Vier von zehn essgestörten Jugendlichen in den USA fügen sich einer neuen Studie zufolge auch selbst Verletzungen zu. Die Zahl falle vermutlich noch höher aus, da die Wunden oftmals nicht entdeckt werden, hieß es in einer von der Universität Stanford und der kalifornischen Kinderklinik Lucile Packard veröffentlichten Studie.
Ein Grund dafür sei, dass viele Ärzte selbstverletzendes Verhalten bei ihren jungen Patienten nicht in Betracht ziehen: "Bei einem Termin mit einem unschuldig aussehenden Zwölfjährigen denkt doch niemand daran, ihn nach möglichen Selbstverstümmelungen zu befragen," erklärte eine der Autorinnen, Rebecka Peebles. Ähnlich wie beim Rauchen müssten es sich Ärzte zur Gewohnheit machen, ihre jungen Patienten auch danach zu fragen, ob sie sich ritzten oder ähnliche Verletzungen beibrächten, so die Wissenschaftlerin.
Junge Frauen sind besonders betroffen
Für die im "Journal of Adolescent Health" veröffentlichte Studie werteten die Forscher die Krankenakten von 1432 Patienten im Alter von zehn bis 21 Jahren aus, die zwischen 1997 und 2008 wegen Essstörungen in dem Kinderkrankenhaus behandelt wurden. Knapp 90 Prozent der Patienten waren weiblich.
Betroffen waren sowohl Bulimiekranke als auch Esssüchtige oder Patienten mit sogenanntem Purging-Verhalten, die sich erbrechen oder Abführmittel, Entwässerungsmittel und Ähnliches missbrauchen. Die Studie fand heraus, dass Jugendliche, die sowohl unter Ess- als auch unter Brechsucht leiden, stärker dazu neigen, sich selbst zu verletzen als Altersgenossen, die nur eine Essstörung aufweisen.
Viele Patienten "ritzten" sich
Die meisten Verletzungen entstanden laut Studie durch "Ritzen", also durch Einkerben oder -schneiden der Haut mit scharfen Gegenständen wie Messern, Rasierklingen oder Scherben.
Mediziner und Psychologen sehen im selbstverletzenden Verhalten keine Krankheit, sondern meist ein Symptom für schwere seelische Belastungen. Bei den betroffenen Menschen bestehe in der Regel keine direkte Suizidabsicht, wenngleich das Phänomen oftmals auch auf ein größeres Selbstmordrisiko hinweise.