Nur Dackel Paul riecht die Wahrheit. Doch sein Herrchen ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um den Schwindel zu merken: seine Tochter Luise hat ihre Rolle mit ihrer wieder gefundenen Zwillingsschwester Lotte getauscht. Im "Doppelten Lottchen" sind die Großen alle ein bisschen dämlich, aber vielleicht ist Erich Kästners Jugendroman ja deshalb so beliebt. Umso gewitzter dürfen die beiden elfjährigen Zwillingsschwestern die Eltern an der Nase herumführen, um ihre zerbrochene Familie zu kitten.
Der Kinderfilm präsentiert den zeitlosen Stoff erstmals in Zeichentrickversion. Nachdem 1950, ein Jahr nach Kästners Buchveröffentlichung, der erste und bisher beste Realfilm entstand, wurde hier zu Lande der Roman zuletzt 1994 von Josef Vilsmaier im zeitgeistig aufgemotzten Gewand als "Charlie & Louise" verfilmt. Aber auch Hollywood beschäftigte sich mehrmals mit der "Parent Trap" ("Elternfalle") und machte damit Lindsay Lohan und die Olsen-Zwillingen zu Kinderstars. Unter kalifornischer Sonne wurden die Mädchen allerdings wie Barbiepuppen aufgebrezelt und die Väter waren wohlhabende Winzer. Trickfilmproduzent Michael Schaack ("Werner - beinhart", "Das kleine Arschloch") will dagegen zurück zu den Wurzeln und orientiert sich an Kästners Original.
Nach der Geburt auseinander gerissen
Also spielt die Geschichte in den frühen Fünfzigern und beginnt beschaulich in einem Ferieninternat in Seebühl am Bühlsee. Wildfang Luise ist stinksauer, als sie unter neu ankommenden Feriengästen ein Mädchen entdeckt, das ihr wie ein Ei dem anderen gleicht. Zuerst triezt die temperamentvolle Luise die sanfte Lotte, dann freunden sich die beiden Elfjährigen an. Die beiden werden ein Herz und eine Seele und entdecken, dass sie gemeinsame Eltern haben, die das Zwillingspärchen nach der Geburt auseinander rissen. Sie beschließend den Tausch ihrer Identitäten, und bei Ferienende geht Luise als Lotte zur Mutter, einer bescheiden lebenden Bildredakteurin, nach München und Lotte als Luise in die großbürgerliche Altbauwohnung des Vaters nach Wien.
In dieser altmodisch werkgetreuen Version wirkt das ebenso humorvolle wie tiefsinnige Kindermärchen immer noch ziemlich aktuell. Denn die Geschichte handelt nicht nur vom kindlichen Angstthema Scheidung, sondern dreht sich auch um die spiegelbildliche Ergänzung des eigenen Charakters. Getreu Kästners Yin- und Yang-Perspektive ist Lottchen fleißig und recht erwachsen, glänzt plötzlich in Mathe und guckt der Haushälterin des Vaters, einem zerstreuten Dirigenten, auf die Finger. Luise dagegen haut plötzlich fiesen Kindern eins auf die Nase, erweist sich im Haushalt als Niete und kann Klavierspielen. Die Gründe der Eltern für Scheidung und Happy End bleiben wie bei Kästner wohlweislich im Dunkeln.
Kästners Lieblings-Illustrator imitiert
Der niedliche Film ist eben an kleinere Kinder adressiert. Visuell kann er jedoch durch sein Retro-Design bestechen, das an die Zeichnungen von Kästners Lieblings-Illustrator Walter Trier angelehnt ist. Besonders Erwachsene werden sich angesichts der satt leuchtenden Primärfarben und der einfachen, graziösen Umrisse nostalgisch an ihre Kindheitslektüre erinnern. Allerdings klappt die Imitation von Triers weichem Stil nur bei Kindern und Tieren - Erwachsene sind ausdruckslos oder aber klischeehaft überzeichnet wie die Feindin der Zwillinge, des Vaters zickige Verlobte Irene. Sie bestätigt, von der spitzen Nase bis hin zum scharfkantigen Bauhaus-Bungalow, dass es Kinder lieber kuschelig mögen.