Gesundheit 10 Fragen zu Gen-Food

Ab dem 18. April müssen gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden. Der stern gibt einen Überblick über Vorzüge, Risiken und Nutznießer der modernen Pflanzenoptimierung.

1. Worin unterscheiden sich gentechnisch veränderte Organismen (GVO) von konventionell gezüchteten Pflanzen - und was haben sie gemeinsam?
Bei beiden hat der Mensch das Erbgut und damit spezielle Eigenschaften beeinflusst. In der konventionellen Zucht wird die Pflanze durch Kreuzungen und Auswahl innerhalb ihrer Art optimiert. Unter gentechnisch veränderten Pflanzen versteht man üblicherweise solche, denen Eigenschaften einer anderen Art eingepflanzt worden sind.

2. Welche neuen Eigenschaften haben die GVO?


Fast alle gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, die heute angebaut werden, sind mit Erbanlagen ausgestattet, die sie resistenter machen - entweder gegen einen Schädling oder gegen ein bestimmtes Herbizid (Unkrautvernichtungsmittel). So hat sich etwa im Kampf gegen die gefräßigen Nachtfalterlarven des Maiszünslers so genannter Bt-Mais bewährt. Bt steht für den Bacillus thuringiensis - ein auch im Ökolandbau verwendeter Mikroorganismus, dessen Proteine die Zünslerlarven vergiften. Die Sojabohne "Roundup Ready" ist hingegen mit einem Gen ausgestattet, das sie gegen das Herbizid Glyphosat (Markenname: "Roundup") resistent macht. Wenn der Landwirt "Roundup" spritzt, soll alles Grün auf dem Acker kaputtgehen - außer den Sojapflanzen.

3. Wer hat etwas davon?
Die Pflanzenzucht- und Saatgutunternehmen sagen: Die Erträge der Landwirte steigen, Aufwand und Kosten für die Schädlingsbekämpfung sinken. Zudem seien die Menge und die Toxizität der benötigten Pestizide geringer als im konventionellen Anbau - sodass die Natur weniger belastet werde. Tatsächlich haben Landwirte die Chance, durch den Einsatz bestimmter GVO unter bestimmten Umständen Zeit zu sparen und möglicherweise auch Geld. Statt mehrmals im Jahr mit verschiedenen Mitteln gegen Unkraut vorzugehen, können sie genmanipulierte Saaten wie die Sojabohne "Roundup Ready" mit einem Breitbandherbizid behandeln. Wenn eine Pflanze, wie etwa der Bt-Mais, gegen einen Schädling resistent ist, muss sie gegen diesen nicht mehr gespritzt werden. Ob und welche Vorteile der Verbraucher haben könnte - darüber gehen die Meinungen auseinander. Sicher ist: Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen sind nicht per se leckerer oder billiger. Aber sind sie womöglich nicht so stark mit Pestiziden belastet? Bei Pflanzen, die gegen einen bestimmten Schädling resistent sind, könnte das tatsächlich so sein. Bei Pflanzen jedoch, die gegen ein bestimmtes Herbizid resistent sind, ist die Sache kompliziert. Ob bei ihrem Anbau tatsächlich weniger gespritzt wird als auf konventionellen Äckern, hängt nach Angaben der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft ab von der angebauten Pflanze, vom verwendeten Herbizid, vom Unkrautbefall des Bodens und von der Einstellung des einzelnen Landwirts. Erste Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass eine einheitliche Tendenz zu weniger Pestiziden beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht erkennbar ist. Abschließend beantworten lässt sich die Frage nach der Giftersparnis wohl erst nach großflächigen Vergleichen herkömmlicher Anbaumethoden mit der Kultur der neuen Pflanzen.

4. Gibt es Gesundheitsrisiken für die Verbraucher?


Lebensmittel aus GVO sind nach derzeitigem Kenntnisstand ebenso gefahrlos zu verzehren wie herkömmliche Nahrung - so lautete im Mai 2003 das Resümee britischer Wissenschaftler, die eine Vielzahl von Studien ausgewertet haben. In Deutschland dürfen solche Waren erst auf den Markt gebracht werden, wenn die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit zu dem Schluss gekommen ist, dass ihr Genuss sicher sei. Die Angst, GVO und aus ihnen hergestellte Produkte würden verstärkt Allergien hervorrufen, scheint unbegründet zu sein: Grundsätzlich können nur sehr wenige Nahrungsproteine Allergien auslösen - und ob ein bestimmtes Protein in einem veränderten Organismus zu dieser Risikogruppe gehört, lässt sich von Wissenschaftlern gut abschätzen. Bei Verdacht darf das Lebensmittel keine Zulassung erhalten. Kritiker sagen, es sei nicht belegt, dass der Genuss von gentechnisch veränderten Lebensmitteln auf lange Sicht unbedenklich sei. Das stimmt - allerdings ist auch das Gegenteil nicht bewiesen.

