"Dear Wendy" Zwei Dänen sezieren Amerikas Waffenrausch

Nach dem Drehbuch von Lars von Trier hat Regisseur Thomas Vinterberg ein rabenschwarzes Bild der US-Gesellschaft geschaffen. "Dear Wendy" handelt von einer Clique jugendlicher Waffennarren in einer trostlosen Bergarbeiterstadt.

Eine Krise der Beziehungen des kleinen nördlichen Nachbarlandes zum Giganten USA wird "Dear Wendy" nicht zur Folge haben. Aber freundschaftliche Bande wird der Film der beiden dänischen Filmemacher, Leitfiguren der inzwischen schon legendären Dogma-Gruppe, auch nicht gerade festigen. Denn er seziert unerbittlich den amerikanischen Waffenwahn. Die Hauptfigur der mit 101 Minuten zu lang geratenen Handlung ist der elternlos aufgewachsene, in einem Drugstore arbeitende Außenseiter Dick, eigentlich ein eingeschworener Pazifist. Dick gerät in den Besitz eines vermeintlichen Spielzeug-Revolvers, der jedoch eine gefährliche Waffe ist, mit der man auch töten kann. Nachdem Dick das herausgefunden hat, schließt er innige Freundschaft mit der Waffe, die ihm Stärke und Macht verheißt.

Der Revolver als Geliebte

Diese Waffe nennt Dick liebevoll Wendy. Und so richtet sich auch der Liebesbrief, der am Anfang des Films von Dicks Stimme verlesen wird, nicht an die nette Chlarabelle, die ihm zugeneigt ist, sondern an seinen Revolver. Bald sammelt Dick noch drei weitere jugendlichen Außenseiter der Stadt um sich, dazu Chlarabelle. Zusammen nennen sie sich "Dandys". In einem stillgelegten Bergwerkstollen treffen sie sich immer wieder, um dort ihre Rituale und ihre Schießübungen abzuhalten. Mit Waffen aller Kaliber sind die fünf "Dandys" mittlerweile bestens versorgt. Und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Denn wer so gut schießen gelernt hat, der schießt auch irgendwann mal auf lebende Ziele - mit fatalen Folgen.

Originelle, aber ziemlich schräge Fantasie

Wie fatal, das ist im übertrieben gewaltverliebten Finale des Films zu sehen. Es ist zu vermuten, dass Regisseur Thomas Vinterberg ("Das Fest") und Lars von Trier ("Dancer in the dark", "Dogville") ihren Film ganz bewusst für viele Interpretationen offen halten wollten. Und wer will, kann in dem merkwürdigen Tun der Jugendclique, erst recht in ihrem blutigen Ende, etliche gesellschaftskritische, politische und existenzialistische Motive oder Anspielungen herausfiltern. Sonderlich zwingend ist das jedoch nicht. Nur an der Oberfläche betrachtet, wirkt "Dear Wendy" allzu kalkuliert als Produkt einer originellen, aber ziemlich abseitigen Fantasie.

Eine Atmosphäre aus Dekadenz und Rebellion

Unter den Darstellern hat nur Bill Pullman, der den ebenso leutseligen wie hinterlistigen Sheriff spielt, einen bekannten Namen. Jamie Bell (aus "Billy Elliot") verkörpert den waffenvernarrten Pazifisten Dick so glaubwürdig wie möglich, die anderen jungen Darsteller stehen ihm nichts nach. Die aus den 60er Jahren stammenden Songs der englischen Beatgruppe "Zombies" tragen übrigens viel dazu bei, dem Film einen eigentümlichen Reiz aus Rebellion und Dekadenz zu geben. Doch der verfliegt völlig, wenn die beiden Dänen es am Ende richtig krachen lassen. Die wahrscheinlich beabsichtigte Schockwirkung wird so jedenfalls nicht erreicht. Was bleibt, ist Irritation und die Frage: "Braucht das wirklich jemand?"

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Wolfgang Hübner/AP

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