Klaus-Peter Wolf ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller des Landes. Von seinen Ostfriesen-Krimis hat er bereits 13 Millionen Stück verkauft. Ein Gespräch über bizarre Fan-Kontakte in der Pandemie, signierte Brötchentüten und norddeutsche Gelassenheit.
Herr Wolf, Ihr neuer Roman "Ostfriesenzorn" sprang gerade sofort von Null auf Platz 1 in allen Taschenbuch-Bestsellerlisten. Zufrieden?
Zufrieden? Ich bin echt platt. Das ist das zwölfte Mal in Folge und das zweite Mal während der Pandemie.
Wie anders ist das Schriftsteller-Leben in Corona-Zeiten?
Das Schreiben ist ja ein einsames Geschäft. Um so mehr freut man sich dann, mit dem fertigen Buch unter die Leute zu gehen. Und das fällt jetzt leider weg. Bei meinem Roman davor, "Rupert Undercover", war wenigstens noch eine Premiere im Autokino möglich, jetzt bei "Ostfriesenzorn" ging nicht mal mehr das. Ich weiß jetzt, wie sehr ich das gebraucht habe. Ich bin eine Rampensau.
Was war geplant?
Normalerweise wäre ich jetzt mit meiner Frau Bettina Göschl auf einer großen Tournee gewesen. Sie singt Krimilieder. Ich lese vor. Die Premiere in der Stadthalle Verden mit 1.400 Plätzen mussten wir natürlich absagen, andere Events ebenfalls. Insgesamt haben wir 64 ausverkaufte Veranstaltungen canceln müssen. Keine literarisch musikalischen Krimiabende. Keine Signierstunden. Und die Buchmesse in Leipzig fällt auch aus.
Also alles Mist. Nichts geht mehr.
Nicht ganz. Wir versuchen, das Beste draus zu machen und werden digital. "Ostfriesenzorn" hatte eine Online-Premiere. Die ist auf YouTube zu sehen. Außerdem hat es Gespräche mit 125 BuchhändlerInnen online gegeben. Und das blieb nicht folgenlos.
Inwiefern?
Viele von denen haben mir, was mich ungeheuer beeindruckt hat, dann Bücherkisten gebracht – oft sind sie dafür Stunden gefahren.
Wie? Nach Hause zu Ihnen in den Norden?
Ja. Wir haben Treffpunkte in der näheren Umgebung abgemacht. Dort erfolgte die Übergabe.
Und dann?
Habe ich - wie in einem TV-Krimi - die Ware übernommen und zu Hause die Bücher signiert, damit sie in ihren Läden, obwohl die Signierstunde ausfällt, trotzdem Bücher mit ein paar Worten von mir anbieten konnten.
Von wie vielen Büchern reden wir hier?
In den ersten vier Tagen habe ich 1.980 Romane signiert und zwar nicht nur mit "Herzlich, Klaus-Peter Wolf", sondern die Kunden konnten persönliche Signierungen bestellen. Also "Für Susi zum Geburtstag mit herzlichen Grüßen".
Gab es denn vor Ort Begegnungen mit den Leuten, die die Kisten anlieferten?
Eher nicht. Man muss ja aufpassen. Eine Buchhändlerin beschrieb es so: "Da fühlen sich Signierstunden an wie Drogen- oder Waffenschmuggel. Man fährt abends mit einer Maske vor, trifft sich auf einem Autobahnparkplatz, macht den Kofferraum auf, wahrt Abstand, Kisten werden verladen und man rauscht, so cool wie möglich, aber glücklich, es geschafft zu haben, wieder davon."
Kuriere der Wolf- Mafia ...
Genau. Die ist auch bei mir im Ort tätig. Jörg Tapper, der Chef von meinem Lieblingscafe – das ist ja auch im Lockdown – hat ein "Ostfriesenzorn-Paket" kreiert. Ein signiertes Buch von mir, dazu ein Marzipanseehund und Deichgrafkugeln – halt Leckereien von der Küste. Das schlug riesig ein.
Sind Sie eigentlich Ostfriese?