5. Gibt es Risiken für die Natur?


Für GVO gilt genauso wie für konventionelle Neuzüchtungen: Ihre Pollen fliegen durch die Luft und können in andere Felder auskreuzen, verwandte Arten genetisch verändern, sie gar verdrängen. Wie groß diese Gefahr ist, hängt von der Pflanzenart und den Anbaubedingungen ab. Gentechnikförderer und -gegner sind sich deshalb mehr oder weniger einig, dass bei der Risikobewertung der Einzelfall betrachtet werden muss. Über die Frage, welcher ökologische Schaden im Falle einer Auskreuzung entsteht, streiten sie hingegen heftig. Der Grund: Es gibt keinen Konsens darüber, wie eine "intakte" Natur eigentlich aussieht und welcher Eingriff als Schaden gilt. Unabhängig von der Auskreuzungsproblematik befürchten einige Wissenschaftler, dass die Vielfalt der Ackerflora durch den massiven Einsatz von Breitbandherbiziden leidet. Andere Skeptiker warnen, dass resistente Unkräuter oder Schädlinge entstehen könnten, die wiederum mit neuen Giften bekämpft werden müssten.

6. Gibt es weitere Risiken?
Viele Bauern, etwa Ökolandwirte, wollen für eine skeptische Kundschaft gentechnikfrei produzieren. Wenn ihre Ware aufgrund von Verunreinigungen der Saat oder wegen Auskreuzungen im Feld GVO-Anteile enthält, können sie diese eventuell nicht mehr oder nur zu einem geringeren Preis verkaufen. Wer in solchen Fällen haftbar zu machen ist, soll das künftige Gentechnikgesetz regeln.

7. Helfen gentechnisch veränderte Pflanzen den Menschen in Entwicklungsländern?


In Einzelfällen möglicherweise. So könnten etwa Gebiete, in denen der Maiszünsler wütet, durchaus vom resistenten Gen-Mais profitieren. Aber insgesamt wird die grüne Gentechnik die Bevölkerung armer Länder kaum satter machen. Wenn Menschen der Dritten Welt hungern, liegt das meist an der ungleichen Verteilung von Land und Geld sowie an Krieg und Vertreibung - Probleme, die sich mit neuartigem Saatgut nicht lösen lassen.

8. Wo werden derzeit gentechnisch veränderte Nutzpflanzen kommerziell angebaut?


Vor allem in den USA, in Argentinien, Kanada und China. Das einzige europäische Land mit kommerziellem GVO-Anbau ist bislang Spanien, wo rund 2000 Landwirte Bt-Mais angepflanzt haben. "GVO-frei" ist der Rest des Kontinents deswegen nicht: Allein in Deutschland wurden seit 1991 etwa 140 Freisetzungsversuche zu wissenschaftlichen Zwecken genehmigt.

9. Welche GVO-Lebensmittel und welche Produkte mit GVO-Inhaltsstoffen gibt es heute schon bei uns?


Gentechnisch verändertes unverarbeitetes Getreide, Obst oder Gemüse kann der Konsument in der EU bislang nicht kaufen. Vermutlich wird die EU-Kommission aber noch im Frühsommer ein Moratorium beenden und Zulassungen für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und Lebensmittel erteilen - die dann automatisch auch in Deutschland vertrieben werden dürfen. Ganz vorne auf der Warteliste stehen der Bt11-Mais von Syngenta und der herbizidresistente Monsanto-Mais NK603. Hinzu kommen rund 20 weitere Anträge für Mais, Raps, Soja und Baumwolle. Zirka die Hälfte davon bezieht sich auf die Einfuhr und Verarbeitung (etwa als Cornflakes, Pflanzenöl, Margarine oder Tofu), der Rest auch auf den Anbau. Produkte, die unter anderem Stoffe aus gentechnisch veränderten Organismen enthalten, verspeisen wir längst. Kontrolleure des Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamtes Freiburg fanden im Jahr 2003 in fast einem Viertel von 233 Proben GVO-Spuren: zum Beispiel in Suppen und Fertiggerichten mit Soja- oder Maismehl, in Tofu, Schokolade, Säuglingsnahrung sowie Tortillas, Brötchen und Knabbergebäck. Der Grund: Europa ist keine Insel. So stammen die nach Deutschland importierten 30 Millionen Tonnen Soja-Rohstoffe zum großen Teil aus Argentinien und den USA, wo gentechnisch veränderte Soja häufig mit konventionell gewachsenen Bohnen vermischt wird.

10. Wie erkenne ich künftig GVO-Produkte?


Ab dem 18. April müssen neu hergestellte gentechnisch veränderte Lebensmittel und die entsprechenden Zutaten deutlich gekennzeichnet sein - mit dem Zusatz "gentechnisch verändert" bzw. "enthält genetisch veränderte xyz...", der auf dem Etikett oder der Zutatenliste anzubringen ist - und auf der Speisekarte im Restaurant. Nicht ausgewiesen sind allerdings Lebensmittel, die nicht aus, sondern mit Hilfe von GVO hergestellt wurden, etwa Milch und Fleisch von Tieren, die mit genverändertem Mais gefüttert wurden.

Katja Trippel

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Mitarbeit:Nicole Heissmann

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