Volle Einkaufstüten, volle Gänge – und oftmals auch volle Hände bei Dieben: Mit einem erstmals landesweit organisierten Aktionstag zeigen Polizei und Einzelhandel in Hessen, dass sie Taschen- und Ladendiebstahl entschlossen entgegentreten wollen. Unter dem Motto "Augen auf, Tasche zu" rückt die Vorbeugung gegen Diebstähle in Supermärkten und anderen Geschäften in den Mittelpunkt.
An über 100 Ständen sind am Freitag rund 120 speziell geschulte Schutzleute vor Ort im Einsatz. Sie erklären Passanten, wie professionell Taschendiebe vorgehen, warum besonders ältere Menschen ins Visier geraten – und welche einfachen Kniffe Kunden schützen können.
Diebe nutzen Unachtsamkeit
"Wir wollen die Menschen beraten, wie sie selbst Vorkehrungen treffen können, dass sie nicht Opfer von Taschendieben werden", sagte Innenminister Roman Poseck (CDU) bei einem Rundgang durch ein Fuldaer Einkaufszentrum. Er sprach von einer wichtigen Initiative gerade im Trubel der Vorweihnachtszeit, in der Diebe jede Unachtsamkeit ausnutzten, um Handtaschen, Geldbörsen oder Smartphones zu entwenden.
Laut Innenminister ist die Zahl der Taschendiebstähle zuletzt zurückgegangen. Im vergangenen Jahr seien von Januar bis Oktober in Hessen 5.400 Taschendiebstähle registriert worden. Im Vergleichszeitraum in diesem Jahr waren es demnach 4.400 - also ein Rückgang von etwa 1.000. Das sei zwar eine tolle Entwicklung, sagte Poseck. "Trotzdem ist natürlich jeder Taschendiebstahl noch einer zu viel. Wir wollen die Zahlen weiter senken und deshalb haben wir heute auch diesen Aktionstag."
Ältere sind besonders gefährdet
Ein Schwerpunkt der Aktion seien ältere Kundinnen und Kunden, die beim Einkaufen häufig von Tätern gezielt ausgesucht würden, sagte Poseck weiter.
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Der Innenminister wies auch auf das Problem Ladendiebstähle hin, die ebenfalls im Blickpunkt des Aktionstages stehen. Diese verursachten enorme Kosten, die am Ende die Allgemeinheit zu tragen habe. "Deshalb haben wir alle ein Interesse daran, dass wir Ladendiebstähle und Taschendiebstähle reduzieren und alles unternehmen, dass es gar nicht erst zu solchen Taten kommt."
Kosmetika und Alkohol bei Langfingern gefragt
Die Zahlen des Handelsverbands Hessen zeichnen ein düsteres Bild. 2023 und 2024 wurden demnach bundesweit jeweils fast 400.000 Fälle von Ladendiebstahl und damit Höchststände registriert. In Hessen gab den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 27.785 von der Polizei erfasste Fälle.
Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Experten schätzen, dass rund 90 Prozent der Diebstähle unentdeckt bleiben. Besonders betroffen sind Waren, die schnell im Alltag benötigt oder leicht weiterverkauft werden können: Kosmetika, Lebensmittel, Getränke, Kleidung, Alkohol, Tabak.
Drei Milliarden Euro Schaden durch Ladendiebstähle pro Jahr
Die Folgen sind enorm: Rund drei Milliarden Euro Schaden entstehen laut Handelsverband Hessen jährlich bundesweit im Einzelhandel – eine Belastung, die viele Unternehmen zusätzlich in Sicherheitsdienste investieren lässt. "Der Handelsverband fordert, dass Delikte im Handel konsequent verfolgt werden", sagte Projektleiter Benjamin Becker. "Wir begrüßen es, dass Staatsminister Poseck das Ganze zur Chefsache macht und kontinuierlich daran arbeitet."
Ulrich Jökel und Dennis Metz, die beiden Schutzleute des Polizeipräsidiums Osthessen, die an diesem Tag einen Infostand in dem Einkaufszentrum aufgebaut haben, berichten von durchweg positiven Reaktionen der Kundinnen und Kunden, mit denen sie gesprochen haben. Viele erzählten, was sie selbst mit Dieben erlebt hätten, sagte Metz. Durch die Aktion fühlten sich die Menschen mit ihren Sorgen ernst genommen, sagte er. "Wir geben Hinweise auf gefährliche Situationen wie zum Beispiel Staus bei Rolltreppen oder Anrempeln."