Ein 22-Jähriger stirbt wenige Wochen, nachdem er sich in einem provisorischen und nicht angemeldeten Tattoostudio tätowieren lässt. Das Amtsgericht Korbach hat den Tätowierer nun vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen.
Dem 40-Jährigen war vorgeworfen worden, im März 2022 in seiner Wohnung im Landkreis Waldeck-Frankenberg unter desolaten hygienischen Bedingungen den Unterarm des später Verstorbenen tätowiert zu haben. So soll er laut Staatsanwaltschaft unter anderem Einmalhandschuhe mindestens einmal während des Tätowierens abgelegt und später wiederverwendet zu haben.
Der 22-jährige Bekannte des Angeklagten hatte nur wenige Tage später eine Bakterieninfektion entwickelt. In der Folge war es zu einem septischen Multiorganversagen gekommen, das drei Wochen später zum Tod des jungen Mannes führte. Zuvor waren ihm beide Unterschenkel amputiert worden.
Keine Verletzung der Sorgfaltspflicht nachweisbar
Für das Gericht stehe zwar fest, dass die bakterielle Infektion durch das Tätowieren durch den Angeklagten ausgelöst worden sei, erklärte der Vorsitzende Richter. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Tätowierer sei allerdings nicht nachzuweisen. "Wir haben verschiedene Möglichkeiten, wie die Infektion entstanden sein könnte. Wir werden leider nie herausfinden, wie die Bakterien übertragen wurden", führte er aus.
Für eine Verurteilung hätte eine Sorgfaltspflichtverletzung für den Tod des 22-Jährigen ursächlich gewesen sein müssen. Das aber habe nicht nachgewiesen werden können. "Es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass die Bakterien über die Atemluft übertragen wurden", erklärte er.
Dabei handele es sich aber nicht um eine Verletzung der Sorgfaltspflicht, weil der Gesetzgeber das Tragen einer Maske beim Tätowieren nicht vorschreibt. "Dieses Verfahren dürfte vielleicht dazu beitragen, eine gewisse Sensibilisierung nicht nur in der Szene, sondern auch bei dem Verordnungsgeber mal in den Raum zu stellen", sagte der Vorsitzende Richter.
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Mobiltelefone mit Handschuhen angefasst
Neben der Wiederverwendung der Einmalhandschuhe hatte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten unter anderem vorgeworfen, mit den Handschuhen mehrfach sein eigenes Mobiltelefon sowie das des Verstorbenen und einen Drucker angefasst zu haben. Danach habe er die Handschuhe jeweils nicht erneut desinfiziert.
Die Staatsanwaltschaft hatte deshalb eine Freiheitsstrafe von neun Monaten zur Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro gefordert. Der Nebenklägervertreter hatte sich ebenfalls für eine neunmonatige Bewährungsstrafe ausgesprochen. Zudem hatte er die Zahlung von Schmerzens- sowie Hinterbliebenengeld an die Mutter des Verstorbenen in Höhe von jeweils mindestens 10.000 Euro sowie die Übernahme etwaiger Unterhaltspflichten des Verstorbenen gegenüber dessen Mutter beantragt.
Angeklagter äußerte sich nicht
Die Verteidigung des 40-Jährigen hatte auf Freispruch plädiert. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Bakterien auf unterschiedliche Art und Weise übertragen worden sein könnten, sowohl durch den Angeklagten als auch durch den Verstorbenen selbst, argumentierte sie. Zudem sei der gesamte Verlauf der Infektion so ungewöhnlich und unvorhersehbar gewesen, dass der Tod des 22-Jährigen dem Beschuldigten nicht anzulasten sei.
Der Angeklagte selbst hatte sich nicht geäußert. "Ich kann nichts sagen", erklärte er. Er habe sich entschuldigen wollen, ergänzte seine Verteidigerin. Darauf sei aber verzichtet worden, weil das von der Gegenseite nicht gewünscht gewesen sei und man nicht übergriffig habe sein wollen. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.