Die Frau und ihr Ehemann kamen als Flüchtlinge aus Syrien nach Brandenburg. Jetzt will sich die Muslimin vor dem Amtsgericht Luckenwalde von ihrem Gatten scheiden lassen. Für den ersten Verhandlungstermin erhielt sie vom zuständigen Richter aber eine überraschende Anweisung: Er untersagte ihr, mit Kopftuch vor Gericht zu erscheinen. Der Richter schrieb der Berliner Anwältin der Syrerin, Najat Abokal: "Es wird darauf hingewiesen und zugleich um Beachtung gebeten aus gegebenem Anlass, dass religiös motivierte Bekundungen wie Kopftuch" im Gerichtssaal und während der Verhandlung "nicht erlaubt werden“. Das berichtet der "Tagesspiegel" aus Berlin.
Der Richter hat der Syrerin aber die Möglichkeit gegeben, sich von ihrer Anwältin in der Verhandlung vertreten zu lassen. Für Richter und Staatsanwälte gilt in Brandenburg zwar das Neutralitätsgebot. Das heißt, sie dürfen keine religiösen Symbole vor Gericht tragen. Wer aber als Privatperson vor Gericht erscheint, zum Beispiel als Kläger, für den gilt das Neutralitätsgebot nicht.
Juristen halten Kopftuch-Anweisung für Skandal
Viele Juristen halten die Anweisung des Luckenwalders Richters für einen Skandal. Der Staatsrechtler Klaus F. Gärditz, Professor für öffentliches Recht an der Friedrich-Wilhelms Universität Bonn, hat den Fall kommentiert. Laut dem "Tagesspiegel" wirft er dem Richter groben Missbrauch des richterlichen Ermessens vor. Die Justiz dürfe "keine Ressentiments eines provinziellen Alltagsrassismus und -sexismus mit prozessualen Mitteln fortsetzen", zitiert das Blatt aus einem Artikel des Juristen. Und weiter: Hier werde die Religionsfreiheit der Syrerin verletzt. Um vor Gericht zu erscheinen und Nachteile im Verfahren zu vermeiden, müsste sie sich entblößen. "Die damit verbundene sexistische Demütigung ist greifbar", urteilt Gärditz.
Nur ein extremes Äußeres, das vollkommen von der Norm abweicht, wie Badehose oder Clowskostüm, kann der Richter untersagen, weil es als Störung der Ordnung ausgelegt werden kann. Auch Rocker dürfen nicht mit ihren Abzeichen vor Gericht erscheinen. Ohne es offen zuzugeben, soll die Entscheidung des Luckenwalder Richters unter Juristen und im Potsdamer Justizministerium als sehr fragwürdig gelten. In der Konsequenz bedeutete das, dass auch Ordensschwestern nicht in ihrer Tracht oder ein orthodoxer Jude mit einer Kippa auf dem Kopf vor dem Gericht erscheinen dürften.
Die Anwältin der Syrerin hat gegen die Untersagung offiziell protestiert. Noch gibt es keine Antwort des Richters. Der Termin vor Gericht wurde aber vorerst verschoben.
