Ansteckende Hautkrankheit Krätze auf dem Vormarsch - Liebespaare und Kinder besonders gefährdet

Die Krätze ist wieder auf dem Vormarsch
Die Krätze wird durch Milben ausgelöst
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Quälender Juckreiz, Verkrustungen, Bläschen: Seit 2012 ist die Hautkrankheit Krätze wieder auf dem Vormarsch. Besonders gefährdet sind Liebespaare und pflegebedürftige Menschen. Auch Kitas sind betroffen.

Die Krätze ist wieder auf dem Vormarsch. Seit 2012 steigen die Zahlen der Betroffenen stark an. Zurzeit grassiert die Krankheit vor allem in Schleswig-Holstein. Dort sind es hauptsächlich Pflegeheime, Kitas und Schulen, an denen Fälle von Krätze bekannt sind. Der Kreis Stormarn setzte am Dienstag eine Warnmeldung ab. Das berichten die "Lübecker Nachrichten". Im Interview mit dem stern erklärt der Dermatologe Dr. Wolfgang Lensing, was es mit der Krätze auf sich hat, wer betroffen ist und wie man sich schützen kann.

Dr. Lensing, was steckt genau hinter einer Krätze?

Das ist eine ansteckende Hauterkrankung, die durch Skabies-Milben verursacht wird, der Volksmund nennt sie Krätzmilben. Sie gehören zur Gattung der Spinnentiere, haben ein kräftiges Gebiss und leben parasitär.

Was heißt das?

Parasiten benötigen andere Lebewesen, um sich fortzupflanzen und zu ernähren. Die Skabies-Milbe hat sich auf den Menschen spezialisiert.

Reicht eine trächtige Milbe aus für eine Erkrankung?

Ja. Das Weibchen beißt sich durch die oberste Hautschicht, das Stratum corneum, und gräbt dort Tunnel, in denen es Eier ablegt. Daraus schlüpfen in zwei bis drei Tagen Larven, die dann an die Hautoberfläche ausschwärmen.

Gibt es Körperregionen, die von den Tieren bevorzugt befallen werden?

Dünne, weiche Hautareale wie Hand- und Zehenzwischenräume, Nabel, Achsel- oder Intimbereich. Dort entwickeln sich aus den Larven in zwei bis drei Wochen geschlechtsreife Milben, die sich vermehren.

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Krätze: So wird sie behandelt

Klassisch behandelt wird Skabies mit einer Permethrin- Creme, die vor dem Schlafengehen auf dem gesamten Körper verteilt und nach acht bis zehn Stunden abgeduscht wird. Alarmiert durch die Infektionszahlen wurde 2016 im Eilverfahren ein neues Medikament in Tablettenform zugelassen.
Es enthält Ivermectin, das den Stoffwechsel der Milben blockiert und sie innerhalb von 24 Stunden abtötet. In der Regel reicht die einmalige Einnahme.


Ist ein Fall von Krätze aufgetreten, müssen alle Familienmitglieder behandelt werden, egal ob sie Hautausschläge haben oder nicht. Bei Borkenkrätze gilt das sogar für jeden, der nur ganz kurz Kontakt mit dem Patienten hatte.

Hat es mit mangelnder Hygiene zu tun, wenn man als Wirt gewählt wird?

Nicht das Geringste. Skabies-Milben sind seit Jahrtausenden treuer Begleiter der Menschheit, sie besiedeln Personen jeden Alters und jeder Herkunft. Eine auffallende Zunahme hierzulande verzeichnen Dermatologen seit etwa 2012. Ich hatte in meiner Praxis früher zehn bis zwölf Fälle im Jahr. Heute sind es ein bis zwei am Tag.

Sind alle Menschen gleichermaßen betroffen?

Betroffen sind vor allem Liebespaare und pflegebedürftige Menschen.

Warum ist die Ansteckungsgefahr bei diesen beiden Gruppen größer?

Die Tiere brauchen zum Wirtswechsel mehrminütigen Hautkontakt wie er beim Kuscheln, beim Sex oder bei der Körperpflege entsteht. Wer jung ist, hat mehr Sex. Wer alt ist, braucht oft Pflege. Über Textilien steckt man sich kaum an, auch nicht beim Begrüßungskuss oder beim Händeschütteln.

Woran merkt man, dass man befallen ist? Was sind typische Symptome?

Oftmals entstehen Verkrustungen und Bläschen. Besonders am Penisschaft sind sie Zeichen für Skabies. Und Juckreiz, der nachts noch zunimmt, weil die Immunabwehr in dieser Zeit Zelltrupps aktiviert, die die Parasiten bekämpfen. Symptome zeigen sich jedoch erst zwei bis fünf Wochen nach der Besiedlung.

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Spätestens dann müsste die Diagnose doch ein Leichtes sein?

Übernommen aus...

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Einfach ist sie nur bei der Borkenkrätze: Die Skabies crustosa kann bei geschwächtem Immunsystem auftreten. Ohne Immunabwehr vermehren sich die Milben ungehemmt, millionenfach. Bei einer Crustosa reicht schon ein kurzer Kontakt, um sich anzustecken.
Schwieriger ist das Erkennen einer "gepflegten Skabies", bei der nur etwa zehn bis zwölf Milben aktiv sind. Duschen und Cremen hält ihre Zahl nämlich in Schach.

Bedeutet das, dass Hygiene die Diagnose verzögert?

Ja. Neuerdings scheinen die Milben auch unauffälliger zu arbeiten: Das klinische Erscheinungsbild einer gepflegten Skabies ähnelt einem Ekzem oder einer Allergie. So können Wochen oder Monate vergehen, bis der Verdacht auf Krätze fällt. Gewissheit liefert erst die mikroskopische Untersuchung.

Und dann?

Ein Anti-Milben-Medikament tötet die Erreger zügig ab. Die Symptome können jedoch länger anhalten, weil die Immunabwehr die Überreste von Milben, Eiern und Kot abstößt.

Kann man sich und seine Familie vor einer erneuten Infektion schützen? Welche Maßnahmen empfehlen Sie?

Ratsam ist es, Bettwäsche, Handtücher und Kleidung bei 60 Grad zu waschen. Und wichtig ist, die Fingernägel kurz zu halten. Unter langen Nägeln bleiben die Tierchen gern hängen.

Dr. Wolfgang Lensing arbeitet als Dermatologe in Hannover.

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