VG-Wort Pixel

Entwarnung für die Bohne Kaffee ist ein Krankmacher? Von wegen!

Lange war er verpönt und wurde für diverse Krankheiten verantwortlich gemacht - doch heute sagen selbst Mediziner: Kaffee und eine gesunde Lebensweise sind keine Widersprüche.

Kaffeetrinker leben länger. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher der Harvard University, nachdem sie die Daten von rund 200.000 Frauen und Männern ausgewertet hatten. Demnach erkranken Kaffeetrinker seltener an Herz- Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes als Menschen, die Kaffee verschmähen. Nach Ansicht der Wissenschaftler spiele es zudem keine Rolle, ob er mit oder ohne Koffein getrunken wird – der Zusammenhang besteht für beide Sorten.

Diese Erkenntnis überrascht, und sie ist angesichts der bewegten Geschichte des Getränks umso verblüffender: Über Jahrzehnte, gar Jahrhunderte lang haftete Kaffee das Image eines Krankmachers an. Bereits im Jahr 1781 warnte Franz Joseph Hofer, Autor des Buches "Abhandlung vom Kaffee", vor seinen möglichen schädlichen Wirkungen: So beobachtete er, dass Kaffee "bleich", ja sogar "aufgedunsen" mache und Menschen "in alle Gattungen Nervenkrankheiten" stürze.

Beobachtungsstudien schienen das Bild des ungesunden Getränks zunächst zu festigen: Kaffee galt lange Zeit als Auslöser für Herzkrankheiten und Bluthochdruck. Allerdings beruhte dieser Zusammenhang wohl auf einem Missverständnis: Kaffeetrinker leben häufig ungesund, zum Beispiel rauchen viele von ihnen. Wird dieser Umstand in Studien nicht berücksichtigt, erscheint es so, als sei Kaffee für die Krankheiten verantwortlich – ein Trugschluss.

Derzeit existieren zahlreiche Studien, die Kaffee einen gewissen gesundheitlichen Nutzen zusprechen, aber auch solche, die das nicht tun. Ist Kaffee also ein Freund – oder ein Feind?

Dieser Frage ging der US-amerikanische Arzt und Journalist Aaron E. Carroll nach, der für die New York Times schreibt. Carroll sichtete und bewertete zahlreiche Studien zu dem Thema – und kam zu dem Schluss: "Kaffee galt lange Zeit als ungesund. Aber fast alle Vorwürfe sind mittlerweile überholt. Tatsächlich gibt es überraschend viele potenzielle gesundheitliche Vorteile, die von Kaffee ausgehen."

Koffein wirkt schnell: Nach 45 Minuten fühlt man sich fitter und wacher

Die große Menge, die Jahr für Jahr getrunken wird, spricht jedenfalls für sich: Kaffee ist längst nicht mehr so verpönt, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war. Rund 810 Tassen trinkt der Durchschnittsdeutsche pro Jahr – und damit mehr als Mineralwasser oder Bier. Eilige nehmen ihn "To Go" auf die Hand, Kaffeeliebhaber trinken ihn in einer der zahlreichen neuen Barista- Salons, wo viel Wert auf Qualität und Genuss gelegt wird. Entsprechend groß ist die Auswahl. Aus Espresso mit einem Schuss heißem Wasser entsteht ein Americano, mit Sojamilch verquirlt ein Soja-Latte, und all jene, die es ausgefallen mögen, trinken "Cold Brew Coffee": grob gemahlene Bohnen werden mit kaltem Wasser aufgegossen und ziehen über Nacht. Das ergibt ein Konzentrat für sehr säurearmen Kaffee.

Gemein ist allen Bohnengetränken das Koffein. Dabei handelt es sich um einen natürlichen Pflanzenwirkstoff, der auch in Kakaobohnen steckt, den Blättern des Matestrauchs, grünem und schwarzem Tee. Der Körper nimmt das Koffein schnell auf, nach rund 30 Minuten ist die höchste Konzentration im Blut erreicht.
Die Stimulation setzt nach 45 Minuten ein: Die Substanz macht fitter, wacher, steigert die Aufmerksamkeit.

