Mammografie-Screening Werben mit der Brustkrebs-Angst

Von Ilona Kriesl
Die Schauspielerin Nina Petri wirbt in einer großen Anzeige mit den Worten "Ich liebe meinen Busen" für die Mammografie. Allerdings werden die Risiken des Brustkrebs-Screenings mit keinem Wort erwähnt. So würden lediglich Ängste geschürt, Frauen aber nicht ausreichend aufgeklärt, kritisiert eine Expertin.

Eine Mammografie dauert nicht lange: Der Arzt untersucht die Brust mithilfe eines Röntgengeräts und macht einige Aufnahmen. Zwei Mediziner werten die Bilder im Anschluss unabhängig voneinander aus. Brustkrebs soll so in einem möglichst frühen Stadium entdeckt und die Überlebenschancen der Patientinnen verbessert werden. Seit dem Jahr 2005 kommt die Früherkennung flächendeckend zum Einsatz, die Krankenkassen zahlen die Untersuchung für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Der Nutzen der Untersuchung scheint auf den ersten Blick klar: Krebs früh erkennen, behandeln - und auf diese Weise die Überlebenszeit der Patientinnen verlängern.

Auch die Schauspielerin Nina Petri hatte sicherlich Gutes im Sinn, als sie sich für das Hamburger Mammographie-Screening-Zentrum fotografieren ließ. Das Zentrum ist eine private Praxis, die mit dem Gesundheitsamt in Bremen kooperiert. Dort befindet sich die Zentrale Stelle des Mammografie-Screenings, die Einladungen und Terminvorschläge für alle Frauen verschickt, die einen Anspruch auf das Screening haben – und das für mehrere Bundesländer, darunter auch Hamburg.

Die Kampagne mit dem Titel "Ich liebe meinen Busen" stammt zwar bereits aus dem Jahr 2013, wird derzeit aber wieder als Zeitungsanzeige veröffentlicht. Großflächig wirbt die 52-jährige Schauspielerin darin für die Untersuchung. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sei von dem Screening "überzeugt". So steht es in dem Inserat, für das vier Mediziner des Zentrums verantwortlich zeichnen.

Hinweis auf Risiken der Mammografie fehlt

Was die Annonce jedoch verschweigt: Das Mammografie-Screening ist durchaus umstritten und birgt auch Risiken. Zwar rettet es manche Frauen vor dem Brustkrebstod, gleichzeitig schadet es anderen. Bei ihnen werden Tumore diagnostiziert, die diesen betroffenen Frauen nie Probleme bereitet hätten. Es ist auch möglich, dass Ärzte einen Hinweis auf eine Krebserkrankung finden, obwohl keine Erkrankung vorliegt. Mediziner sprechen dann von einem falsch-positiven Ergebnis, einem Fehlalarm. Meist folgen auf so einen Befund weitere Untersuchungen, Biopsien oder Operationen. Maßnahmen, die Betroffene psychisch stark belasten können - und das vollkommen unbegründet.

Nach Zahlen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) können von 1000 Frauen, die zehn Jahre lang am Screening teilnehmen, ein bis zwei Frauen vor dem Brustkrebstod gerettet werden. Für diese Frauen ist das Screening tatsächlich von großem Nutzen. Doch dem gegenüber stehen auch etwa fünf bis sieben Frauen, bei denen Tumoren entdeckt werden, die nie Probleme bereitet hätten. Auch diese Frauen erhalten dann Operationen und Chemotherapien. Diese Risiken verschweigt die Annonce. Auf Anfrage des stern hat sich das Zentrum bislang schriftlich nicht zu der Werbung geäußert.

Werbung könnte Frauen in die Irre führen

Ingrid Mühlhauser vom Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. hält die Screening-Werbung, die nicht auf die Risiken eingeht, für unmoralisch. "Frauen werden dadurch in die Irre geführt und Ängste geschürt", sagt die Medizinerin. "Es ist inakzeptabel, die Daten zu einem heiklen Thema auf diese Weise zu präsentieren." Mühlhauser warnt auch davor, dass die Annonce Frauen dazu verleiten könnte, den Nutzen der Untersuchung zu überschätzen. Schon jetzt würden viele Frauen glauben, das Screening könne eine Krebserkrankung verhindern. Allerdings trägt es lediglich zu einer frühen Diagnose bei.

Über Sinn und Unsinn des Screenings tobt in der Fachwelt seit geraumer Zeit ein Streit. Einige Experten fordern daher eine Neubewertung des Risiko-Nutzen-Profils. Eine Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam vor drei Monaten zu einem eindeutigen Ergebnis: Experten der WHO-Agentur für Krebsforschung (IARC) sichteten zahlreiche Studien und schlussfolgerten, dass der Nutzen den Schaden des Screenings überwiege - zumindest für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Das Swiss Medical Board, ein unabhängiger Zusammenschluss von Experten aus Medizin, Ökonomie und Ethik, kam dagegen zu einem anderen Ergebnis: Die Schweizer Experten sprechen sich gegen Screening-Programme aus und empfehlen, bestehende Programme zu befristen.

"Unbestritten ist, dass das Mammografie-Screening nicht ausschließlich nutzt, sondern auch erheblichen Schaden anrichten kann", sagt Ingrid Mühlhauser. Frauen sollten sich daher vor einem Screening ausreichend informieren, am besten bei unabhängigen Stellen wie der Patientenberatung Deutschland. Ziel sei, dass Frauen eine informierte Wahl träfen - für oder gegen die Mammografie. "Diese Entscheidung sollte jeder Einzelnen selbst überlassen werden", so Mühlhauser. Eine Werbung, die Ängste schürt, dürfte dabei wenig hilfreich sein.

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