Die einen denken an Dirndl und Lederhose, die anderen an den Gartenzwerg im Vorgarten: Bei der Frage, was deutsch ist, haben wohl die meisten Bilder im Kopf. "Wie wir Deutschen ticken" haben Forscher nun in mehreren repräsentativen Umfragen ergründet. Die gleichnamige Sammlung erscheint an diesem Montag als Buch und ist ein Projekt des Marktforschungsunternehmens YouGov. Das Ergebnis: Nicht alle Vorurteile entsprechen der Realität.
"Das Bild der Deutschen muss man etwas differenzierter sehen", sagt Diplom-Psychologe und Herausgeber Holger Geißler. "Wir haben auf der einen Seite eine disziplinierte, pünktliche und ordnungsliebende Nation. Aber 39 Prozent der Befragten sind schon mal schwarz gefahren."
Zuverlässig - aber nicht konsequent
Um die Ergebnisse für das Buch zusammenzustellen, wurden demnach von September 2014 bis April 2015 in über 80 Erhebungen jeweils rund 1000 Menschen nach ihren Sicht- und Denkweisen online befragt.
95 Prozent sagen von sich: "Ich bin zuverlässig". Eines sind die Deutschen aber nicht: konsequent. Demnach gaben zwar 59 Prozent an, auf ihr Gewicht zu achten und sich regelmäßig zu wiegen - 43 Prozent der Frauen und 37 Prozent der Männer haben in den vergangenen fünf Jahren demnach aber zugenommen.
"Es gibt einen wachsenden Trend zu vegetarischer und veganer Ernährung - aber nicht mit der letzten Konsequenz", sagt Geißler. Die wenigsten können die Finger ganz von Fleisch und Fisch lassen: Nur sechs Prozent der Deutschen leben demnach komplett vegetarisch, bei den Veganern sind es nur zwei Prozent. "Die Zahl der Leute, die konsequent sind, ist nicht so hoch."
Das zeigt sich auch an anderer Stelle: Die sonst zuverlässigen Deutschen halten sich nämlich mitnichten an jede Regel. 71 Prozent der Fußgänger würden bei Rot über die Ampel gehen, "wenn der Verkehr es zulässt". Bei den Radfahrern sagte das mehr als jeder Fünfte. Alles Schummler? Mitnichten: Gleichzeitig würden 14 Prozent der
Bundesbürger bei einer Ampel, die einfach nicht Grün wird, wieder umkehren, statt das Signal zu missachten.
Berlin finden alle am hässlichsten
Und wie sieht es mit gängigen Klischees aus? Die Bayern, die im Ausland als typisch deutsch gelten, werden ziemlich zwiespältig gesehen. Auf die Frage, welches Bundesland sie am sympathischsten finden, nannten die meisten Deutschen Bayern. Kurios: Gleichzeitig liegt der Freistaat auch auf Platz 1 der unsympathischsten Länder. Jeder Fünfte Befragte gab das an.

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Landschaftlich können sich indes alle auf Bayerns Vorzüge einigen: Sowohl im Westen als auch im Osten gilt es in der Hinsicht als eines der schönsten Bundesländer. "Am hässlichsten" finden die Menschen in Ost und West übrigens auch denselben Landstrich: Berlin.
Auch einige Vorurteile haben sich die Forscher vorgenommen. Aber welche stimmen wirklich?
Vorurteil: Wenn drei Deutsche sich treffen, gründen sie einen Verein.
Wahrheit: Tatsächlich sieht die Mehrheit der Deutschen Vereine eher kritisch - und unterschreibt ungern Beitrittserklärungen. 51 Prozent empfinden Vereine als einengend. Ebenso viele sagen: "In Deutschland herrscht zu viel Vereinsmeierei." Zwar sind trotzdem 40 Prozent der Deutschen Mitglied - aber vor allem in Sportclubs. Kegel-, Kleingarten- und Schützenvereine haben keinen großen Zulauf.
Vorurteil: "Alles für den Dackel, alles für den Club." Der Deutsche liebt seinen Hund.
Wahrheit: Die meisten haben laut Umfrage eine Katze (28 Prozent), erst dann folgt der Hund (23 Prozent). Auf die Frage: "Welches Tier ist Ihnen am sympathischsten?", nannte aber die Mehrheit den Hund. Nur positiv wird der aber nicht wahrgenommen: Hundehaufen stehen auf der Ekel-Liste weit oben. 26 Prozent finden es zudem "abstoßend", wenn ihnen ein Hund das Gesicht abschleckt. Auch eine Studie der Uni Göttingen sieht Katzen vorne: Demnach gibt es unter den Haustieren geschätzt 11,5 Millionen Katzen, aber nur 6,9 Millionen Hunde.
Vorurteil: Deutschland ist das Land der Biertrinker.
Wahrheit: Wenn die Deutschen zwischen Wein und Bier wählen müssen, greifen 57 Prozent zum Wein. "Ich würde nicht sagen, dass Deutschland ein Land der Weintrinker ist, aber bei der Präferenz hat der Wein die Nase vorn", sagt Holger Geißler, der das Buch zur Umfragen-Sammlung herausgegeben hat. Von der Masse liege Bier aber vorn. Das bestätigen auch Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen: Im Schnitt werden demnach jährlich rund 107 Liter Bier, 21 Liter Wein, vier Liter Schaumwein und 5,5 Liter Spirituosen getrunken.
Vorurteil: Mallorca ist das 17. Bundesland.
Wahrheit: "Ein Großteil hat Interesse an Kultur und Städtereisen und setzt sich nicht an den Strand und säuft", sagt Diplom-Psychologe Geißler. In einer Umfrage zum Thema "Urlaub" nannten 62 Prozent auf die Frage, was im Urlaub nicht fehlen dürfe, neue Städte und Kulturen. Nur 28 Prozent können demnach nicht auf Strand und Party verzichten. Hitze und Meer stehen dennoch hoch im Kurs: Nur jeder Fünfte macht lieber im Norden Urlaub als im Süden.
Vorurteil: Die Deutschen sind spießig.
Wahrheit: Den "typischen Deutschen" hält immerhin jeder fünfte Befragte für spießig. Sich selbst bezeichnen aber nur 3 Prozent so. Tatsächlich sind die Bundesbürger eher brav: 60 Prozent haben meistens in der Missionarsstellung Sex. Und die Hälfte der Männer setzt sich beim Pinkeln hin. Zudem sind die Deutschen häuslich: Nur jeder Siebte geht abends häufig vor die Tür. 68 Prozent essen dann lieber mit der Familie. Am peinlichsten finden sie übrigens Folgendes: Wenn ihnen in Gesellschaft ein Pups entfährt.