Längst hat die Pharmaindustrie Koffein als Arznei entdeckt. Der Stoff lindert nämlich leichte Schmerzen, etwa Kopfschmerz, indem er die Blutgefäße im Gehirn verengt. Viele gängige Schmerzmittel enthalten deshalb Koffein, das die Wirkung der Tabletten verstärken soll. Das ist nicht unumstritten. Kritiker argumentieren, die anregende Wirkung des Koffeins könne Patienten dazu verleiten, Schmerzmittel häufiger als nötig einzunehmen.

Bis zu vier Tassen Kaffee sind unbedenklich

Nicht mehr als 400 Milligramm Koffein sollten Erwachsene über den Tag verteilt zu sich nehmen, Schwangere und Kinder noch weniger. Das entspricht in etwa der Menge, die in vier Tassen Filterkaffee enthalten ist. Sie gilt laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) als unbedenklich. Heißt: Von ihr geht für gesunde Erwachsene keine Gefahr aus. Erst in Mengen getrunken, kann Kaffee zu Komplikationen führen, die letale Dosis liegt bei etwa zehn Gramm Koffein.

Die Skepsis gegenüber Kaffee ist jedoch nach wie vor groß. So hält sich etwa hartnäckig die Behauptung, Kaffee erhöhe das Risiko für bestimmte Tumorarten. Ganz abwegig ist das nicht: Beim Rösten der Bohnen entsteht die chemische Verbindung Acrylamid. Sie wirkt im Tierversuch krebserregend. Allerdings sind diese Ergebnisse nicht zwingend auf den Menschen übertragbar.

Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Studien deuten eher auf einen schützenden Effekt durch Kaffee hin. Nach Angaben des Krebsinformationsdienstes scheint Kaffee das Risiko für Nierenkrebs oder auch Dickdarmkrebs zu senken. Gleiches gilt für Tumore der Leber: So haben Menschen, die vier Tassen Kaffee am Tag trinken, ein geringeres Leberkrebsrisiko als Menschen, die weniger als zwei Tassen täglich trinken. Eine Meta-Analyse, die vor einigen Jahren in der Fachzeitschrift "BMC Cancer" erschien, wies diesen Zusammenhang sogar für das Auftreten von Krebs im Allgemeinen nach – der größte Effekt war bei moderaten Kaffeetrinkern beobachtet worden.

Warum das so ist, wurde noch nicht abschließend geklärt, doch eine neue Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DifE) weist in dieselbe Richtung: Im Blut von Testpersonen fanden die Wissenschaftler Biomarker, die Hinweise auf zellschützende und entzündungshemmende Mechanismen liefern könnten. Dies spricht dafür, dass es "eine ursächliche Beziehung zwischen einem starken Kaffeekonsum und einem verminderten Leberkrebsrisiko gibt", schreibt die Forscherin Krasimira Aleksandrova.

Widerlegt ist auch der Mythos, wonach Kaffee dem Körper Flüssigkeit entzieht. Zwar erhöht das Getränk kurzfristig den Harndrang, über den Tag verteilt scheiden Kaffeetrinker aber ähnlich viel Flüssigkeit aus wie Nicht- Kaffeetrinker. "Kaffee sowie schwarzer und grüner Tee können in der Flüssigkeitsbilanz wie jedes andere Getränk behandelt werden", schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Rund 1,5 Liter Flüssigkeit pro Tag gelten als ideal.

