Maria Callas Kohlrouladen von der Göttlichen

Von Rupp Doinet
Vor 30 Jahren starb eine der größten Sopranistinnen der Welt: Maria Callas, die "Primadonna assoluta", gilt bis heute als unerreicht. Doch der Opernstar des 20. Jahrhunderts hatte abseits der Musik eine andere Leidenschaft: das Kochen.

Von wegen "Grande Diva", "Göttliche" oder "Tenorissima". Kein Gedanke daran, dass sie "die Fahne an die Spitze der höchsten Fahnenstange geheftet hat", wie der vor kurzem verstorbene Tenor Luciano Pavarotti es einmal formulierte. Für Maria Callas, die berühmteste aller Primadonne, zählte das wenig. "Keine 200 Lire würde ich dafür geben, um mich singen zu hören", offenbarte sie am Höhepunkt ihrer Karriere ihrer Freundin und Kollegin Giulietta Simionato. Was die Königin der Koloraturen wirklich bewegte das waren Kohlrouladen und Co.

30 Jahre nach dem Tod der "Unsterblichen" hat der Callas-Biograph Bruno Tosi ("Die keusche Göttin") diese bisher wenig bekannte Leidenschaft der großen Opernsängerin und Tragödin nun in einem opulenten Kochbuch gewürdigt. Ein Zufall kam ihm dabei zu Hilfe. Im Jahre 2006 hatte Tosi im Nachlass der Sängerin einen Koffer gefunden, voll gepackt mit Kochrezepten und handgeschriebenen Anmerkungen von Maria Callas über Essen und Trinken. Beim Studium des umfangreichen Materials kam der Biograph zu der neuen Erkenntnis, dass Maria Callas "immer davon träumte... am Herd zu stehen und für sich selbst oder ihre Gäste exquisite Köstlichkeiten zuzubereiten".

An Anregungen hat es der singenden Hausfrau nicht gemangelt. Wo immer Maria Callas gut dinierte, notierte sie sich danach das Rezept. Das weltweit berühmte "Carpaccio" aus der legendären "Harrys Bar", das "gelierte Consommé" aus dem venezianischen Hotel "Danieli", die Hühnerlebern aus dem Ristorante "Oliviero e Sabatini" in Florenz. Daneben kaufte Maria Callas kaufte ganze Stapel Boulevardzeitungen und Herz-Schmerz-Gazetten, um die Menü-Tipps vom Stamme der fünf-Minuten-Terrinnen auszuschneiden und in dicke Ordner zu kleben. Sie sammelte Kochbücher, füllte damit ganze Regale in dem Haus in Verona, das sie mit Giovanni Battista Menghini, ihrem ersten Mann, bewohnte.

Ewiger Kampf gegen Kilos und Pfunde

"Titta", wie sie ihn nannte, war allerdings nicht sehr beeindruckt von ihren kulinarischen Experimenten. In seinen Erinnerungen an die weltberühmte Gattin ("Maria Callas, mia moglie"), schrieb er, dass die Ergebnisse "manchmal wirklich ungenießbar waren". Natürlich habe er als liebender Ehemann versucht, das zu ignorieren. "Aber das war nicht immer möglich." Was allerdings vielleicht auch daran lag, dass Maria Callas zu den exquisiten Köstlichkeiten der Küchen eine ähnlich vertraute Beziehung hatte, wie die katholische Kirche zur Sexualität – man war und ist in der Theorie ungemein bewandert, nur in der Praxis gibt es immer mal wieder Anlass zur allgemeinen Verwunderung.

Im wahren Leben nämlich führte Maria Anna Sophie Cecilia Kalogeropoulus, die Tochter eines in die USA emigrierten griechischen Apothekers, der sich kurz "Callas" nannte, einen ewigen Kampf gegen Gramm, Kilos und Pfunde. Die gewonnen Schlachten hat sie in ihren Notizbüchern fast minutiös vermerkt: "Gewicht von 218 Pfund auf 179 Pfund reduziert". "...ging mein Gewicht auf 75 Kilo zurück. Dieses Gewicht hatte ich, als ich die Turandot und im Tristan in Venedig und die Norma in Florenz sang". Und: "Habe ich dann wieder stark zugenommen". Eiserne Disziplin und angeblich auch mal ein Teelöffel frischer Bandwurmeier in einem Glas Champagner halfen ihr später zu einer Figur fast so wie die der von ihr beneideten Schauspielerin Audrey Hepburn.

Sie liebte blutiges Fleisch

Was Wunder, dass Maria Callas sich selbst an Herd und Tisch zurückhielt. "Rohes Gemüse ohne Zugaben, weder Öl noch Salz, wie eine Ziege" erinnerte sich "Titta", ihr Mann. Gleichzeitig liebte sie "blutiges Fleisch", das sie "mit den Zähnen von den Knochen riss, wie eine Raubkatze". Köche und Küchenhelfer hatten die strenge Anweisung, Schokolade und Eiscreme streng hinter Schlössern und Riegeln zu deponieren, um die Chefin nicht in Versuchung zu führen.

Den Gästen und den Männern in ihrem Leben wurde allerdings das volle Verwöhnprogramm zuteil. Doch auch Aristoteles Onassis, reichster Mann der Welt, den Maria Callas 1957 in Venedig bei einem Empfang der weltweit berühmt-berüchtigten Klatschkolumnistin Elsa Maxwell kennen und lieben gelernt hatte, war kulinarisch besehen nicht gerade von großer Bandbreite. Er ließ sich zwar gerne die Gerichte nachkochen, die der Frauenheld Casanova in seinen Memoiren als stärkend empfohlen hatte, begnügte sich am Alltag allerdings mit Trüffeln, Kaviar und griechischem Käse, den er in so großen Mengen verspeiste, dass ihn "dessen Gerüche bei seinen galanten Abenteuern begleiteten", wie Tosi ermittelte.

Der "Göttlichen" verging der Appetit

Anders die Empfänge an Bord der Luxusyacht "Christina" mit dem El Greco an der Wand. Da wurden Gemüse, Fleisch und Früchte extra aus Griechenland eingeflogen und Marzio Zorzetto, der Küchenchef von Onassis, tischte Menüs auf, die "an Raffinesse und Phantasie" kaum zu überbieten waren. Darunter ein Filet in Grappa, das "Titta", den noch Ehemann von Maria Callas blind dafür machte, dass Maria und Aristoteles längst ein Paar waren.

Ein Jahrzehnt später kam Jacqueline Kennedy auf das Schiff, wo ihr eine Polenta mit Stockfisch serviert wurde, die "man mag es kaum glauben, von Jacqueline Kennedy geradezu verschlungen wurde". Maria Callas notierte das Rezept. Jacqueline Kennedy sicherte Polenta mit Stockfisch für immer und ewig, indem sie am 20. Oktober 1968 Aristoteles Onassis heiratete.

Irgendwie ist Maria Callas danach der Appetit vergangen. Es gibt von "der Callas" im letzten Jahrzehnt ihres Lebens keine kulinarischen Offenbarungen mehr. Sie starb am 16. September 1977 in ihrem Pariser Appartement unter noch immer ungeklärten Umständen. Autor Bruno Tosi legt Wert auf die Feststellung, dass die von der Göttlichen hinterlassenen Rezepte zu keinerlei Verstimmungen führen. Sie wurden allesamt überprüft und "angepasst". Als Dessert liegt dem Kochbuch eine CD der Diva bei.

"Maria Callas - La Divina in Cucina" ist erschienen im Südwest-Verlag und kostet 29,95 Euro. ISBN-10: 3517082678