Eine Impfung gegen Allergien Spezifische Immuntherapie

Die spezifische Immuntherapie (SIT) ist die einzige Allergie-Behandlung, die nicht die Symptome, sondern die Ursache der überschießenden Abwehrreaktion bekämpft. Sie soll dem Immunsystem seine Überempfindlichkeit abtrainieren und es langsam an das Allergen gewöhnen. Die spezifische Immuntherapie wird deshalb auch Hyposensibilisierung (hypo = unter) genannt. Oft ist auch von der Allergie-Impfung die Rede.

Tatsächlich ist die Idee der spezifischen Immuntherapie dem Impf-Prinzip sehr ähnlich: Der Patient erhält winzige Mengen des Allergens, das in höherer Konzentration eine heftige Immunreaktion auslösen würde. Die geringe Dosis aber ermöglicht dem Abwehrsystem, die angemessene Reaktion auf Pollen, Tierhaare & Co. zu erlernen. Wie genau dieser Gewöhnungsprozess im Körper abläuft, ist noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Sicher ist aber: Fast immer findet er statt.

Bislang kann die spezifische Immuntherapie allerdings nur Inhalations-Allergien behandeln, also Überempfindlichkeiten gegen Allergene wie die von Blütenpollen, Hausstaubmilben, Tieren oder auch Schimmelpilzen. Jedoch wird auch an Impfstoffen gegen Nahrungsmittel- oder Kontakt-Allergien (zum Beispiel Latex) gearbeitet. Auch bei einer Allergie gegen Bienen- und Wespengifte ist die Immuntherapie sinnvoll.

Die am häufigsten angewendete Form der Hyposensibilisierung ist die

subkutane Immuntherapie

(SCIT). Dabei spritzt der Arzt das Allergen-Extrakt an der Rückseite des Oberarms unter die Haut. Immer öfter kommt auch die zwar angenehmere, aber schlechter erforschte Variante zum Einsatz: die sublinguale Immuntherapie (SLIT), bei der sich der Patient den Wirkstoff in Form von

Tabletten oder Tropfen

unter der Zunge zergehen lassen kann.

Wie lange dauert die Therapie?

Während der Anfangsphase spritzt der Arzt Ihnen das Allergen einmal wöchentlich - jede Woche ein wenig mehr, bis die größtmögliche Dosis erreicht ist. Sie dauert einige Wochen pro Jahr. Alternativ kommt auch die sogenannte Rush-SIT (rush = schnell) zum Einsatz: Der Patient erhält die Allergene unter ständiger Aufsicht per Infusion im Krankenhaus; die Abstände zwischen den einzelnen Allergengaben sind viel kürzer, die Höchstdosis ist dann schon nach sieben oder sogar zwei Tagen erreicht. Die Rush-SIT wird vor allem besonders sensiblen

Insektengift-Allergikern

empfohlen, damit sich die Gewöhnung des Körpers an das Wespen- oder Bienengift nicht über Wochen und Monate hinzieht, in denen weiterhin jeder Stich lebensbedrohlich sein kann.

Nach dieser Einleitungsphase bekommen Sie die Allergenspritzen, Tabletten oder Tropfen nur noch alle vier bis acht Wochen. So prägt sich das Immunsystem auch auf Dauer ein, dass es auf dieses Allergen nicht mehr zu reagieren braucht. Erst nach drei bis fünf Jahren ist die Behandlung abgeschlossen. Nur, wenn sich nach spätestens zwei Jahren überhaupt keine Verbesserung zeigt, kann die Therapie vorzeitig abgebrochen werden.

Bei

Heuschnupfen

kann man die Therapie während der Pollenflugzeiten unterbrechen oder die Dosis vermindern, damit das Immunsystem nicht doppelt belastet wird. Manche

Insektengift-Allergiker

begleitet die spezifische Immuntherapie hingegen ein Leben lang, damit nicht erst eine lebensbedrohliche Stichreaktion zeigt, dass der Körper die Gift-Toleranz inzwischen wieder verlernt hatte.

Indikation

Für wen kommt die Hyposensibilisierung in Frage?

Die spezifische Immuntherapie ist immer dann angebracht,

  • wenn es für die festgestellte Allergie auch das exakt passende Impfallergen gibt und wenn die Wirksamkeit dieses Allergens erwiesen ist.
  • wenn die Lebensqualität des Patienten durch die Allergie stark eingeschränkt ist.
  • wenn die Allergie sich zum Asthma auszuweiten droht.
  • wenn es nicht möglich ist, die Allergie durch reine Vermeidung der Auslöser (Allergenkarenz) in den Griff zu bekommen.

