Es ist immer etwas verwegen zu sagen, eine Stadt sei musikalisch. Eigentlich kann sie das gar nicht sein, denn selbst die Autos hupen ja überall gleich. Aber es mag den inneren Notenschlüssel schon prägen, wem man so auf der Straße begegnet und was so aus den Fenstern herausklingt.
So muss es in der englischen Stadt Leicester gewesen sein, in der Mahalia Rose Burkmar geboren wurde. Hier konnte man Engelbert Humperdinck beim Bäcker treffen oder den mittlerweile verstorbenen Deep--Purple-Gründer Jon Lord an der Ampel. Die bei uns nicht so bekannte Sängerin Sam Bailey läuft dort ebenfalls herum, und auch Mahalias Eltern lebten von der Musik: Ihr Vater ging etwa mit dem Popduo Erasure auf Tour.
Leicester gilt als eine der ethnisch vielfältigsten Städte Englands und ist bis heute etwas, das man ein Gewächshaus der Kulturen und Stile nennen könnte. In diesem Gewächshaus hat Mahalia als Kind Gitarre gelernt und eigene Songs geschrieben, die nicht von modischer Flüchtigkeit waren, sondern in denen sie nach den tiefen Wurzeln des good old Soul suchte.
Mahalias Sound erinnert an Songs von vor 20 Jahren
Man könnte auch sagen: Mahalia spielt einen Retrosound, den sie sich bei Stars wie Alicia Keys und Lauryn Hill abgeschaut hat, diesen geduldigen und lauernden Groove. Die Kritik beschrieb ihre Musik einmal als Neo-Soul, der sich in manchen Momenten wie eine flauschige Spielart des R 'n' B anhört. Wenn man Mahalias Musik im Hintergrund abspielt, klingt das teilweise tatsächlich nach Songs von vor 20 Jahren. Was aber Qualität bedeutet, denn Mahalia singt und spielt das alles mit einer Intensität, die heute nur selten zu hören ist.
Das mag auch daran liegen, dass die junge Mahalia sich einen damals noch unbekannten Musiker zum Vorbild nahm, der sie durch seine Intensität und Unbedingtheit fasziniert hatte: Ed Sheeran. Mahalia reiste zu seinen Konzerten und stand immer im Publikum, um zu verstehen, wie er das macht, wie er Songs schreibt und singt. Ein paar Jahre später hörte auch Sheeran ihr zu und lud sie als Support zu seinen Konzerten.
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Beide, Sheeran und Mahalia, haben eine musikalische Biografie, die von unten kommt. Sie, so sagte man früher, tingelten durch die Provinz. Sie haben in Pubs und in Fußgängerzonen gespielt, um zu spüren, was ankommt und wie sich die Musik mit dem Leben des Publikums verbindet.
Die 25-jährige Mahalia klingt älter, als sie ist
Diese Dichte hört man auf Mahalias neuem Album "IRL", was "In Real Life" bedeutet, "im richtigen Leben". Also das Gegenteil zum anstrengenden Leben in den sozialen Medien, zum ewigen Streben, in der Liebe den Richtigen zu finden, zu den Zweifeln, wer überhaupt der oder die Richtige ist. Mahalia setzt der Nervosität und der Hysterie der jungen Generation die Coolness und Gelassenheit des Soul entgegen. Das führt dazu, dass sie älter klingt, als sie eigentlich ist (25) und dass in manchen Songs die Ruhe auch ein bisschen zur Trägheit wird.
"Es war für mich wie ein großes Ausatmen. Ich habe es einfach geschrieben und wollte keinerlei Trends folgen“, sagt Mahalia über das Album. Manches davon hört sich zeitlos an. "Cheat" ist wunderbar, "Letter to UR Ex" und "Bag of You" auch. Wie eine CD von früher.