Nö. Ich bin in Gelsenkirchen geboren. Aber als kleiner Junge bekam ich schlecht Luft.
Bedauerlich. Aber wie führt das zu Ostfriesen-Krimis?
Wir machten mal Urlaub mit der Familie an der Nordsee. Und da konnte ich zum ersten Mal richtig durchatmen. Ich war sofort hin und weg. Das Meer, die Deiche, der Wechsel der Gezeiten, das Kreischen der Möwen. Das hat mich nie wieder losgelassen. Und irgendwann bin ich dann mit meiner Frau dorthin gezogen.
Wo leben Sie?
In der ältesten ostfriesischen Stadt. In Norden. Praktisch hinterm Deich. Dort schreiben wir. Meine Frau ist ja auch Autorin. Gemeinsam schreiben wir die Kinder-Reihe "Die Nordseedetektive" …
Sie wohnen ja jetzt in einer Kleinstadt. Wie reagieren die Einheimischen auf ihren prominenten Nachbarn?
Mit norddeutscher Gelassenheit. Wir hier leben ja vom Tourismus. Erst einmal wird jeder freundlich aufgenommen. Wenn Sie sich hier als Serienkiller verstecken wollten – ideal. Da fragt keiner: Was will du hier? Sondern: Willkommen. Schönen Urlaub!

Aber Sie haben die Stadt Norden und Umgebung sozusagen berühmt gemacht.
Ja, herrlich. Meine Leser sitzen dann zum Beispiel im Café Ten Cate und sagen sich: Hier hat der Serienkiller seine Frau kennengelernt. Das mit dem Killer ist natürlich ausgedacht. Aber das Café gibt es tatsächlich. Alle Orte in meinen Romanen sind real. Und auch einige Personen.
Zum Beispiel?
Es gibt da etwa den Handwerker Peter Grendel. Ein Nachbar von uns. Da waren wir zum Grillen eingeladen. Ich war am Schreiben, als wir losmussten, und gerade dabei, eine Figur zu erfinden. Einen ehrlichen, soliden Handwerker, der sogar Steuern zahlt und der Nachbar meiner Kommissarin ist. Und wir gehen rüber zu unseren Nachbarn, und dann seh´ ich ihn am Grill stehen. Ein Kerl wie ein Baum. Hände wie Bratpfannen. Maurer. Und ehrlich bis auf die Knochen. Und so wurde Peter zur Buchfigur.
Wie haben Sie ihn denn gefragt?
Ich sagte: "Peter, darf ich dein Leben fiktionalisieren?
Und wie war die Reaktion
Der guckte erst mal nur. Das wird man ja nun auch nicht jeden Tag gefragt. Und ich sagte: "Ich will eine Figur erfinden, die heißt wie du. Die sieht aus wie du, und die ist mit deiner Frau verheiratet. Die fährt dein Auto. Aber die wird krasse Dinge erleben, die du nie erlebt hast. Darf ich das? Und er sagt nur: "Jo". Wir sind schließlich in Norddeutschland.
Hat das Peter Grendels reales Leben verändert?
Nun ja, wie viele Maurer kennen Sie, die in ihrem Heimatort von Fans umlagert werden, um Selfies zu machen? Jörg Tapper signiert manchmal sogar Brötchentüten…
Sie haben also auch Nordens Bewohner zu Promis gemacht.
Ja, den Konditor Jörg Tapper und den Journalisten Holger Bloem zum Beispiel, aber als ich damit begann, ahnten wir ja nicht, wie viele Menschen das mal lesen würden. Es gibt Bus- und Fahrradtouren zu den Schauplätzen der Romane. Und einige Fans rasten richtig aus vor Begeisterung, wenn sie registrieren, dass es sogar die Leute daraus wirklich gibt. Sie lassen sich von denen auch meine Romane signieren.
Neulich stand jemand in der Polizeiinspektion und wollte sich ein Autogramm von meiner Kommissarin Ann Kathrin Klaasen holen. Die habe ich allerdings erfunden. Obwohl – sie hat schon viel von meiner Frau.