Wann ist eine Hyposensibilisierung nicht angebracht?

Eine Immuntherapie sollte nicht gemacht werden,

  • wenn es Ihnen nicht möglich ist, regelmäßig zur Therapie zu erscheinen und nach der Behandlung noch eine halbe Stunde zur Beobachtung in der Praxis zu bleiben
  • bei schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, vor allem wenn Sie Medikamente gegen Bluthochdruck (Betablocker, ACE-Hemmer) einnehmen
  • bei einer Schilddrüsenüberfunktion
  • bei chronischen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder chronischen Entzündungen durch Rheuma oder andere Autoimmunkrankheiten
  • bei Immundefekten
  • bei mittelschwerem oder schwerem allergischen Asthma oder Einschränkungen der Lungenfunktion (wichtigster Grenzwert: ab einer Einsekundenkapazität von unter 70 Prozent des Sollwertes)
  • bei Erkrankung an einem bösartigen Tumor
  • bei anderen schweren Erkrankungen wie Störungen der Nieren- oder Leberfunktion

Wirksamkeit

Wie wirksam ist die spezifische Immuntherapie tatsächlich?

Am besten ist die Wirksamkeit der Hyposensibilisierung bei Heuschnupfen erforscht: Pollenallergiker haben nach der Therapie im Schnitt gut 50 Prozent weniger Beschwerden und brauchen nur noch halb so viele Allergie-Medikamente. Ähnliche Erfolge erzielt die Behandlung bei Hausstaubmilben-Allergien und leichtem allergischen Asthma (nur Krankheitsstufen 1 und 2). Bei Tier- und Schimmelpilz-Allergien ist die Wirksamkeit weniger sicher - hier sollte die Hyposensibilisierung nur zum Einsatz kommen, wenn andere Therapiemethoden zu wenig Erfolg hatten.

Besonders vielversprechend ist die spezifische Immuntherapie bei Allergien gegen

Insektenstiche

: 80 bis 100 Prozent der Patienten sind die Überempfindlichkeit nach der Behandlung los. Bei Menschen mit besonders schweren Stichreaktionen kann es trotzdem sinnvoll sein, die Immuntherapie ein Leben lang beizubehalten, damit das Abwehrsystem die angemessene Reaktion auf das Gift nicht unbemerkt wieder verlernt.

Wirkt die spezifische Immuntherapie auch schützend?

Die Hyposensibilisierung kann verhindern, dass sich die Allergie ausweitet: Einerseits entwickeln Allergiker nach der Therapie seltener weitere Allergien ("Neusensibilisierungen"), andererseits breitet sich die Überempfindlichkeit des Immunsystems seltener von den oberen Atemwegen (Nase, Rachen) in die unteren Atemwege (Bronchien) aus. Durch solch einen "Etagenwechsel" erkrankt jeder dritte Pollen-Allergiker an Asthma. Die Hyposensibilisierung kann - vor allem Kinder - davor schützen.

Ist die Hyposensibilisierung mit Tabletten oder Tropfen ebenso wirksam?

Die Wirksamkeit der Hyposensibilisierung mit Tabletten oder Tropfen (sublinguale Immuntherapie) ist noch nicht so umfangreich untersucht. Bewährt hat sie sich bislang vor allem bei

Heuschnupfenpatienten

. Allerdings ist nicht endgültig geklärt, ob sie ebenso wirksam ist wie die unter die Haut gespritzte (subkutane) Immuntherapie. Insbesondere ist noch nicht sicher, ob die sublinguale Immuntherapie dieselben langfristig schützenden Effekte (vor Etagenwechsel und Neusensibilisierung) hat. Bei Hausstaubmilben-, Tier- und Schimmelpilz-Allergien sowie allergischem Asthma können die Tabletten und Tropfen die Spritzen - nach bisheriger Studienlage - nicht vollständig ersetzen. Da aber sehr intensiv an dieser Methode gearbeitet wird und ständig neue wissenschaftliche Publikationen erscheinen, lohnt es sich, bei Interesse an der Methode mit einem Allergologen zu sprechen.

Nebenwirkungen / Gefahren

Wie gefährlich ist die spezifische Immuntherapie?

