"Das geht hier völlig durch die Decke", sagt Hanna Bachmann, "so haben wir das nicht erwartet." Doch eine Ahnung hatte die 30-jährige Notfallsanitäterin wohl schon davon, wie die Leute in der Schwalm reagieren, einer ländlich geprägten Gegend südlich von Kassel. Hanna Bachmann ist eine von ihnen.
Es ging ihr und ein paar Freunden um Uwe, den viele kennen, vor allem die Jüngeren. Im Frühling und Sommer feiert man in der Schwalm Kirmes, jedes Wochenende lädt ein anderer Ort ein, organisiert in der Regel von der Dorfjugend und jungen Erwachsenen. Es braucht ein Zelt, Bierbänke, Essstände und am Samstagabend eine Liveband aus der Region. Und immer auch einen Toilettenwagen.
Jeder hier kennt ihn
Uwe kümmert sich seit Ewigkeiten um die WCs. Putzt durch, wenn das im Laufe des Abends nötig wird. Legt Papier aus und füllt Seife nach. Während der Woche arbeitet er in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung eines sozialen Trägers. Von Mai bis September verbringt er etliche Wochenenden auf Kirmesplätzen.
Hanna kennt ihn seit Jahren. Manchmal bringt sie ihm eine "Ahle Wurscht" mit, die Wurst-Spezialität der Region. Einmal revanchierte Uwe sich mit Gummibärchen aus Marburg. Vor einigen Tagen besuchte Hanna mal wieder eine Kirmes, bei der auch Uwe aktiv war. Später gab es einen Starkregen. Hanna fuhr im Auto nach Hause – und überholte Uwe, der wie immer auf seinem kleinen Motorroller saß. Hinter ihm rollte der kleine Anhänger für das Toilettenpapier und weitere Utensilien.
Hanna wusste, dass Uwe gerne ein kleines Auto hätte. 25 Kilometer pro Stunde, mehr müsse es gar nicht fahren, hatte er ihr gesagt. Damit käme er dann bei jedem Wetter trocken nach Hause. Solche Leichtkraftfahrzeuge haben meist vier Räder und sind weitaus schwächer als gewöhnliche Autos motorisiert.
Eine Woche später hatte Hanna die Sache mit ein paar Freunden besprochen. Sie waren sich einig, etwas zu versuchen. Am vergangenen Sonntag startete Hanna auf einer Spendenplattform im Internet eine Kampagne. "Erfülle Uwe seinen großen Traum", lautete die Überschrift.
"Jeder von uns kennt den lieben WC Uwe, der auf jeder Kirmes in der Schwalm seine Dienste leistet", schrieb Hanna. "Bis jetzt fährt er bei Wind und Wetter überall mit seinem Roller hin, was bei Sturm und Starkregen echt eine Zumutung ist!" Sie erklärte, dass er sich ein 25-km/h-Auto wünsche, lange schon, und schloss mit einem Aufruf: "Lasst uns alle für unseren lieben Uwe sammeln".

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Der Aufruf ging um 14.59 Uhr online.
Das Spendenziel verdoppelt
Über WhatsApp-Gruppen verbreitete sich die Aktion rasend. Die Spenden gingen fast im Minutentakt ein, hier 5 Euro, dort 15 Euro, selten mehr als 50 Euro. Hanna hatte als Ziel 5000 Euro eingetragen, die waren schon am frühen Abend erreicht. Hanna verdoppelte das Ziel. Als sie zu Bett ging, stand die Spendensumme fast bei 10.000 Euro.

Vom Gemeindebürgermeister bis zur Schülerin – alle wollten helfen, das Mini-Auto zu finanzieren. Das kann nun tatsächlich gekauft und geschenkt werden, es kamen fast 11.000 Euro zusammen. Uwes Wunsch und Hannas Handeln brachten Dutzende, am Ende mehr als 600 Kleinspender zusammen. Uwe freut sich riesig auf sein Geschenk, das lang ersehntes, kleines Gefährt. Und in der Schwalm entstand das Gefühl, als Gruppe etwas bewirken zu können – auch das ist ein Teil dieses kleinen Sommermärchens.