Auch die pauschale Behauptung, Kaffee treibe den Bluthochdruck nach oben, ist so nicht mehr zu halten. Dieser Effekt lässt sich lediglich bei gelegentlichen Kaffeetrinkern beobachten, deren Blutdruck im Schnitt um etwa 10 bis 20 mmHg steigt und nach einigen Minuten wieder sinkt. Menschen, die regelmäßig Kaffee trinken, scheinen dagegen eine gewisse Toleranz zu entwickeln: Bei ihnen steigt der Blutdruck nach einer Tasse kaum noch. "Vier bis fünf Tassen Kaffee oder Tee können Sie, auf zwei bis drei Mal am Tag verteilt, ohne Bedenken trinken", heißt es auf der Seite der Deutschen Herzstiftung. Menschen mit Bluthochdruck sollten dagegen Rücksprache mit ihrem Arzt halten – in den meisten Fällen spricht jedoch auch bei ihnen gar nichts gegen einen moderaten Kaffeekonsum.

Kaffee sollte so getrunken werden, wie er aus der Kanne kommt: pur und schwarz

Selbst große staatliche Institutionen rücken mittlerweile von der Vorstellung ab, Kaffee sei ungesund und mache krank. In den Ernährungsleitlinien für US-Amerikaner, Anfang des Jahres aktualisiert, wird Kaffee als Bestandteil einer gesunden Ernährung gelistet – zum ersten Mal seit 30 Jahren. Geraten wird zu moderatem Konsum, also drei bis fünf Tassen am Tag. "Es gibt solide Anhaltspunkte dafür, dass mäßiger Kaffeekonsum auf lange Sicht nicht mit erhöhten Gesundheitsrisiken für gesunde Menschen einhergeht", heißt es nun dort. Und: "Moderater Kaffeekonsum kann zu einem gesunden Ernährungsstil dazu gehören." Ein paar Bedingungen nennen die Experten dann aber doch, vor allem empfehlen sie, das Getränk nicht mit Unmengen Zucker und Milch zu verrühren. Nach Möglichkeit sollte Kaffee nämlich so getrunken werden, wie er aus der Kanne kommt: pur und schwarz. So enthält er verschwindend wenig Kalorien, kein Fett oder Kohlenhydrate.

In dieser Frage sind sich tatsächlich fast alle Fachrichtungen einig: Zu viel Zucker schadet, auch im Kaffee. Menschen, die regelmäßig gesüßten Kaffee trinken, erhöhen ihr Risiko für Übergewicht und Typ-2-Diabetes; von dem für Karies ganz zu schweigen. Fertige Kaffeegetränke aus dem Kühlregal sind wahre Kalorienbomben: Sie enthalten teilweise acht Stück Würfelzucker und erreichen damit Werte von bis zu 280 Kilokalorien pro Becher, das entspricht dem Gehalt einer ganzen Zwischenmahlzeit. Die DGE rät deshalb von diesen Getränken ab.

Einen generellen Zuckerverzicht will Christa Müller, Professorin am Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn, dennoch nicht empfehlen. Menschen, die ab und an Zucker in den Kaffee nehmen, brauchen deshalb "kein schlechtes Gewissen zu haben", sagt die Expertin, die zu der gesundheitlichen Wirkung von Kaffee forscht. "Zucker liefert Energie, und klar, er schmeckt auch." Solange es beim gelegentlichen Genuss bleibe, sei gegen diesen Süßmacher nichts einzuwenden.

Wer Kaffee gerne trinkt und auch gut verträgt, kann das also bedenkenlos tun. "Die Zeiten, in denen wir uns beim Kaffee zurückhalten mussten, sind vorbei", sagt der amerikanische Mediziner Aaron Carroll. "Kaffee ist ein angemessener Bestandteil der gesunden Ernährung und birgt aus wissenschaftlicher Sicht mehr potenzielle Vorteile als ein Großteil der Getränke, die wir täglich sonst so trinken." Darauf sollten wir uns doch noch ein Kännchen bestellen.

Kaffeebohnen Test: Hier geht es zum Kaffeebohnen Vergleich. 

Löslicher Kaffee Test: Hier geht es zum löslicher Kaffee Vergleich.

Mehr zum Thema

Newsticker