Nebenwirkungen sind bei der subkutanen spezifischen Immuntherapie sehr selten, kommen aber vor. Das Immunsystem kann aber mit heftiger Abwehr reagieren, bis hin zu Atemnot und Allergieschock. Von einem erfahrenen Arzt lassen sich solche Überreaktionen gut behandeln, sofern er schnell eingreifen kann. Die meisten Zwischenfälle treten innerhalb von 30 Minuten nach der Injektion des Allergens auf. Bleiben Sie deshalb nach der Therapie noch mindestens eine halbe Stunde in der Praxis und sagen Sie Bescheid, falls Sie erste Symptome bemerken:

  • Beschwerden, die Sie von Ihrer Allergie bereits kennen - Schnupfen, Tränen und Jucken, Niesen, Husten
  • bei Wirkstoff-Spritzen: Rötung und Schwellung der Einstichstelle
  • bei Tabletten oder Tropfen: Kribbeln und Brennen auf der Zunge und im Rachen

Die Überreaktion kann auch Stunden oder Tage nach der eigentlichen Behandlung auftreten. Achten Sie auf mögliche Vorboten und informieren Sie Ihren Arzt, wenn sie auftreten.

Bei der sublingualen Immuntherapie mit Tropfen oder Tabletten sind bisher keine schweren Nebenwirkungen aufgetreten, sondern nur örtliche milde Nebenwirkungen im Mund (Jucken am häufigsten).

Tipps

Wie kann ich die Therapie unterstützen?

  • mit Geduld: Auch, wenn Ihre Allergie-Symptome schon nach den ersten Wochen der Therapie weniger werden oder verschwinden: Bleiben Sie am Ball! Nur wenn Sie die Therapie über drei bis fünf Jahre konsequent durchziehen, kann sie dauerhaft helfen.
  • durch eine gute Zusammenarbeit mit Ihrem Arzt: Bleiben Sie nach der Behandlung immer noch mindestens eine halbe Stunde in der Praxis, damit der Arzt bei einer allergischen Überreaktion schnell eingreifen kann. Teilen Sie Ihrem Allergologen außerdem rechtzeitig mit, wann Sie längere Reisen planen, so dass Ihr Behandlungsplan angepasst werden kann. Geben Sie Bescheid, wenn weitere Schutzimpfungen nötig werden, wenn Sie neue Medikamente einnehmen müssen oder wenn Sie schwanger sind.
  • indem Sie sich am Tag der Behandlung schonen:
  • Sie können das Risiko von Nebenwirkungen oder Überreaktionen vermeiden, indem Sie vor und nach der Behandlung keine schwer verdaulichen Mahlzeiten essen und keinen Alkohol trinken. Vermeiden Sie außerdem schwere körperliche Arbeit, Sport, heißes Duschen und Saunagänge.

Expertenrat

Spezifische Immuntherapie - Was rät der stern-Allergie-Experte?

Kann ich zu alt für die Therapie werden?

Lange ging man davon aus, dass die spezifische Immuntherapie nur bei jungen Patienten wirksam ist. Heute weiß man: Wichtig für den Erfolg der Therapie ist nicht das Alter des Patienten, sondern wie lange er bereits an der Allergie leidet. Die besten Chancen auf Besserung bestehen zu Beginn der Erkrankung, bevor sie womöglich bleibende Schäden an den beteiligten Organen (Schleimhäuten, Bronchien) verursacht hat. Die spezifische Immuntherapie kann also auch einem 60-Jährigen noch helfen - vorausgesetzt, er hat die Allergie erst innerhalb der vergangenen drei bis fünf Jahre entwickelt.

Muss ich die Therapie während der Schwangerschaft unterbrechen?

Nein. Wenn Sie während einer bereits begonnenen Hyposensibilisierung schwanger werden, können Sie diese einfach fortsetzen - es sei denn, die Therapie hat bei Ihnen allergische

Überreaktionen

ausgelöst. Bei solchen Zwischenfällen müssen oft Medikamente gegeben werden, die Sie und das ungeborene Kind belasten können. Wer die Therapie vor der Schwangerschaft gut vertragen hat, kann dabei bleiben. Vor allem

Insektengift-Allergikerinnen

sollten die Therapie nicht abbrechen, weil für sie und ihr Kind die Immunreaktion auf Insektenstiche gefährlicher ist als die sehr seltenen Nebenwirkungen. Um Ihren Körper nicht unnötig auf die Probe zu stellen, sollten Sie mit der Hyposensibilisierung allerdings nicht erst während einer Schwangerschaft beginnen.

Katharina Kluin

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