"Die KI kann das nicht machen, was du jetzt gerade machst", sagt Paulina Ließner. Ein Rat, den ihr Vater ihr schon früh gegeben habe. Mit einem dünnen Pinsel mischt sie Farben auf einer Palette und streicht vorsichtig über ein Blatt Papier. Ein Farbentwurf für eine Schablonenarbeit, erklärt sie. Damit könne sie das Muster später auf eine Wand oder einen Sockel übertragen.
Ließner macht eine Ausbildung zur Malerin und Lackiererin. "Das zu machen, worauf ich Bock habe, das stand auf jeden Fall im Vordergrund", sagt die 20-Jährige. Sie sei ein kreativer Kopf und wolle sich ausleben, statt am Laptop zu hocken. Aber auch Sinn und Sicherheit seien für sie wichtig gewesen. "Jeder braucht Handwerker", sagt Ließner. Sie ist im zweiten Lehrjahr bei der Dresdner Firma Raumkunst Arndt.
Immer mehr Lehrverträge im Handwerk
Wie Ließner zieht es auch andere junge Menschen in Sachsen zunehmend ins Handwerk. Im Oktober 2025 wurden der Handwerkskammer Dresden zufolge rund 5.930 neue Ausbildungsverträge geschlossen – 17 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Im Gegensatz zu anderen Branchen sei das Handwerk generell zukunftsfest und damit attraktiv für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger.
Die meisten neuen Lehrverträge habe es zuletzt bei den Kfz-Mechatronikern gegeben, gefolgt von Elektronikern und Anlagenmechanikern für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. "Aber auch die Bäcker, Dachdecker, Friseure, Maurer, Maler und Zimmerer haben in Sachsen mehr neue Auszubildende im Vergleich zum Vorjahr", sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden, Andreas Brzezinski.
KI als Chance für das Handwerk?
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"KI kann handwerkliches Können und handwerkliche Fähigkeiten bisher nicht ersetzen", sagt Brzezinski. Dennoch sei Künstliche Intelligenz (KI) längst im Handwerk angekommen. Auch diese Branche sei nicht immun, sagt Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. "Trotzdem ist es so, dass im Handwerk wahrscheinlich weniger Jobs verloren gehen und die Bedarfe weiter da sind", sagt er.
"Von smarter Planung bis zur Robotik ist KI ein hilfreiches Werkzeug im Alltag der Betriebe", sagt Brzezinski. Goldschmiede oder Tischlereien erstellten mit KI-gestützter Bildgenerierung Entwürfe für Schmuck oder Möbel, und auch Bäckerei- oder Malereibetriebe nutzten sie mittlerweile. In der Augenoptik helfen sie bei der Analyse von Netzhautaufnahmen. "Insofern bietet KI dem Handwerk große Chancen."
Bautagebuch einsprechen, fertig ist der Bericht
Einer, der solchen Anwendungen aufgeschlossen gegenübersteht, ist Thomas Vogel. "Wir nutzen schon seit geraumer Zeit eine Telefon-KI", sagt der Geschäftsführer des Dresdner Heizungs- und Klimatechnikbetriebs HTS Haustechnik. Die Firma setze schon seit fast 15 Jahren auf digitale Lösungen und sei damit relativ früh dran gewesen.
Derzeit wird laut Vogel die Firmensoftware weiterentwickelt. Im kommenden Jahr soll es etwa möglich sein, dass Monteurinnen und Monteure ihre Bautagebücher einsprechen und daraus schriftliche und sprachlich einheitliche Berichte erstellt werden. Das spare Zeit und Mühe. "Wir werden im Handwerk, denke ich mal, ein großer Nutznießer sein von KI", sagt Vogel.
Eventmanager oder Elektroniker?
Und auch in der Ausbildung sind die Veränderungen mitunter schon spürbar. "Wenn wir Zeit haben in der Berufsschule, wird immer wieder gerne geguckt: Kann das KI schon oder nicht? Oder ist dann doch das Lehrbuch das bessere Mittel?", sagt Jannis Klein. Er ist angehender Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik bei der Firma Frequenz Elektro in Radeberg. Bei längeren Rechenaufgaben könne KI – zumindest manchmal – hilfreich sein.
Nach einem Aushilfsjob wollte Klein nach der Schule eigentlich in der Eventbranche arbeiten. "Aber es wollte mich niemand nehmen, weil keiner Garantien geben konnte für irgendwas", erinnert er sich. Das sei während der Corona-Pandemie gewesen. Also habe er etwas "krisensicheres" gesucht, das ihm Spaß mache. "Bei uns ist es eigentlich so, durch KI und dadurch, dass alles digitaler wird, werde ich im nächsten Jahr auf jeden Fall nicht arbeitslos sein", sagt der 21-Jährige. WLAN werde nachgerüstet, Glasfaser ausgebaut.
Attraktivitätsprobleme
"Das baunahe Handwerk wird grundsätzlich attraktiver, weil die Risiken des Jobabbaus dort sehr gering sind", sagt IAB-Direktor Fitzenberger. Branchen, in denen der Einsatz von neuer Technologie mehr Unsicherheit und Jobabbau verursachen, würden junge Menschen zunehmend meiden, von Ausnahmen abgesehen. Denn den Menschen hierzulande sei Sicherheit besonders wichtig.
Dennoch gebe es beim Handwerk großen Nachholbedarf. "Viele Handwerksberufe leiden unter einem Bewerberrückgang. Das hat auch mit Attraktivitätsproblemen zu tun", sagt Fitzenberger, etwa mit verhältnismäßig geringen Löhnen. "Der Einsatz von Technik kann viele dieser Berufe anspruchsvoller machen und damit auch die Verdienstchancen erhöhen", sagt er. Zudem seien junge Menschen häufig ohnehin technikaffin.
"Weil die Jugend viel mit KI machen will"
Auszubildende Ließner wollte ursprünglich Restaurierung studieren und hat dafür einen Freiwilligendienst in der Denkmalpflege gemacht. "Das war so toll", schwärmt sie heute. Sie habe Stuck restauriert oder Deckenmalereien freigelegt. Doch das Studium sei ihr dann doch zu theoretisch gewesen. "Ich wollte etwas Praktisches machen, ich wollte mit den Händen arbeiten", erzählt sie.
Trotzdem kann auch sie sich vorstellen, dass neue Technologien im Handwerk viele junge Menschen ansprechen könnten. "Weil die Jugend viel mit KI machen will", sagt Ließner. Die Erstellung digitaler Bautagebücher sei zum Beispiel eine gute Idee. "Ich glaube, so was könnte uns im Betrieb auch helfen", sagt sie.