Buch "Klaviatur des Todes" Die blutige Arbeit eines Rechtsmediziners

Kein Film ist so grausam wie die Realität. Der Eindruck entsteht zumindest bei der Lektüre des neuen Buches von Michael Tsokos. Der Rechtsmediziner schildert wahre Fälle aus seiner täglichen Arbeit.

Für Michael Tsokos ist es "beste Beruf der Welt", anderen läuft schon beim Lesen ein Schauer über den Rücken: Was der Autor in seinem Buch "Die Klaviatur des Todes" beschreibt, geht im wahrsten Wortsinn unter die Haut. Der 46-Jährige leitet das Institut für Rechtsmedizin an der Berliner Charité und ist Deutschlands bekanntester Gerichtsmediziner. Er findet heraus, was die Toten auf seinem Seziertisch nicht mehr erzählen können: War es ein tragischer Unfall, ein brutaler Mord oder ein ungewollter Suizid?

Tsokos will aufräumen mit Klischees von verrückten und sarkastischen Rechtsmedizinern, die Fernsehserien wie Tatort oder CSI geprägt haben. "Wir gehen einem - für uns jedenfalls - ganz normalen Beruf nach", stellt er im ersten Kapitel klar. Doch nach mehr als 300 Seiten voller blutiger Geschichten, wird so mancher Leser froh sein, einen anderen "normalen" Job zu haben.

Der Autor lässt keine grausamen Details aus

Denn Tsokos verschont einen nicht mit den mitunter grausamen Details seiner täglichen Arbeit. So erfährt man, wie der Rechtsmediziner anhand der Blutspritzer am Tatort die brutalen Schläge des Täters rekonstruieren kann oder wie das Innenleben eines Toten aussieht, der an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben ist.

Der Gerichtsmediziner beschreibt seine Arbeit sachlich, manchmal fast unerträglich präzise, beispielsweise die mühsame Obduktion der zerstückelte Leiche eines Tätowierers oder die Einzelheiten eines Sexualmordes an einer jungen Angestellten. Angereichert werden die Fallschilderungen meist mit ergänzenden Informationen zu den jeweiligen Tötungsdelikten. Worin liegt der Unterschied zwischen stumpfer, scharfer oder halbscharfer Gewalteinwirkung oder wie erkennt man, dass sich ein vermeintliches Opfer seine Verletzungen selbst zugefügt hat?

Mit dem Bambi ausgezeichnet

Nicht selten schwingt bei Tsokos' Beschreibung auch der Stolz darüber mit, dass es er selbst oder einer seiner Kollegen war, der das entscheidende Puzzlestück zur Aufklärung eines Falls lieferte. Im Mai 2009 sorgte er mit seiner These für Schlagzeilen, dass es sich bei einer anonymen, in den Kellern der Charité aufbewahrten Leiche um die von Freikorpsangehörigen ermordete Rosa Luxemburg handeln könnte. Diese Theorie ist bis heute nicht bewiesen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Tsokos den Sektionssaal für den Leser öffnet. Bereits in seinen Büchern "Dem Tod auf der Spur" (2009) und "Der Totenleser" schilderte der Mediziner wahre Fälle aus seiner täglichen Arbeit. Mit dem Journalisten Sebastian Fitzek verfasste er außerdem den Thriller "Abgeschnitten" (2012).

Seit 2007 leitet Tsokos die Rechtsmedizin der Charité sowie das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Für seinen Einsatz zur Identifizierung der deutschen Tsunami-Opfer in Thailand erhielt er 2005 einen Bambi.

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Söhnke Callsen, DPA