Wohnung gesucht – Umzugsgeschichten Saba war Kinderbuch-Illustratorin im Iran. Dann zeichnete sie die Opfer des Regimes – und kam ins Gefängnis

  • von Gerrit-Freya Klebe
Pinsel und Farben liegen auf dem Tisch
Pinsel und Farben hat Saba Soleymani in ihrem Koffer mit nach Deutschland gebracht
© Erstellt mithilfe der AI von Canva
Saba Soleymani war im Iran im Gefängnis. Nun sucht sie eine Wohnung in Hamburg. Auch, um sich davon erholen zu können.

Als Saba Soleymani, 39, im Jahr 2023 aus dem Iran floh, hatte sie nur einen Koffer dabei. Darin Wasserfarben, Papier, Pinsel. Ihre wärmsten Wintersachen. Denn in Deutschland kann es kalt werden, das wusste sie. So viel kälter als in Teheran, in der iranischen Stadt gibt es keine Minusgrade.

Auch ihr iPad nahm sie mit und drei kleine Kinderbücher, die sie einst darauf gezeichnet hat. Die liest sie nun den Kindern vor, mit denen sie zusammenlebt, in Hamburg in der Flüchtlingsunterkunft. Manche von ihnen zeichnet sie auch. Denn Zeichnen ist das, wofür Saba Soleymani lebt.

Doch Zeichnen ist auch das, was Saba Soleymani fast das Leben gekostet hätte.

Saba Soleymani
Saba Soleymani hat im Iran als Kinderbuch-Illustratorin gearbeitet, dort hatte sie ein eigenes Studio
© privat

Als Illustratorin war Saba im Iran bekannt, illustrierte die dortige Version von "Little People, Big Dreams", sie hatte Ausstellungen, designte T-Shirts. Dann begannen die Proteste im Iran. Und Saba wollte nicht mehr unpolitisch sein. Sie tat das, was sie am besten kann: zeichnen. 

Zuerst Mahsa Amini, das vielleicht bekannteste Opfer des Regimes. Danach folgten noch dutzende andere. Saba veröffentlichte die Zeichnungen auf ihrem Instagram-Account, versah sie mit englischen Texten. Sie wollte, dass sie sich verbreiten, dass die Welt davon erfährt.

Eines morgens um 4 Uhr standen plötzlich mehrere Männer vor ihrer Tür. Sie wurde abgeholt und ins Gefängnis gebracht. Zwei Monate musste sie dort bleiben. Saba berichtet von Verhören, die über viele Stunden gingen. Immer wieder wurden ihr dieselben Fragen gestellt. Warum die Zeichnungen, warum die englischen Texte.

In der Zeit nahm Saba neun Kilogramm ab. Sie sagt, sie habe Wasser fast nur aus der Toilette getrunken. Zu groß war die Angst, dass man sie im Essen vergiften könnte. Jedes Mal, wenn sie eine Tür aufgehen hörte, dachte sie, ihr passiert etwas Schlimmes. Sie wusste, dass andere Frauen vergewaltigt wurden. Saba lebte in ständiger Furcht.

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Saba Soleymani
Saba Soleymani mit ihrer Hündin Debbie, die sie als ihre "kleine Tochter" bezeichnet
© privat

Die Eindrücke und Gefühle lassen sie nicht mehr los. In der Hamburger Flüchtlingsunterkunft muss sie sich ihre Tage selbst gestalten. Fast täglich geht sie in die Bibliothek, um dort zu zeichnen, und um die deutsche Sprache zu hören. Wenn das Wetter gut ist, setzt sie sich in den Park. Sie sagt, sie sucht täglich nach Zeichen in ihrem Leben. Nach etwas, an dem sie sich festhalten kann. Saba Soleymani schaut nach einer Wohnung in Hamburg. Ein neues Zuhause würde ihr helfen, ihr Trauma zu verarbeiten.

"Warum wollen Sie umziehen?" Die Antworten auf diese Frage sind so vielfältig und spannend wie der Wohnungsmarkt selbst. In dieser Serie lässt der stern jede Woche Menschen erzählen, warum sie eine neue Wohnung suchen.

Ihre Eltern und ihre Schwester sind noch im Iran, auch ihre Hündin Debbie vermisst Saba sehr. Sie glaubt, noch immer kontrolliert zu werden. Aus Furcht um ihre Familie zeichnet sie nicht mehr die Opfer des Regimes. Man hat ihren Schwachpunkt gefunden – und sie stillgeschaltet.  

Suchen auch Sie eine neue Wohnung und wollen Ihre Umzugsgeschichte erzählen, gern auch anonym? Haben Sie Kritik, Anregungen, Wünsche an die Serie? Schreiben Sie der Autorin eine E-Mail an: gerrit-freya.klebe@t-online.de