Ein Selfie mit Serienstar Jan Stapelfeldt alias Julius Böttcher ist der Höhepunkt des Ausflugs für Claudia Speit. Die 54-Jährige aus der Nähe von Paderborn ist glühender Fan der "Roten Rosen" und hat eine spezielle Themenführung durch Lüneburg gebucht. Die Gruppe mit zwei Dutzend Interessierten muss auf dem Marktplatz einen kleinen Umweg nehmen – wegen aktueller Dreharbeiten für die 24. Staffel der ARD-Telenovela. Es werde jeden Tag eine Folge gedreht, berichtet Stadtführer Horst Mietzner.
Die Einheimischen störe es nicht, wenn sie manches Mal ihre Autos umparken müssten, weil die Altstadt vom Filmset eingenommen wird. Mietzner gibt sein Wissen seit 25 Jahren mit viel Wortwitz auf den Rundgängen preis. Etlichen neuen Schauspielerinnen und Schauspielern zeigte er die Umgebung und wurde mehrmals spontan als Komparse verpflichtet, wenn jemand am Set ausfiel, berichtet er. Das Honorar sei nicht besonders hoch gewesen, dafür lernte er viel über das Filmgeschäft.
Der Legende nach stamme der Name der Serie von den vielen Rosen im mittelalterlichen Stadtbild, erzählt der 85-Jährige seinen Gästen. Es habe sogar eine Bürgerinitiative gegeben, die sich einst für einen Rosenstrauch vor jedem Haus eingesetzt habe.
Die Altstadt mit den Backstein-Giebelhäusern ist vielen aus dem Fernsehen vertraut. Thomas Paly ist extra aus Zug in der Schweiz angereist, um sich die Orte seiner Lieblingssendung anzuschauen. "Lüneburg ist in Natur noch viel schöner", meint der 65-Jährige.
Lüneburg als Star der Serie
Sieben Millionen Tagestouristen reisen jedes Jahr an – einen großen Anteil daran haben die "Rosen"-Fans. "Etwa 30 Prozent der Interessenten für Übernachtung oder Stadtführung kommen wegen der Rosen", sagt Melanie-Gitte Lansmann von der Lüneburg Marketing GmbH. Das mache etwa 150.000 Übernachtungen aus. Seit fast 20 Jahren ist die Serie ein Hauptgewinn für das Marketing der kleinen Stadt.
Seit diesem Sommer gibt es sogar einen offiziellen Fotopoint auf der Brausebrücke mit Blick auf die Ilmenau und dem mondänen Hotel Bergström (in der Serie Drei Könige) an der Seite. Vor dem Logo der Telenovela drängeln sich die Besucher.

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Sommer wie winters ist hier kaum ein Durchkommen, doch das stört "Rosen"-Produzent Jan Diepers nicht. "Ich glaube, dass die Serie ohne Lüneburg in der Qualität nicht möglich wäre", sagt der 54-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, "die Stadt ist für uns das ideale Freilichtstudio".
Für die nächste Staffel habe man die Außenansichten sogar verdoppelt – weil es so gut ankommt. Die Kneipendichte in der 80.000-Einwohner-Stadt ist hoch, die zahlreichen Restaurants sind gut besucht. Da profitieren die Einheimischen von den vielen Auswärtigen. "Die Leute sind stolz auf ihre "Rosen", sie beschweren sich nicht, wenn wir drehen", erzählt Diepers. Im Sommer nächsten Jahres soll das 20-jährige Jubiläum der "Rosen" in der ganzen Stadt gefeiert werden, die Planungen laufen bereits.
Die Serie will moderner werden
Bis mindestens Anfang 2027 sind die Dreharbeiten im Norden Niedersachsens gesichert, ob es dann mit Staffel 26 weitergeht, wird die ARD zu gegebener Zeit entscheiden. Diepers – seit 2020 dabei – ist optimistisch: "Gerade in einer Zeit wie jetzt sind wir beliebt, die Leute wollen etwas Schönes." Während er jahrelang am Wochenende nach Berlin gependelt ist, könnte für ihn nach dem Auszug der Kinder demnächst sogar ein Umzug an die Ilmenau anstehen.
Seine Pläne für die Wochentags-Serie sind vielfältig. Während in den früheren Staffeln Frauen über 40 und ihr Leben im Mittelpunkt standen, werden mit neuen Figuren zusätzlich nun auch jüngere Generationen angesprochen. "Wir erzählen die Geschichten von drei Generationen von Frauen", berichtet Diepers. So drehe man derzeit bereits die Folgen zum Weltfrauentag für den 8. März 2026. Und die Männer? "Sie müssen bei uns akzeptieren, dass sie nur unterstützen."
Marktanteil bei zehn Prozent
Eine tägliche Serie solle das Leben der Bevölkerung widerspiegeln, alles andere wirke künstlich, meint er. Das jüngere Publikum schaue häufiger in der Mediathek, das Mediennutzungsverhalten sei dabei sich zu verändern. Auch deswegen sei die Zuschauerzahl der linearen Sendung inzwischen auf eine Million gesunken, die Mediathek-Anteile würden nicht veröffentlicht. Der Marktanteil betrage nach wie vor etwa zehn Prozent.
Geändert habe sich einiges auch am Set. Wegen der langen Zeit der Serie sei man in der Lage gewesen, vieles im Voraus zu planen. So habe man in eine Flotte von E-Autos investiert, um nachhaltiger zu werden. Zudem seien die Dieselaggregate unter anderem für die Beleuchtung bei den Außendrehs durch Batterien ersetzt worden. Und auch die Küche konnte sparen: immer mehr vegetarisches Essen für die Crew sei preiswerter als Fleischgerichte.