicht an einem Tag wird lösen können. Aber das werden die Gesprächspartner selbst wissen.

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