Der Wasserbedarf in Sachsen-Anhalt wird in den kommenden Jahren erheblich steigen. Es müssten jetzt bereits die Weichen für Investitionen gestellt werden und nicht erst, wenn Engpässe entstünden, sagte Umweltminister Armin Willingmann (SPD) nach einer Konferenz zu einer neuen Wasserversorgungskonzeption. "Mit Blick auf länger anhaltende Trockenperioden ist absehbar, dass der Wettbewerb umWasserressourcen zunehmen wird." Für eine zukunftsfähige Wasserversorgung sollen daher in den kommenden Jahren rund 116 Millionen Euro investiert werden.
Ist die Trinkwasserversorgung derzeit gesichert?
Ja. Umweltminister Willingmann betonte: "Die Trinkwasserversorgung in Sachsen-Anhalt ist derzeit gesichert." Es geht aber auch um Krisenvorsorge und einen erhöhten Wasserbedarf. Schon jetzt sei das Wassersystem in Spitzenzeiten zu 97 Prozent ausgelastet, sagte der Geschäftsführer der Trinkwasserversorgung Magdeburg, Alexander Ruhland. Dies betreffe zwar nur wenige Tage und Wochen im Jahr. Das seien Zeiten, in denen dann aber keine Probleme oder Havarien dazukommen sollten.
Worum geht es in dem Wasserversorgungskonzept genau?
Es geht darum, wie die öffentliche Trinkwasserversorgung in Sachsen-Anhalt und im Großraum Leipzig langfristig gesichert und an neue Anforderungen angepasst werden soll. Das Konzept wurde vom Kompetenzzentrum Wasserwirtschaft in Halle erstellt. Es ist zunächst eine Bestandsaufnahme und richtet sich vor allem an Landespolitik, Fachbehörden und kommunale Versorger. Es soll als Grundlage für Entscheidungen zu Investitionen und Förderprogrammen dienen und regelmäßig fortgeschrieben werden.
Vor welchen Herausforderungen steht die Wasserversorgung?
Im mitteldeutschen Raum, insbesondere in Sachsen-Anhalt, hat sich nach Angaben des Kompetenzzentrums Wasserwirtschaft in den vergangenen Jahren der Wasserbedarf verändert. So stieg die Trinkwasserabgabe von 113 Millionen Kubikmetern im Jahr 2013 auf 122 Millionen Kubikmeter im Jahr 2022 - trotz sinkender Bevölkerungszahlen. Für die kommenden Jahre wird mit einem zusätzlichen Bedarf von rund 35 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr gerechnet. Je nach berechneten Szenarien erhöht sich der Wasserbedarf in den kommenden Jahren um 24 bis 68 Prozent. Dabei geht es um Herausforderungen durch Industrie- und Gewerbeansiedlungen, Neuanschlüsse von Versorgungsgebieten, veränderten Wasserbedarf durch den demografischen Wandel sowie um Trockenheit und höhere Temperaturen.
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Wie ist die Wasserversorgung aktuell geregelt?
Ein großer Teil der Bevölkerung wird über Fernwassersysteme versorgt. Etwa drei Viertel des Trinkwassers in Sachsen-Anhalt stammen aus zentralen Fernwassernetzen, etwa durch die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz oder die Trinkwasserversorgung Magdeburg. Daneben sind auch zahlreiche kommunale Stadtwerke beteiligt. Wichtige Stützpfeiler sind dabei die Rappbode-Talsperre mit dem Wasserwerk Wienrode, die Colbitz-Letzlinger Heide sowie Wasserwerke in der Elbtalaue. Ein Teil des Wassers wird aus Nachbarländern, insbesondere aus Sachsen, bezogen.
Was hat das mit dem Großraum Leipzig zu tun?
Teile von Sachsen-Anhalt teilen sich laut der Analyse ihr Trinkwasser mit dem Großraum Leipzig. Hier beeinflusst die Entwicklung rund um Leipzig auch die Wasserbereitstellung aus Sachsen. Daher sind in dem Konzept auch Maßnahmen etwa bei der Erweiterung von Wasserwerken in Sachsen vorgesehen, um eine resiliente Wasserversorgung in der Region zu schaffen. "Wasser kennt nun mal keine Grenzen", sagte Jörg Schulze, Leiter des Kompetenzzentrums Wasserwirtschaft.
Welche Maßnahmen sollen konkret umgesetzt werden?
Insgesamt hat das Kompetenzzentrum Wasserwirtschaft 17 konkrete Vorschläge gemacht. Eine der größten Maßnahmen sei die Reaktivierung des traditionsreichen Spitzenlastwasserwerks Beesen bei Halle, sagte der Leiter des Kompetenzzentrums. Dies werde die bisherigen Systeme als Speicher zu Spitzenzeiten stabilisieren. Zusätzlich sollen die Wasserwerke Wienrode und Colbitz erweitert werden. Perspektivisch werde man aber auch über ein Flusswasserwerk in der Elbe bei Magdeburg nachdenken müssen, besonders wenn Ansiedlungen im Hightech-Park vorangetrieben würden, sagte Schulze.
Wird es dadurch für die Verbraucher teurer?
Die großen Investitionen sollen nach Angaben von Umweltminister Willingmann finanziell unterstützt werden. Insgesamt würden 116 Millionen Euro investiert. Davon werden nach Angaben des Ministeriums 83 Millionen Euro EU-Mittel umgeschichtet und 33 Millionen kommen aus dem Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes. Dadurch sollen steigende Preise sozial abgedämpft werden. Grundsätzlich würden Wasserpreise aber denselben Verlauf nehmen wie andere Nahrungsmittel und Konsumgüter auch, sagte Matthias Lux, Vorsitzender Geschäftsführer der Stadtwerke Halle.
Welche Rolle spielt der Klimawandel in dem Konzept?
Der Klimawandel wird als wesentlicher Treiber der Veränderungen betrachtet. Erwartet werden längere Trockenphasen, geringere Grundwasserneubildung und stärkere Schwankungen der Rohwasserverfügbarkeit. Die Analyse zeigt ein Bild von insgesamt knappen, regional teils stark beanspruchten Grundwasserressourcen, die für die Bevölkerung meist reichen, für zusätzliche Großindustrie aber oft nicht. Im Bundesvergleich gehört Sachsen-Anhalt zu den Ländern mit der geringsten Grundwasserneubildung. Es gibt aber regionale Unterschiede: Im Norden Sachsen-Anhalts ist die Neubildung von Grundwasser geringer, im Süden ist die Lage etwas entspannter. Der Klimawandel wirkt laut Analyse aber auch hier als Verstärker eines ohnehin schon knappen Systems.