Saddam Hussein Die Rosamunde Pilcher vom Tigris

Wenn ein brutaler Diktator die sanften Seiten an sich entdeckt, greift er wohl zur Feder - wie Saddam Hussein. Sein Roman "Zabibah und der König" ist eine kitschige Liebesgeschichte und offenbart seine realitätsferne Gedankenwelt.

Der gestürzte und von den USA ins Gefängnis gesteckte irakische Diktator Saddam Hussein kommt den Deutschen als einfühlsamer Autor eines Liebesromans ins Haus. Die deutschsprachige Ausgabe eines Liebesromans aus seiner Feder findet auch in der Bundesrepublik reißend Abnehmer. Seit Erscheinen des Titels auf der Leipziger Buchmesse Ende März wurde die Startauflage in Höhe von 10 000 Exemplaren "fast verkauft", wie eine Sprecherin des in Bad Wiessee am Tegernsee angesiedelten Verlages Thomas Bauer erfreut mitteilt. Bei der Deutsch-Arabischen Gesellschaft in Berlin will man indessen von dem Buch nichts wissen.

Der gut 200 Seiten dicke und knapp 20 Euro teure Roman mit dem Titel "Zabibah und der König" ist nach Verlagsangaben eine allegorische Liebesgeschichte, die im Nordirak Jahrhunderte vor Christi Geburt spielt. Die schöne junge Zabibah wird von ihrem ungeliebten Ehemann vergewaltigt. Der König, mit dem sie eine Liebesbeziehung hat, schwört dem Peiniger Rache. Am Ende sterben alle drei. Der Verlag verweist auf eine Rezension der Tageszeitung "Die Welt", wonach der Roman "eine Menge über Saddam Husseins Gedankenwelt verrät, unter anderem das paranoide Bedürfnis, von seinem Volk geliebt zu werden".

Der CIA analysierte das Buch

Für die Originalausgabe von Saddams Buch interessierte sich vor Jahren bereits der amerikanische Geheimdienst CIA. Nach dessen Analyse symbolisiert der König den Diktator, Zabibah das irakische Volk und der Ehemann die USA. Verlags-Inhaber Bauer zitiert einen CIA-Beamten aus der Studie: "Jedes Mal, wenn ich in dem Buch las, fühlte ich mit dem König." Auch Saddam Hussein habe mit dem Roman nichts anderes bezwecken wollen als dass sein Volk mit ihm fühlt, glaubt Bauer zu wissen.

Zweifel an der tatsächlichen Autorenschaft Husseins hegt die CIA offensichtlich nicht. Allenfalls könnte sich der Diktator in der Schreibstube von einem Ghostwriter habe helfen lassen, argwöhnen die CIA-Leute. Der Verlags-Chef in Bad Wiessee ist dennoch der Überzeugung, der Liebesroman eröffne Lesern die Chance, "in die Gedankenwelt eines Menschen einzutauchen, der sich durch sein Handeln vom normalen Denken vielleicht schon längst verabschiedet hat". Leser von Ausgaben in Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Griechisch hätten dazu bereits Gelegenheit gehabt.

Pflichtlektüre in den Schulen

"Zabibah und der König" war nach Verlagsangaben im Irak Pflichtlektüre in den Schulen. In anderen arabischen Ländern spielt der Roman aber keine Rolle, wie auch die Deutsch-Arabische Gesellschaft in Berlin weiß. Dort will man sich mit der Liebesgeschichte von "Saddam dem Schrecklichen" nicht näher befassen, wie der Generalsekretär der Organisation, Harald Moritz Bock, unmissverständlich klar macht. "In diesem Leben lese ich den Roman nicht mehr. Schließlich habe ich mich auch nicht mit den Goebbels- Tagebüchern befasst." Ein ihm zugesandtes Exemplar habe er "originalverpackt weitergereicht", wie Bock versichert.

Für Bauer soll die Herausgabe des Hussein-Romans ein einmaliger Ausflug in die Welt des Romans bleiben. Denn der kleine Verlag am Tegernsee ist eigentlich auf Lifestyle und Kochbücher spezialisiert. So kann man bei Thomas Bauer eher unspektakuläre Titel wie "Streicheleinheiten für Körper und Seele" samt Massage-Set oder "Classic Cocktails zum Verwöhnen und Genießen" mit Shaker, Becher und Rezeptuntersetzer beziehen. Doch jetzt hat der Verleger mit Hilfe des einst gefürchteten Diktators, der in einem Gefängnis an geheim gehaltenem Ort auf seinen Prozess wartet, bundesweit auf sich aufmerksam gemacht. Fernsehsender stehen vor seiner Tür Schlange.

Verkaufserlöse für die Kinder im Irak

Bauer will indessen einen Teil des Verkaufserlöses für wohltätige Zwecke spenden. Zwar hätte Saddam streng genommen Anspruch auf Tantiemen. Doch die dürften ihn wohl kaum erreichen. So will der Verleger Geld ans Rote Kreuz überweisen, um damit Not leidenden Kindern im Irak zu helfen. "So tut der Schlächter von Bagdad wenigstens noch etwas Gutes."

DPA
Paul Winterer/DPA