Mensch ist nicht gleich Mensch. Das zeigte sich einmal mehr in der Corona-Pandemie. Während manche schwer an Covid-19 erkrankten, konnte das Virus anderen nahezu nichts anhaben. Studien wiesen nach, dass mindestens jeder Fünfte, der sich mit dem SARS-CoV-2 infizierte, asymptomatisch war, also ohne erkennbare Symptome. Was haben diese Menschen an sich, was andere nicht haben?
Ein Forschungsteam aus den USA und Australien hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Rätsel zu lösen. Untersucht wurden 1428 Menschen, die sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert hatten, darunter 136 asymptomatisch Infizierte. Dabei zeigte sich, dass eine bestimmte Genvariante für den erhöhten Schutzfaktor verantwortlich sein könnte. So konnten die Forschenden HLA-B*15:01 bei bis zu 25 Prozent der Infizierten ohne Symptome nachweisen. Die Studie wurde kürzlich im Fachblatt "Nature" veröffentlicht.
Genvariante bietet höheren Schutz vor Coronavirus
HLA ist die Kurzform für Humane Leukozytenantigene. Es handelt sich dabei um einen Genkompex. Die HLA-Gene zählen zu den Immunglobulinen, also zu den Antikörpern, und spielen für das Immunsystem eine große Rolle beim Erkennen und Bekämpfen von Krankheitserregern. Dass manche HLA-Varianten vor bestimmten Krankheitserregern schützen, ist bereits bekannt. So wurde nachgewiesen, dass beispielsweise HLA-B*27 den Krankheitsverlauf von Aids verlangsamen kann.
"HLA-Varianten wurden mit Hunderten von Krankheiten in Verbindung gebracht, darunter auch Infektionen", schreiben die Wissenschaftler:innen, die bereits vor Studienbeginn vermutet hatten, dass HLA-Gene auch in Bezug auf den Verlauf einer Corona-Infektion Einfluss haben könnten und sich bei der Untersuchung auf diese fokussiert hatten. Tatsächlich konnten sie nachweisen, dass jeder fünfte asymptomatisch Infizierte HLA-B*15:01 im Körper trug, aber nur jeder neunte Patient mit Symptomen.
Menschen, welche die Genvariante auf beiden Allelen trugen, also vererbt von Mutter und Vater, waren sogar noch besser gegen das Coronavirus geschützt. Sie "bleiben achtmal häufiger asymptomatisch als Menschen mit anderen Genvarianten", berichten die Forschenden. Schätzungsweise zehn Prozent aller Menschen europäischer Abstammung sind Träger von HLA-B*15:01.
Was kann die HLA-Genvariante besser als andere?
Aber was kann diese Genvariante besser als andere? Vereinfacht ausgedrückt: Sie ist Spezialistin für Erkältungs-Coronaviren. Dass bestimmte Immunzellen, die Menschen gegen Erkältungs-Coronaviren gebildet haben, bei einer späteren Infektion mit SARS-CoV-2 eine stärkere Immunreaktion erzeugen können, haben unter anderem Wissenschaftler:innen der Charité, des Berlin Institute of Health in der Charité und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in einer Studie nachgewiesen. Sie stellten fest, dass einige Menschen durch frühere Erkältungen Gedächtnis-Immunzellen besitzen, die in der Lage sind, SARS-CoV-2 zu erkennen, obwohl sie noch nie mit dem Erreger in Berührung gekommen sind. Stichwort: Kreuzimmunität.
Ausgehend davon untersuchte das Forschungsteam aus den USA und Australien die Immunzellen von Menschen, welche die HLA-Genvariante in sich trugen, aber sich nach eigenen Angaben noch nie mit SARS-CoV-2 infiziert hatten – und fanden ein spezielles Protein: NQK-Q8. Es zeigte sich, dass Dreiviertel der Untersuchten dieses Protein aufwiesen. HLA-B*15:01 scheint demnach dafür zu sorgen, dass die Produktion des Coronavirus-Proteins gesteigert hergestellt wird. Das ermögliche dem Immunsystem, schneller und besser auf SARS-CoV-2 zu reagieren. Die Ergebnisse unterstrichen die Bedeutung "einer vorab bestehenden Immunität, durch die ein Gedächtnis-Pool aus kreuzreaktiven T-Zellen bereitststeht, um die Infektion zu bekämpfen", so die Wissenschaftler:innen.