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"Brokeback Mountain" Von Wyoming in den Kino-Olymp

Drei Oscars für Regie, Drehbuch und den Soundtrack: "Brokeback Mountain" erzählt das schwierige Verhältnis zweier Cowboys - und ist eine der schönsten Liebesgeschichten, die jemals im Kino gezeigt wurde.
Von Kathrin Buchner

"Ich hatte zuvor noch nie eine richtige Love Story gedreht und bin auch der Meinung, dass in den Geschichten zwischen Jungs und Mädchen nicht mehr viel Geheimnisvolles übrig ist. Es wurde schon alles erzählt und dargestellt", sagt Heath Ledger über seine Rolle als Rancher Ennis Del Mar. Zugesagt hat der junge Schauspieler, ohne vorher mit dem Regisseur Ang Lee ein einziges Wort gewechselt zu haben. Mutig. Gerade bei solch einem Stoff, der für Furore in der ganzen Welt sorgt und nicht nur im amerikanischen Utah aus den Kinos verbannt wurde.

Homosexualität unter Cowboys ist fast so ein Tabu wie unter Fußballspielern. Schließlich fordert das Leben im wilden Westen einen ganzen Kerl, der einsam seine Viehherden durch die weiten Landschaften treibt und abends am Lagerfeuer die Whiskey-Flasche leert. Gefühle haben im rauen Hinterland nichts zu suchen. Mit dem Kamerad teilt man höchstens das erschossene Wild und nicht den Schlafsack. Konflikte werden mit dem Revolver ausgetragen und nicht mit Worten, geschweige denn mit zärtlichen Gesten. Ihren Hintern setzen Cowboys ausschließlich dazu ein, sich möglichst lange auf dem Pferd zu halten.

Marlboro-Mythos dekonstruiert

All diese Klischeebilder sieht man bei "Brokeback Mountain": Rancher Ennis Del Mar (Heath Ledger)und Rodeoreiter Jack Twist (Jake Gyllenhaal) verdienen einen Sommer lang ihr Geld damit, gemeinsam Schafe am Brokeback Mountain im US-Bundesstaat Wyoming zu hüten. Nach außen sind sie beide harte Burschen mit Cowboys-Hüten, die ihre Stiefel nicht mal beim Waschen ausziehen. Die sich von noch so ungezähmten Stuten nicht abwerfen lassen. Wunderschöne Landschaftsaufnahmen, Schafherden von oben, die sich wie eine feingliedrige Perlenkette durch Schluchten schlängeln; Impressionen einer Kleinstadt im Mittleren Westen, in der die Trucks noch richtig bullig gebaut sind und niemand einen Gedanken daran verschwendet, dass Öl keine erneuerbare Energie ist. Das amerikanische Hinterland im Jahre 1963 sieht aus wie ein Gemälde von Edward Hopper. Hier zählen Macho-Werte und Traditionen. Selbst der Clown beim Rodeo hat seine Ehre und lässt sich von keinem anderen Mann auf ein Bier einladen.

Den Liebsten mit Lasso eingefangen

Gnadenlos dekonstruiert Regisseur Ang Lee diesen Marlboro-Mythos mit winzigen Details und Gesten: Jack behält zwar seine Stiefel an, aber er wäscht nicht nur sich selbst, sondern auch die Hemden von Ennis. Wenn der gelernte Rodeoreiter sein Lasso schwingt, dann macht er das nicht, um ein verlorenes Schaf einzufangen, sondern um seinen Geliebten Ennis festzuhalten. Wenn Jack und Ennis gemeinsam im Bett eines Hotelzimmers liegen, und Ennis ihre Beziehung als "das Ding" bezeichnet, wenn Ennis sich nach dem Abschied in einen Mauervorsprung verdrückt und weinend zusammenbricht - für die ergreifende Liebesgeschichte sieht das Drehbuch wenig Worte vor und das ist auch gut so. Als Vorlage dient die nur 31 Seiten lange Kurzgeschichte der Pulitzer-Preisträgerin Annie Proulx. Gedreht wurde die Low-Budget-Produktion übrigens nicht in Wyoming, sondern in der kanadischen Provinz Alberta. Der Grund dafür waren niedrige Drehkosten und die überwältigende Schönheit der dortigen Rocky Mountains.

Oscarreife Leistung der Hauptdarsteller

Regisseur Ang Lee ist ein Meister des Details und der Kunst, eine über 20 Jahre dauernde Geschichte kompakt und stringent zu erzählen. Denn über diese Zeitspanne hinweg treffen sich die beiden Cowboys beinahe jeden Sommer um ein paar Tage gemeinsam am Brokeback Mountain zu verbringen. Obwohl Ennis nach ein paar Jahren von seiner Frau verlassen wird, schafft er es nicht, sich zu einem gemeinsamen Leben mit Jack durchzuringen. Die Kulisse lässt sich mit entsprechenden Requistien leicht verändern: Anhand der hoch auftoupierten Lockenfrisur von Jacks Gattin Lureen (Anne Hathaway) gelingt mühelos der Sprung in die 80er Jahre. An Jacks immer besserem Camping-Equipment lässt sich sein wachsender Wohlstand ablesen. Die beiden Hauptdarsteller dagegen müssen ganz allein die schauspielerische Meisterleistung vollbringen, sich selbst 20 Jahre älter zu spielen. Und das schaffen sie mit Bravour. Einen Oscar hätten beide dafür verdient.

Keine falscher Pathos

"Brokeback Mountain" ist mehr als nur ein Film über den Tabubruch im Cowboy-Milieu. Es ist eine Geschichte über große Gefühle und die Geschichte einer verpassten Chance, gegen alle Widerstände sein Leben mit dem Menschen zu verbringen, den man am meisten liebt. Auch in der Schlussszene, als Ennis sein eigenes Hemd in Jacks Schrank findet und sich über sein tragisches Schicksal bewusst wird, verfällt der Film nicht in das übliche Hollywood-Pathos und in Rührseligkeit. Das liegt nicht zuletzt an der großartigen Musik von Gustavo Santaolalla, der dafür auch einen Oscar bekam.

Schicksalhafter Dreh für Heath Ledgers Privatleben

Übrigens war für Heath Ledger die spontane Zusage an dem Dreh schicksalsträchtig: Während im Film die Ehe mit Alma in die Brüche geht, begann seine private Liebesgeschichte mit Filmpartnerin Michelle Williams. Und wie bei "Brokeback Mountain" ist das erste gemeinsame Kind eine Tochter, Mathilda Rose, geboren im November 2005.

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